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Erwürgen wir das Sparschwein

Von Lukas Vogelsang - Liebe LeserInnen, wenn’s so wei­ter­geht, wer­den sie Ihre Fernsehgebühren-Rechnung schon bald in der Apotheke beglei­chen kön­nen. Es wäre zumin­dest eine glaub­wür­di­ge Erklärung und eine sinn­vol­le Allianz für die Gebührenerhöhung der SRG: Schlaftabletten wer­den auch immer teu­rer etwa so wie das Gesundheitswesen. Zudem: Bezahlen muss immer das Sparschwein, die BürgerInnen. Da kann man noch lan­ge was von Demokratie faseln oder von Kostenteilung. Als öffent­lich-recht­li­cher Staatssender ist das Monopol defi­niert und klei­ne neue Sender wie das 3+ kön­nen dane­ben nur zap­peln. Es wäre ja alles halb so wild, wenn wenig­stens die Programmqualität zuneh­men wür­de. Aber es ist wie mit den Banken, die wir unter­des­sen bezah­len, dass sie uns das Geld abneh­men. Manchmal fra­ge ich mich, wie lan­ge ich mir die­sen Blödsinn noch bie­ten las­se er kommt mir teu­er zu ste­hen.

Nun gut. Herr Walpen und sei­ne Belegschaft wol­len uns das neue Bündner-Studio prä­sen­tie­ren und das neue Bundeshaus-Pressecenter (wel­ches sich nota­be­ne noch zu einem kli­ma­ti­schen Katastrophengebiet umzo­nen las­sen muss), und brau­chen im glei­chen Atemzug noch mehr Geld, um den immer noch schla­fen­den Riesen SRG zu wecken. Leider wur­de das Programm damit nicht bes­ser. Und statt inve­stier­tes Geld (zum Beispiel in Black & Blond) für die Verbesserung und Weiterentwicklung ein­zu­set­zen, setzt man Sendungen ohne Publikumshype ab in den Sand. Das näch­ste Fiasko kommt bestimmt. Das Risiko, eine Sendung nicht pro­du­zie­ren zu kön­nen man­gels Geld, ist gleich null: Der Walpen wird’s schon rich­ten schliess­lich hat er einen Sparplan ange­kün­digt, der 80 Millionen Franken (5 Prozent der Gesamtkosten der SRG) ein­spa­ren soll. Was ihn aber nicht dar­an hin­dert, gleich­zei­tig die Gebührenschraube nach oben zu dre­hen. So wer­den wir (oder jene, die es betrifft) in Zukunft, ins­ge­samt fast 10 Prozent mehr ans Fernsehen und Radio bezah­len, obwohl wir immer weni­ger davon nut­zen kön­nen.

Das Scheusal nimmt im glei­chen Moment noch eine wei­te­re Widerlichkeit an: Die Billag, zustän­dig für das Eintreiben der Gebührengelder, hat in der glei­chen Woche bekannt­ge­ge­ben, dass sie die von den Radio- und Fernsehgebühren befrei­ten Personen kon­trol­lie­ren will. Befreit kann jeder wer­den, der sich mit einem schrift­li­chen Gesuch bei der Billag mel­det. Dies betrifft vor allem AHV- oder IV-Rentner, aber auch alle Personen, die auf Ergänzungsleistungen ange­wie­sen sind. Sicher, es ist bedenk­lich, wenn die Zahl der «sub­ven­tio­nier­ten Fernsehzuschauer» von 33‘000 auf 180‘000 steigt. Doch müss­te auch ein­ge­se­hen wer­den, dass die Schweiz noch nicht jün­ger oder rei­cher gewor­den ist. Man hät­te wenig­stens mit die­ser Ankündigung war­ten kön­nen ein­fach aus Respekt.

So wird der Fernsehkonsument zum Sparschwein dekla­riert, wel­ches geschlach­tet wer­den muss. Und weil mehr geschla­gen als gemä­stet, wird sich der eine oder ande­re über­le­gen, ob das Fernsehen für ihn noch eine Zukunft hat.

Diese Zukunft hat in Schweden momen­tan in der Politik ihre Runden gemacht. Die neue sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Regierung um Premier Reinfeldt macht einen ful­mi­nan­ten Auftakt und stol­pert: eben auch grad über die Fernsehgebühren. So sind in den letz­ten Wochen ein hoher Politiker nach dem andern als Schwarzseher ent­larvt wor­den (zum Teil 16 Jahre lang!). Immerhin: Der staat­li­che «Radiotjänst», Schwedens TV-Gebühreneinzieher, mel­de­te infol­ge der gros­sen Schlagzeilen, dass über 6000 TV-Seher-Anmeldungen ein­ge­gan­gen sind dar­un­ter sol­len vie­le Promis aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung sein. Aha, da ist also der Fisch an der Angel. Haben Sie es gehört, Herr Walpen?

Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, November 2006