Die Würfel sind gefallen: Unser Projekt ist bei der Jury, die über den neuen Leistungsauftrag der Dampfzentrale ab 2028 urteilt, ebenso wie vier weitere Parteien nicht weitergekommen. Zwei Parteien haben wegen formaler Fehler im Eingabedossier diese Stufe gar nicht erst erreicht. Drei Projekte werden vermeintlich als erste «Siegerprojekte» gefeiert. Ausgeschieden und nicht mehr Bestandteil der Evaluation, sind wir jetzt frei, zu erzählen, was wir erlebt und entdeckt haben:
Gleich vorweg: Wir, die we are gmbh, akzeptieren die Entscheidung ohne Wenn und Aber. Das Amt für Beschaffungswesen, das diese etwas dubiose Ausschreibung ausgeführt hat, wollte uns wegen vermeintlich im Dossier fehlender Namen und Schlüsselpersonen schon früher rauswerfen. Wir konnten im «rechtlichen Gehör» (unserer Stellungnahme) plausibel darlegen, dass wir alles korrekt geliefert hatten. Unsere Argumentation dafür stammte vom Amt für Beschaffung selbst: Subventionierte Kulturinstitutionen müssen freie Stellen immer öffentlich ausschreiben. Wir konnten also bei der geplanten neuen Betriebsstruktur keine Namen nennen – und hatten entsprechend die nötigen Statuten für die juristischen Personen geliefert. Das überzeugte: Nur ein paar Stunden nach Ablauf der Verteidigungsfrist waren wir offiziell wieder drin …
Aber das ist eine Randgeschichte. Diese ganze Ausschreibung hat viele Fragen zutage gebracht, und wir haben viel gelernt. Jetzt, im Nachspiel und mit dem neuen Wissen, hat alles sogar noch eine Dimension dazugewonnen, und wir sind inzwischen sogar froh, ausgeschieden zu sein. Wir spielten von Anfang an mit offenen Karten: Die Dampfzentrale ist das grösste subventionierte Berner Kulturhaus der freien Szene, entsprechend fanden wir es im Team wichtig, dass das Eingabeprojekt nicht gegen, sondern mit den KünstlerInnen und Institutionen entstehen muss. So sassen Leute bei uns am Tisch, die diese Kooperation vordergründig schätzten – später mussten wir erfahren, dass sie selbst heimlich eine Eingabe planten. Wir mussten feststellen, dass in dieser «Endauswahl» nur Menschen weitergekommen sind, die bereits in einer kulturellen Subventions-Bubble zu Hause oder – noch schlimmer – als PolitikerInnen, Vorstandsmitglieder, in Doppelfunktionen verbandelt tätig sind. Aber vor allem stellen wir fest, dass sich die meisten ProtagonistInnen über die Kulturarbeit sehr gut kennen und noch mehr über ideologische Zusammengehörigkeit. Offensichtliches Beispiel: Das Theaterfestival Auawirleben mietet sich seit Jahren beim Verein Dampfzentrale Bern ein – die beiden Projekte sind jetzt in der engeren Auswahl. Wer jetzt aber noch etwas tiefer gräbt, kommt in diesem Prozess in immer verfahrenere Abgründe und Parallelwelten, die ganz ohne Verschwörungstheorie öffentlich einsehbar eine Lobby in Bern aufzeigen, der man nicht blind angehören will. Klingt das wild? Ja, auch für uns.
Doch der Reihe nach Die Ankündigung der Ausschreibung enthielt bereits einen Schönheitsfehler: Die Ausschreibungsunterlagen seien nur auf SIMAP (der Beschaffungsplattform von Bund und bundesnahen Organisationen, Kantonen und Gemeinden der Schweiz) zu holen, gab die Stadt Bern offiziell bekannt. Dort musste man sich registrieren, um an die effektiven Ausschreibungsunterlagen zu gelangen. Nicht gesagt wurde aber, dass irgendjemand, also auch die Stadt Bern selbst, diese Unterlagen auf jede beliebige Website stellen und an nicht SIMAP-registrierte Personen hätte weitergeben können. Sodass alle Interessierten Einsicht bekommen hätten. Der offizielle Trick dabei: Die eigentliche Eingabe musste per Post und auf einem USB-Stick erfolgen, davor ist es egal, wer diese Unterlagen einsieht – und deswegen ist legal keine Registrierung notwendig. Nur wenn die Einreichung ausschliesslich digital erfolgen soll, ist ein «Konto» nötig. Das klingt nach einer Bagatelle – ist aber bei einer Ausschreibung, die im kulturellen Bereich zum ersten Mal in dieser Form stattgefunden hat, wesentlich, weil das niemand einfach so weiss. Es erhöht die Hürden.
Zu den GewinnerInnen der ersten Phase: Der Bewertungsprozess wurde gemäss den Standards vom Amt für Beschaffungswesen von Bern definiert, diese gelten schweizweit, sogar international. Die maximal zu erreichende Punktzahl war 5. Und man staunt:
Rangfolge und erreichte Punkte
Verein Dampfzentrale Bern, Bern = 4,200
Verein Auawirleben, Bern = 3,675
ARGE Julia Reist / Lea Heimann / Lea Vettiger Moro, Belgien (Verein Hannah Dampf), Bern = 3,225
Der Verein Dampfzentrale war als einzige Institution im Besitz offiziell belegter Daten und Fakten zum Haus. Niemand hatte offiziell ähnliche Informationen bekommen, und der Verein Dampfzentrale Bern veröffentlichte seinen Jahresbericht 2024 erst im Oktober 2025. Es gibt keine Studien, gab keine Besichtigung, das Inventar ist unklar geregelt, der offizielle Übergabetermin ist unklar, keine Sicherheiten, kaum Fakten.
Interessant ist: Der bisherige Leistungsvertrag der Dampfzentrale wurde aufgrund ungenügender Leistungen aufgelöst. Bemerkenswert ist, dass ein neuer Vorstand gemeinsam mit dem bisherigen Team nun innerhalb eines Monats mit einem neuen Konzept scheinbar mühelos Höchstbewertungen erzielt. Ebenso ist hervorzuheben, dass die beiden weiteren Mitbewerberinnen bislang keine Erfahrung in der Gesamtleitung eines Kulturhauses vorweisen und bisher ausschliesslich als gastierende Miet-Veranstalterinnen in ausgestatteten Institutionen tätig waren und selbst auf Subventionsbeiträge angewiesen sind.
Brisanter Nebenschauplatz Im August 2025 fragten wir die damalige Präsidentin vom Verein Dampfzentrale, Brigitte Hilty Haller, an, wieso sich der Verein öffentlich als «gemeinnützig» bewerbe, aber in der Liste der steuerbefreiten und gemeinnützigen Institutionen und Vereine von Bern nicht aufgelistet sei. Ihre Antwort nach der berüchtigten Generalversammlung (im Anschluss trat der gesamte Vorstand zurück) war nüchtern: «Seit gestern sind wir es.» Nur: Das ist keine Selbstdeklaration. Erst als sich im Oktober der Gemeinderat in einer Antwort wegen einer Interpellation im Stadtrat hinter den Verein Dampfzentrale stellte und wieder öffentlich erklärte, dass dieser Verein gemeinnützig sei, wollten wir es genauer wissen. Die Stadt Bern gab zur Antwort, man habe das den Statuten entnommen. Die Berner Steuerbehörden schrieben dazu am 28. Oktober 2025:
«Der Verein Dampfzentrale Bern ist mittlerweile steuerbefreit. Bei der nächsten Publikation (voraussichtlich im November 2025) der von Ihnen erwähnten und bei Ihrer Anfrage beigelegten Liste ‹Institutionen, die wegen Verfolgung von öffentlichen oder gemeinnützigen Zwecken steuerbefreit sind› der Finanzdirektion des Kantons Bern wird der Verein Dampfzentrale Bern aufgelistet sein. Das derzeit publizierte Verzeichnis datiert noch vom Juli 2025. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir aufgrund des Steuergeheimnisses keine weitergehenden Informationen zur konkreten Steuerbefreiung des Vereins mitteilen dürfen.
Der Begriff der Gemeinnützigkeit ist im Steuerrecht enger umschrieben, als viele Menschen möglicherweise im Allgemeinen darunter verstehen. Sowohl der Begriff der Gemeinnützigkeit wie auch derjenige des öffentlichen Zwecks respektive der öffentlichen Aufgabenerfüllung (öffentliche Zwecke liegen insbesondere dann vor, wenn ein Leistungsvertrag mit dem Gemeinwesen besteht) erläutern wir im Taxinfo-Beitrag ‹Steuerbefreiung von juristischen Personen Kanton Bern› (Anmerkung der Redaktion: www.taxinfo.sv.fin.be.ch) deshalb näher. Massgeblich bei der Beurteilung einer Steuerbefreiung ist schlussendlich immer, was die Institution tatsächlich macht, und nicht, ob in den Statuten die gemeinnützige Zwecksetzung festgeschrieben ist.
Für die Abziehbarkeit von Spenden ist es nicht relevant, ob eine Steuerbefreiung wegen öffentlichen oder gemeinnützigen Zwecks vorliegt.»
So weit alles klar. Nur: Hat demnach der Verein Dampfzentrale in den letzten rund 20 Jahren Steuern bezahlt? Wenn nicht, dann würde das spätestens jetzt zum Problem werden: Im Ausschreibungsprozess muss belegt sein – jetzt, nach der Veröffentlichung des Juryentscheids –, dass die Steuern der letzten Jahre korrekt bezahlt wurden. Und wenn nicht? Erstaunlich ist, dass die heutige Stadtberner Finanzdirektorin Melanie Mettler von 2018 bis 2022 Co-Präsidentin der Dampfzentrale war und diesen Zustand nicht schon vorher änderte.
Absprachen? Bedenklicher sind für uns aber die in der Ausschreibung geforderten Angebotsdeklarationen, welche alle Parteien zu unterzeichnen hatten. Da steht zum Beispiel: «Haben Sie Abreden getroffen, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen oder erheblich beeinträchtigen?» Und hier wird’s jetzt seriös kompliziert:
Beim Verein Dampfzentrale und dem Theaterfestival Auawirleben ist die langjährige Partnerschaft offensichtlich. Jedes Jahr findet ein Teil des Festivals in der Dampfzentrale statt. Auch jetzt sitzen diese beiden Vereine an einem Tisch und planen das Festival für das Jahr 2026. Eine weitere Verbindung besteht überraschend mit dem ehemaligen Kapitel im Bollwerk und den dort agierenden «Spaces», sososo und inTransformation. Eigentlich ist der Veranstaltungsort Kapitel geschlossen – aber nebenan gibt es noch Räume, und dafür sucht man auf der Website MitarbeiterInnen für 40–80 % ab Januar 2026. Im Vereinsvorstand ist die ehemalige Stadträtin Tabea Rai aufgelistet, die ebenfalls neu beim Verein Dampfzentrale Bern im Vorstand sitzt und massgeblich bei der Eingabe um den neuen Leistungsauftrag mitgewirkt hat. Erwähnt sei auch, dass die neue Direktorin der Kunsthalle Bern, iLiana Fokianaki, Mitglied in diesem Vorstand von intransformation.space ist. Warum auch immer. Und was hat das mit der Kunsthalle Bern zu tun? Fokianaki war politisch vor Amtsantritt in Bern schon aufgefallen. Man verurteile den Angriff der Hamas «ohne Wenn und Aber», kommentiert Franziska Burkhardt, Kulturverantwortliche Stadt Bern, im «Bund» vom 18.11.2023 den Artikel «Künftige Direktorin unterschreibt kontroversen Palästina-Brief». «Zu der Unterzeichnung offener Briefe nehme die Stadt aber nicht Stellung, ‹solange diese nicht strafrechtlich relevante Aussagen enthalten oder in krasser Form gegen anerkannte gesellschaftliche Werte oder Normen verstossen›.» (Zitat «Bund»-Artikel)
Der Verein Auawirleben wiederum hatte in den Büros von intransformation, oder wie sie jetzt alle an der gleichen Adresse im Bollwerk Bern heissen, das Festivalbüro eingerichtet und pflegt offen eine institutionelle Partnerschaft. Mahalia Aura Haberthür, bei Auawirleben für die Kommunikation zuständig, ist als Geschäftsleiterin vom sososo.space erwähnt, ebenfalls im ehemaligen Kapitel im Bollwerk, der «kulturellem Schaffen aus und in der Stadt Bern eine Heimat» bieten will. Dieses Bollwerk engagiert sich für «Menschenrechte», ist eher politisch engagiert und damit im letzten Jahr auch aufgefallen.
Und es wird noch enger: Unter dem Titel «Berner Kulturszene verbeisst sich in Nahost-Konflikt» wurde am 29. März 2025 im «Bund» (Tamedia) ein Artikel veröffentlicht, der auf antisemitische Vorfälle in der Berner Kulturpolitik hinwies. Es ging dabei um KünstlerInnen, welche durch propalästinensische AktivistInnen bedroht wurden. Es entstand eine gehässige Debatte rund um die Ansichten zum Israel-Palästina-Konflikt, Hassreden wurden erwähnt. Mittendrin war Dino Dragić-Dubois, Co-Betreiber vom Kapitel im intransformation.space und in den ganzen Netzwerken darum herum. Er war ebenso Mitglied der Kulturkommission von der Stadt Bern und wurde in Folge dieses Disputes im April nicht mehr wiedergewählt – der «Bund» schrieb: «Wegen Hassrede – Stadt wirft umstrittenes Mitglied aus Kulturkommission» (3.4.2025). Die NZZ publizierte zum Thema am 10. April 2025 einen Artikel von Lucien Scherrer mit dem Titel: «Raven für die Hamas: Die Berner Kulturszene hat ein Antisemitismusproblem». Im Artikel werden die Musikerin Sophie Hunger und andere KünstlerInnen genannt, die eine klare Haltung gegen Judenhass zeigten und «eingeschüchtert» würden. Das Portal nachtkritik.de zitierte Bernhard Ott im Berner «Bund» vom 6.4.2025 («Gegen Hass und Mobbing – Stadt Bern muss im Kampf gegen Antisemitismus mehr Flagge zeigen»): «Im Kulturbereich teilt die ‹Palästina-Fraktion› Kulturschaffende aufgrund ihrer jüdischen Identität oder nicht genehmer Äusserungen in zwei Lager und ‹markiert› die vermeintlichen Gegner auf Social Media.» Auch die Kunsthalle-Direktorin iLiana Fokianaki war im Vorfeld ihrer Neuanstellung in Bern wegen einer Unterzeichnung eines Manifests in den internationalen Medien in die Schlagzeilen geraten. Um welche politische Haltung es dabei geht, ist für uns unwesentlicher als die Tatsache, dass sich all diese Menschen im gleichen politischen Umfeld bewegen. Vor allem solidarisieren ideologische Verbindungen stärker als künstlerische Programme. Und in diesen Verbindungen geht es nicht um Kultur und Kunst.
Und auch bei der dritten «Gewinnerin», dem Verein Hannah Dampf (ARGE Julia Reist / Lea Heimann / Lea Vettiger Moro, Belgien), zeigen sich schon nach wenigen Klicks im Internet aktivistische propalästinensische Aktionen, diesmal in der Kunsthal Gent in Belgien, welche mit ziemlich heftigen Parolen auffällt. Das alles ist anscheinend international vernetzt, ist bekannt, verschwistert und in Zusammenarbeit mit über Bern hinausreichenden Kreisen. Noch während wir diesen Text schreiben, erreicht uns eine E‑Mail vom Bones-Festival, und darin lesen wir gleich Namen (Martin Schick, neu im Verein Dampfzentrale Bern), die in Zusammenhang mit der Dampfzentrale und mit dem Ciné Résistance (ebenfalls im Bollwerk) stehen (Zitat Bones: «Ciné Résistance ist seit Januar 2024 ein wöchentliches Ereignis in Bern, entstanden als Reaktion auf den andauernden Genozid in Gaza») … Wir wollen das alles gar nicht mehr wissen!
Was jetzt neu ist: Wenn das alles wirklich einer ideologisch geplanten Orchestrierung folgt, dann steht dieses Netzwerk kurz vor einem kolossalen Triumph: der Übernahme eines riesigen und geschichtsträchtigen Kulturortes, eines Kulturdenkmals der freien Besetzerszene von 1987, garniert mit hohen Subventionen und Förderbeiträgen und der politischen und gesellschaftlichen Anerkennung der Stadt Bern. Ausgewählt in einem Ausschreibungsprozess gegen alle anderen, unabhängigen MitbewerberInnen. Diese Gedanken muss man erst verdauen. Und es ist dabei völlig egal, ob es sich um eine radikal christliche, satanistische, esoterische oder propalästinische Ideologie handelt. Wer hier wen beeinflusst oder manipuliert, wissen wir nicht.
Kernthema und Warnung: Im Editorial in diesem Heft ist es erwähnt: Michel Houellebecq beschreibt in «Unterwerfung» die schleichende Unterwanderung des politischen Systems durch eine muslimische Partei, die sich langsam, aber gezielt demokratischer Machtmechanismen bedient. Die traditionellen Parteien verbünden sich aus purem Opportunismus mit Vertretern des politischen Islam, um den rechtsextremen Front National zu verhindern, was die muslimische Partei im Zuge eines scheinbar normalen Wahlsiegs an die Spitze bringt. Der Marsch durch die Institutionen verläuft ruhig, ohne offene Konflikte; fundamentale Prinzipien wie der Laizismus werden heimlich aufgegeben und gesellschaftliche Werte angepasst. Houellebecq zeigt, dass diese Übernahme nicht durch Gewalt, sondern durch Kollaboration und Anpassung der Eliten geschieht – es ist eine in den Alltag und die Verwaltung hineingewachsene Transformation, mit einer Atmosphäre der stillschweigenden Zustimmung in der Bevölkerung. Die beschriebene Islamisierung setzt auf Konsens und persönliche Vorteile, sodass auch Intellektuelle und Akademiker sich dem neuen System bereitwillig andienen. Insgesamt stellt der Roman die Demokratie als anfällig gegenüber Infiltration und sozialer Resignation dar. All diese Mechaniken sehen wir jetzt exakt so im Zusammenhang mit der Dampfzentrale-Ausschreibung: wie sich ein ideologisches System immer mehr in die gesellschaftliche Struktur einbindet. Dabei ist es vollkommen egal, um welche Ideologien es geht. In der vorliegenden Affäre geht es um die Dampfzentrale, um ein Kultur- und Kunstbudget, um 2,4 Millionen Franken, die die Bevölkerung vermeintlich in «Kunst» investiert – und nicht in politische Meinungsbildung!
Was alle verbleibenden AnbieterInnen gemeinsam haben, ist, dass sie parallel fixe Bestandteile der subventionierten Berner Kultur sind. So ist Lea Heimann vom Veranstalter bee-flat seit 2023 Kommissionspräsidentin der zweisprachigen Musikkommission. Man kennt sich über diese öffentlichen kulturpolitischen Kanäle. Für all diese Vereine und Institutionen werden namhafte FörderInnen und Sponsoren gelistet: Kultur Stadt Bern, Burgergemeinde Bern, Kanton Bern, Pro Helvetia, Migros Kulturprozent, Ernst Göhner, Stiftung Temperatio, Stanley Robert Johnson und weitere. Wer sich durch das Dickicht der Berner Namen und Organisationen durchkämpft, steht bald vor dem Rätsel: «Wie» soll man hier feststellen, wer mit wem «nicht» spricht? Bringen diese Verbindungen nicht genau das Dilemma der «Abrede» mit sich, welches in diesem Ausschreibungsprozess – von Marieke Kruit gelobt – nach WTO-Regeln (Welthandelsorganisation) verlaufen soll? Und wir unterstellen niemandem eine radikale politische Meinung – aber die Nähe aller Beteiligten zu gleichgeschalteten ideologischen Kreisen und die teils aktive Mitmischung darin stellen Fragen nach der Unabhängigkeit. Was wir kritisieren, ist vor allem: Es ist nicht die Kunst, die politisch ist, sondern die Politik, die sich als Kunst tarnt. Und in dieser Form geht es nur noch um Manipulation von Gesellschaften und um Einflussnahme auf gesellschaftspolitische Prozesse. Und das kann nicht gut kommen.
Der Theaterregisseur Samuel Schwarz, der Künstler Johannes Lortz und der Autor Raphael Urweider haben in ihrem Podcast «Berner Marsch» in der Folge 8 eine imposante Zusammenfassung zu diesem Thema erstellt. Sie gehen sogar noch einige Etagen tiefer. Besonders die Folge 8 macht sprachlos, es lohnt sich aber, die früheren Folgen auch zu verfolgen, da gibt es einige interessante geschichtliche Verbindungen. Wir haben in unserer gesamten kulturjournalistischen Karriere noch nie eine solche Konzentration von Ideologie und Kulturpolitik entdeckt.
Auch wichtig ist es, ein Augenmerk auf die von Stadtpräsidentin Marieke Kruit beschworene «Vielfalt der Eingaben» zu legen, die mit dieser Endgame-Selektion für die Zukunft der Dampfzentrale – jetzt mal aus künstlerischer Sicht – nicht funktionieren kann. Mit den drei ausgewählten Bewerbungen bleibt das Kernkonzept-Problem bestehen:
Ab dem Jahr 2004 wurde die Dampfzentrale im Rahmen des damals neuen Leistungsauftrags zu einer kuratierten Institution. Die Dampfzentrale – die Kulturhallen mit zwei Sälen beziehungsweise Bühnen und einem Foyer – wurde ab 2004 im Kern wie ein Gastspielhaus geführt, das nach dem Prinzip eines Repertoiretheaters funktioniert. Sie verfügt jedoch weder über ein eigenes Ensemble noch über ein eigenes Repertoire. Sobald das künstlerische Programm oder die inhaltliche Ausrichtung zur Diskussion steht, gerät daher automatisch die Dampfzentrale als subventionierter Kulturort insgesamt infrage.
Erklärung am Beispiel eines Stadttheaters: An der Spitze eines Repertoiretheaters steht eine künstlerische Leitung, die für das Programm des Theaters verantwortlich zeichnet. Die gleiche Person (oder im Mehrspartenhaus auch ein kleines Leitungsteam mit klarer Hierarchie) bestimmt das Ensemble. Das heisst: Man holt eine bestimmte künstlerische Leitung, um deren künstlerische Ausrichtung, Handschrift und Werke dieser Person/Personen am Theater zu haben. (Nebenbei kann das Haus auch von Image und Renommee der Person profitieren.) Durch diese Leitungsperson wird das Theater geprägt und von aussen wahrgenommen. Solche Verträge sind zeitlich begrenzt, und wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, werden die Verträge nicht verlängert – wie es zum Beispiel im Schauspielhaus Zürich mit den Co-Intendanten Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg 2023 passierte.
Ursprünglich war die Dampfzentrale als Ort für unterschiedliche Stilrichtungen, Compagnien und Protagonistinnen und Protagonisten der freien Szene konzipiert. Seit nun 20 Jahren jedoch liegt die Programmverantwortung bei einem kleinen KuratorInnenteam, das bestimmt, welche Produktionen in der Dampfzentrale gezeigt werden und welche nicht. Diese Selektion orientiert sich stark an den persönlichen künstlerischen Vorlieben und Präferenzen der Kuratorinnen und Kuratoren, die allein die Gatekeeper-Funktion wahrnehmen. Dies führt zwangsläufig zu Spannungen in der freien lokalen Szene, die das Nachsehen hat. Genau diese Struktur hat die lebendige Berner Tanzszene, welche genau bis vor 20 Jahren um die Dampfzentrale erblühte, zerbrochen. Ebenso die sehr kreative Jazz-Szene um den Musikkeller.
Kuratorinnen und Kuratoren interessieren sich in erster Linie für das Programm, zeigen jedoch nur begrenztes Interesse am Gesamtkonzept einer institutionellen Infrastruktur – etwa hinsichtlich der räumlichen Strukturen, LieferantInnen, des gastronomischen Angebots oder der Einbindung in Gemeinde und Gesellschaft. In einem Gespräch mit Lea Heimann sagte diese deutlich, dass sie für bee-flat nicht an der Dampfzentrale als Institution interessiert sei, sondern nur an deren Bühnen und am Geld.
Im Jahr 2024 verzeichnete die Dampfzentrale gemäss Jahresbericht noch ein Besucheraufkommen von rund 15 000 Menschen. Ein Kulturort ist jedoch ein sozialer Ort, den man regelmässig aufsucht. Im Fall der Dampfzentrale bedeutet dies, dass tatsächlich nur etwa 3000 bis 5000 Personen pro Jahr das kulturelle Angebot dieses gewaltigen und geschichtsträchtigen Kulturgebäudes aktiv nutzten. Und das genügt nicht bei einer Subvention von 2,4 Millionen. Alle BewerberInnen, die jetzt noch im Rennen sind, weisen ein kuratiertes Programm auf, haben selbst bisher knapp die Hälfte des geforderten Publikumsaufkommens pro Jahr hinbekommen und bringen keine Erfahrung in der Betriebsorganisation eines solch komplexen und fixen Hauses mit – geschweige denn in der Finanzierung eines solchen. Wir haben bewusst den Schwerpunkt unserer Eingabe auf die Betriebsorganisation gelegt und beim künstlerischen Ansatz die freie Szene von Bern offen in den Betrieb integriert. Alle jetzt verbleibenden BewerberInnen arbeiten mit internationalen Acts und eher im kleinen Rahmen mit lokalen KünstlerInnen (Programme der letzten Jahre). Kaum jemand hat elementare internationale Presse oder überhaupt eine mediale Reflexion erhalten, die über einen Vorschauartikel (Werbung) hinausgeht. Beispiel: «Tanz in Bern» in der Dampfzentrale hat in diesem Jahr keinen einzigen Kritikartikel ausgelöst.
Fazit: Sicher ist, die freie Szene von Bern ist die grosse Verliererin in diesen absurden «Hunger Games» um die Dampfzentrale-Ausschreibung. Es ist uns nicht klar, ob von der Stadt Naivität, Unwissen oder eine kalkulierte Absicht dahintersteckt. Nichts macht Sinn. Der angekündigte Ideenwettbewerb zur zukünftigen Rolle und Ausrichtung der Dampfzentrale hat mit dieser Neuausschreibung nie stattgefunden. Marieke Kruit schreibt in der Medienmitteilung: «Die Menge und Vielfalt der Eingaben zeugen von einer inspirierenden Dynamik und einer hohen Kreativität in der Berner Kulturlandschaft.» Wir finden diesen Satz unterdessen, mit all diesen neuen Erkenntnissen, sehr bedrohlich.
Und wer nichts von einer Orchestrierung wissen will, wird auch nicht glücklicher: «Der alte Direktor wurde entlassen, die Stelle ausgeschrieben, angestellt wurde wieder der alte Direktor, aber mit neuen Klamotten.» Und alle schütteln sich die Hände. Damit hat sich die Berner Kulturpolitik in einer unmöglichen, unglaubhaften und ideologischen Insider-Bubble-Politik verrannt, die nach Untersuchung schreit. Wir von ensuite können deswegen für alle bevorstehenden Abstimmungen zur Dampfzentrale nur eine Empfehlung geben: NEIN zu einer ideologischen und kuratierten Dampfzentrale.
Weblinks:
intransformation.space
sososo.space
kunsthal.gent
auawirleben.ch
www.dampfzentrale.ch/verein
Berner Marsch #8: youtu.be/RhRXX-75uUc





