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Eine Mordslust – Sightseers

Von Lukas Vogelsang – So ganz «mords­lu­stig» ist die­ser Film nicht, auch wenn er bri­tisch ist und als «Schwarze Komödie» dekla­riert wird. Aber dafür ist er fies. Und irgend­wie, am Schluss vom Film stellt man sich ein paar unmo­ra­li­sche Fragen. Doch der Reihe nach:

Tina ist ein Nesthäkchen. Beim Stricken hat sie dann aber den Hund der Mutter, der Psycho-Tyrannin, wel­che im glei­chen Haushalt lebt, unfall­mäs­sig ersto­chen. Das kann durch­aus vor­kom­men – ist aber nicht för­der­lich für Verwandschaftsbeziehungen. Tina hat einen Freund, den bär­ti­gen Chris, und will mit ihm in Urlaub fah­ren. Bei die­sen Szenen ahnt man, dass hier eini­ges nicht im Lot ist – auch wenn sich zwei Aussenseiter gefun­den haben. Mit dem Wohnwagen und dem Volvo geht es dann ab zur ersten Traumferien-Destination: dem Tram-Museum – oder zum ersten Mord. Diese Wertung liegt ganz in der Betrachtung des Zuschauers.

Die Campingreise geht dann wei­ter. Zumindest als Versuch – aus dem Camping- wird ein Mordsspass, und Leichen pfla­stern den Weg. Chris sagt es ziem­lich tref­fend: «Ich möch­te nur gefürch­tet und respek­tiert wer­den. Das ist doch nicht zu viel ver­langt, oder?»

Mehr darf man von die­sem Film nicht erzäh­len. Regisseur Ben Wheatly hat im Morast gewühlt, und wühlt uns auf damit. Zwar ist der Film an eini­gen Stellen etwas blu­tig – aber es hält sich schwer in Grenzen. Als Horrorfilm geht das gar nicht durch. Als Psychotriller auch nicht. Insofern stimmt die Bezeichnung «Schwarze Komödie» ganz gut – und wir ZuschauerInnen erken­nen uns dau­ernd in Szenen wie­der, die doch herr­lich unmo­ra­lisch sind. Und woll­ten wir nicht sel­ber erst kürz­lich die­se arro­gan­te Verkäuferin … Clever hat Ben Wheatly es hin­ge­kriegt, ein Beziehungsdrama zu fil­men, wel­ches statt durch Dialoge durch hand­fe­stes Morden spricht. Alle Figuren lei­den unter star­ken Aufmerksamkeitsmankos. Die Folge ist eine sin­ni­ge Perversion der Rollen, wel­che lei­der nie ganz sur­re­al blei­ben. Das heisst, die Metaphern sind real und die Gesellschaftskritik unüber­hör­bar – was natür­lich für den Film spricht, etwas weni­ger viel­leicht für die Evolution der Menschheit. Aber dar­um geht es ja. Der Film kommt so unschul­dig daher wie das Projekt eines Nachbarsjungen, und endet wie böse Filme immer Enden müs­sen: Mit einem Happy-End, wel­ches nicht für die Zuschauer bestimmt ist. Zumindest wis­sen wir zum Schluss, dass das mit der Liebe doch nicht ganz funk­tio­niert, dass wir nie bei ande­ren Menschen Neid erzeu­gen soll­ten: knut­schen sie nicht am letz­ten Tag Freiheit vor ihrer Hochzeit mit einem Fremden, und erin­nern sie sich bit­te an die guten (wich­ti­gen) Teile ihrer Erziehung! Ihre Überlebensgarantie wird es ihnen dan­ken.

Zu sagen wäre da noch, dass die Schauspieler wun­der­bar sind. Allen vor­an Chris, gespielt von Steve Oram, der gleich­zei­tig noch als Co-Autor des Films tätig war. Alice Lowe als Tina, eben­falls Co-Autorin, ist eine Comedy-Writerin und ‑Performerin aus den Midlands, und sieht so herr­lich depres­siv aus, dass man dies alles kaum glau­ben kann. Auch die rest­li­chen MitspielerInnen sind wun­der­bar, nor­mal – und des­we­gen beäng­sti­gend. Aber das ist England. Eine mords­lu­sti­ge Bande.

Foto: zVg.
ensuite, Februar 2013