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Erfolgsrezepte

(Constantin Seibt) –

Früher, bei Partys und Podiumsdiskussionen, lun­ger­te ich her­um und sah mir die erfolg­rei­chen Vertreter mei­nes zukünf­ti­gen Berufs an. Meist waren es ener­gi­sche Herren, schon etwas aus dem Leim. Bei den mei­sten dach­te ich, dass sie zu Unrecht auf ihrem Posten sas­sen. Aber trotz­dem war ich über­zeugt, dass sie etwas ent­deckt hat­ten: ein Geheimnis, das ich noch nicht geknackt hat­te.

Heute, bereits etwas aus dem Leim und nach eini­gen Erfolgen, weiss ich: Nein, es gibt kein Geheimnis. Erfolg ist eine über­schätz­te Sache.

Im Prinzip gibt es dazu nur fol­gen­des zu sagen:

  1. Der ein­zi­ge ver­nünf­ti­ge Grund, war­um man wel­chen haben soll­te, ist, weil es zum Beruf gehört. Journalismus zielt auf Aufmerksamkeit. Von Zeit zu Zeit muss man das Publikum hin­reis­sen. Sonst macht man sei­nen Job nicht rich­tig.
  2. Welcher Artikel zün­det und wel­cher ver­sinkt, ist nicht vor­her­zu­sa­gen. Es wer­den nie die schlech­te­sten popu­lär, aber oft nicht die besten. Denn Erfolg ist nicht die Sache des Artikels, nicht des Autors, son­dern die Sache ande­rer Leute: der Leser.
  3. Vielleicht ist Erfolg des­halb eine Enttäuschung: Er hat fast nichts mit dir zu tun. Denn Erfolg ist akzi­den­ti­ell. Er ist eine Zutat, die nicht in der Arbeit selbst steckt. Im Grund zieht man als Journalist mit jedem Artikel ein Los. Die mei­sten sind Nieten. Mit ande­ren gewinnt man ein ein gros­ses oder klei­nes Echo.
  4. Junge und hung­ri­ge Leute wun­dern sich manch­mal, wie die Bande an älte­ren Herren und Damen an die Schaltstellen gekom­men ist. Besonders, da die­se nicht unglaub­lich begabt wir­ken. Doch ihr Aufstieg geschah ganz harm­los. Die Leute, mit denen man mit Anfang 20 Billard spielt oder Bier trinkt, sit­zen mit 30 alle in irgend­wel­chen Sesseln. Und mit 40 ist es von gros­sem Vorteil, sie anru­fen zu kön­nen und «Du» sagen zu kön­nen. Eine gan­ze Generation steigt hoch, wie der Schimmel im Abwasch eines Junggesellen. Der beste Satz, den man Jugendlichen zu Theorie und Praxis der Karriere sagen kann, ist: Wart mal.
  5. Als jun­ger Mensch denkt man, es wäre gross­ar­tig, geehrt zu wer­den. Dabei sind Ehrungen nur eine neue Sorte Frechheit: Jeder kann dir dann auf die Schulter schla­gen, auch Leute, mit denen du nichts zu tun haben willst. Und Protest ist albern. Er klän­ge viel zu arro­gant. Gegen Beleidigungen und Angriffe kann man sich weh­ren. Gegen Umarmungen nicht.
  6. Erfolg bringt erstaun­lich viel Verwaltungsarbeit mit sich. Landet man einen Hit, muss man sich vor einer gan­zen Menge zurück­ver­beu­gen. Bei der wirk­li­chen Arbeit hilft er dage­gen nicht: Man sitzt beim näch­sten Auftrag genau so rat­los vor dem Papier. Wenn man Pech hat, ver­sucht man, etwas Geniales zu schrei­ben, statt zur Sache. Und fällt garan­tiert auf die Nase.
  7. Aber das Allertraurigste am Erfolg ist: Die Abwesenheit des Geheimnisses. Sicher, als jun­ger Hochstapler, als man noch täg­lich sei­ne Entlarvung fürch­te­te, hielt man die Generation an der Macht zwar für alte Säcke. Aber man glaub­te, sie habe einen Qualitätssprung gemacht. Ein Moment der Erkenntnis, wo die Verwandlung zu Kompetenz und Seriosität pas­siert. Heute weiss man, dass man die­sen Sprung nie tun wird. Man sta­pelt noch immer hoch. Nur wird man nie ent­larvt wer­den. Denn erstens haben sich die Leute an dich gewöhnt. Und zwei­tens: Die ste­ti­ge Angst vor der Entlarvung – das ist die Seriosität.

Das Gute an all dem Mangel an Glamour ist: Man muss sich im Leben um ziem­lich viel küm­mern, die Körperpflege, die Laune, die Haltung, das Kindchen, die Einkäufe, die Steuerrechnung, das Aufpolieren des Verstandes, die Freunde – aber um eines muss man sich nicht küm­mern: den Erfolg. Er ist eine Art Grippe für Profis. Manchmal hat man ihn und manch­mal nicht. Man soll­te sich nicht gross dar­um Gedanken machen.

Und kann statt­des­sen tun, was man tun will.

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