Evelinn Trouble

Von

|

Drucken Drucken

Von Ruth Kofmel – Eingeordnet zu wer­den, mag sie nicht. Erst recht nicht in die Reihe «jun­ger Frauen, die Musik machen», was in den Medien seit län­ge­rem ger­ne als Label ver­wen­det und als Trend pro­pa­giert wird. Und wenn sie schon in eine schwei­ze­ri­sche Ahnenreihe gestellt wer­den soll, dann so prä­zi­se wie mög­lich: Sie in den Kontext mit den zwei Künsterinnen Big Zis und Joy Frempong zu brin­gen, fin­det sie schon ein­mal einen Fortschritt. Unumwunden drückt sie ihre Begeisterung für die bei­den aus, den Wunsch, mit sol­chen Menschen Projekte zu ver­wirk­li­chen. Mit die­sen zwei Frauen teilt sie aus mei­ner Sicht den frei­en Zugang zur Musik, ihre etwas ver­schro­be­ne Art, was sich in Bühnenoutfits, Texten und Liedstrukturen unschwer erken­nen lässt. Die Liebe zum Schrägen, die bei die­sen drei­en unver­krampft und unge­kün­stelt wirkt.

Sie legt gros­sen Wert dar­auf, all­zu her­kömm-lichen Harmonien und Songstrukturen aus­zu­wei­chen. Das hat nichts mehr mit jugend­li­chem Rebellentum zu tun, son­dern mit der Erkennt-nis, dass sie gar nicht anders kann. Es sei schon fast so etwas wie eine Krankheit, immer etwas über das Limit zu gehen, die Dinge nicht ein­fach schön sein zu las­sen, sie zu bre­chen und in ande­re, neue Formen zu brin­gen. Sie will viel mit ihrer Musik. Es genügt ihr nicht, sich in der Schweiz mit etli­chen Live-Auftritten und einem selbst­ge­ba­stel­ten Album bereits einen Namen geschaf­fen zu haben. Sie will Musik machen, die Bestand hat und auch über die Landesgrenze hin­aus auf Resonanz stösst. Frau Trouble ist längst nicht mehr zufrie­den mit ihrem ersten Album «Arbitrary Act», das sie als Maturarbeit kon­zi­piert hat, mit dem Gedanken ein­fach mal alle die her­um­schwir­ren­den Melodien und Textzeilen fest­zu­na­geln. Sie fin­det die­se Scheibe mitt­ler­wei­len zu intim – fast schon anbie­dernd intim .

Ich tref­fe Evelinn Trouble in einem Moment in ihrem Leben, wo sie einen zünf­ti­gen Richtungswechsel vor­nimmt. Die letz­ten zwei Jahre sei sie faul gewe­sen. Nicht, dass sie kei­ne Musik gemacht hät­te: Sie hat immer wie­der neue Projekte ange­ris­sen, nur ist sie an kei­nem so rich­tig dran­ge­blie­ben. Sie hat mit etli­chen Leuten zusam­men gespielt, aber dar­aus hat sich offen­bar in der Zeit wenig Bleibendes her­aus­kri­stal­li­siert. Das ist für ihr Alter und ihr Metier sicher­lich nichts Ungewöhnliches. Schnell ist eben doch gera­de eine talen­tier­te, musik­ma­chen­de Frau hier in der Lage, sich auf einem gewis­sen Level zu eta­blie­ren und Gigs rein­zu­ho­len. Das funk­tio­niert ein paar Jahre, und dann wird es still. Evelinn Trouble ist sehr wahr­schein­lich aber eine zu gute Musikerin, um ein­fach in der Versenkung zu ver­schwin­den und eine zu ambi­tio­nier­te dazu! Um zu sehen, wie es draus­sen in der gros­sen Welt zu- und her­geht, da, wo ihre Idole am Werken sind wie «TV on the Radio» bei­spiels­wei­se, ging sie nach New York. In die­sen zwei Monaten hat­te sie viel Zeit zum Überlegen, Bilanz zu zie­hen, her­aus­zu­fin­den, was sie wirk­lich will und fest­zu­stel­len, dass sie ein paar Dinge anders ange­hen muss, um ihrem Ziel näher­zu­kom­men. Sie hat die let­zen paar Monat damit ver­bracht ihrem Leben etwas Struktur zu geben. Evelinn Trouble ist dabei, sich aus ihrer jugend­li­chen Unbekümmertheit her­aus­zu­schä­len und ihrem Leben eine gewis­se Kontur zu geben. Dass sie eine Frau mit vie­len Facetten ist, die sich nicht damit zufrie­den­gibt, auf einer Schiene vor sich hin­zu­rol­len, wird ihr sicher erhal­ten blei­ben. Sie scheut die Langeweile und pro­biert gera­de aus, wie man die Langeweile ver­mei­den kann, auch wenn man einen mehr oder weni­ger gere­gel­ten Tagesablauf hat und sich erst ein­mal nur auf ein Projekt kon­zen­triert. Einfacher macht sie es sich des­we­gen aber noch lan­ge nicht. Sie planscht nicht an der Oberfläche rum und wirft in die­sem Interview ein paar mei­ner unlös­ba­ren Lieblingsfragen auf: Beispielsweise war­um uns Liedtexte in Schweizerdeutsch oft pein­lich berüh­ren. Warum es nur ganz, ganz weni­ge gibt, die die Mundart wirk­lich beherr­schen. Oder die Frage, ob Musik ein gewis­ses Verständnis braucht, ein Wissensschatz, den man sich aneig­nen muss. Ob also Musik schluss­end­lich auch etwas mit Bildung zu tun hat.

Definitive Antworten auf die­se Fragen sind natür­lich unmög­lich. Aber sie zei­gen, dass Evelinn Trouble ger­ne ihrer Sache auf den Grund geht. Sie singt nicht ein­fach auf Englisch, weil es gut klingt. Sie spricht von der Codierung, die dadurch mög­lich wird, von der Distanz, die sich durch die Fremdsprache auto­ma­tisch er-gibt, auch davon, dass fast alle Musik, die sie hört und gehört hat, eng­lisch gesun­gen ist und sie es ganz ein­fach nicht anders gelernt hat. In ande­ren Fragen ist sie unent­schie­de­ner: Bildung braucht es ihrer Meinung nach kei­ne, um Musik zu ver­ste­hen. Trotzdem ver­gleicht sie den Besuch eines Konzertes mit dem Besuch in einem Museum, wo ein Laie per­plex vor einem Kunstwerk steht, wohin­ge­gen ein etwas geüb­te­rer Museumsgänger sich bes­ser auf das Gezeigte ein­las­sen kann. Unabdingbar fin­det sie auf jeden Fall Offenheit und Interesse für die Sache.

Und dann die wohl schwie­rig­ste Frage; was eigent­lich die gros­sen Lieder aus­macht? Beide rät­seln wir dar­über, was man­chen Songs die­ses gewis­se Etwas ver­leiht, was sie für vie­le Menschen erkenn­bar wer­den lässt. Wir lan­den bei all­ge­mein gül­ti­gen Symbolen in der Sprache, den Rhythmen und Tonfolgen, die berüh­ren, ohne intel­lek­tu­ell erfasst zu wer­den, und so macht es irgend­wie auch Sinn, wenn Evelinn Trouble sagt, sie ver­su­che über Zustände und den Kosmos zu schrei­ben. Wobei sie mit dem Kosmos eben die Suche nach die­sem all­ge­mein gül­ti­gen, all­ge­mein ver­ständ­li­chen Etwas meint, was einem Lied höch­ste Dringlichkeit ver­leiht. Die Frau hat defi­ni­tiv sehr viel Arbeit vor sich und ich den­ke, die Chancen ste­hen gut, dass Evelinn Trouble der Musik für uns ein paar unver­gess­li­che Töne abrin­gen wird.

Foto: zVg.
ensuite, April 2010

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo