«Ein Vertrag ist mir Konzept genug!»

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Von Lukas Vogelsang – Im Zusammenhang mit der «Berner Kulturkonferenz» und unse­rem Ziel, ein Kulturkonzept für Bern zu erstel­len, gibt es eini­ge inter­es­san­te Erlebnisse. Den Titel geben­den Satz hat mir ein bekann­ter Berner Verantwortlicher einer sub­ven­tio­nier­ten Kulturinstitution an den Kopf gewor­fen. Ich bin noch heu­te am Verdauen dar­an. Worauf basiert denn so ein Subventionsvertrag?

Als pri­va­ter Veranstalter, der das Betriebsgeld sel­ber erwirt­schaf­ten muss, kann man so etwas nur sagen, wenn man einen Sponsoringvertrag mit jeman­dem aus der Privatwirtschaft abschlies­sen kann. Und da wür­de das stim­men: Privat gilt, «ein Deal ist ein Deal». Wenn aller­dings die öffent­li­che Hand Steuergeld ver­teilt, so müs­sen sich alle dar­an erin­nern woher die­ses kommt, und wozu es dient: Es ist nicht der Staat, der bezahlt, es sind die SteuerzahlerInnen. Und des­we­gen ist Subventionsgeld immer ver­bun­den mit der Öffentlichkeit, mit unse­ren Nachbaren, mit der Gesellschaft. Insofern ist jede sub­ven­tio­nier­te Institution oder KünstlerIn ver­pflich­tet, sich die­ser Gesellschaft zuzu­wen­den – und sicher nicht, sich abzu­wen­den. Die «Kunst» allei­ne recht­fer­tigt kei­ne Existenz – sie ist nur ein Teil vom Ganzen.

Was geschieht also, wenn eine Debatte über städ­ti­sche Kulturkonzept los­ge­tre­ten wird? Das ist der Moment, wo die Argumente für die Kulturförderung und ‑Subventionierung im gesell­schaft­li­chen Bezug dar­ge­legt und fest­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Immerhin müs­sen PolitikerInnen und Kulturförderer über­zeugt wer­den, wei­ter­hin das Subventionsgeld zu spre­chen, wei­ter­hin die Leistungsverträge zu unter­zeich­nen. Und just in die­sem Moment haben die Verantwortlichen von sub­ven­tio­nier­ten Institutionen vie­le Gründe, nicht zu erschei­nen. Und dann gibt es noch jene «Kulturschaffenden», die ein Konzept grund­sätz­lich schlecht und jeg­li­che Diskussion dar­über unnö­tig fin­den. Schlussendlich kom­men an die­se Diskussionen über Kulturkonzepte nur jene, denen die Gesellschaft noch wich­tig ist. Das sind die KünstlerInnen sel­ber, das sind KulturmanagerInnen oder pri­va­te KulturveranstalterInnen, klei­ne Vereine, wel­che einen gesell­schaft­li­chen Auftrag ernst neh­men und um ihren Platz kämp­fen. Jene also, wel­che ihren Beruf als Berufung sehen und sich auch für des­sen Fortbestand ein­set­zen.

Aber zurück zu unse­rem Titelsatz-Verantwortlichen: Auf die Frage, was er denn unter­neh­men wür­de, wenn sein Vertrag nicht mehr unter­zeich­net und die Subventionen gestri­chen wür­den, fand er kei­ne Antwort. Allerdings war ihm anzu­se­hen, dass ein Mann mit sei­nen Verbindungen sich eine sol­che Frage nicht stel­len muss. Ernsthaft: Wo ist hier das Kulturkonzept? Welchen Wert hat hier noch ein Subventionsvertrag?

Schon längst exi­stie­ren in der Kulturwirtschaft hier­ar­chi­sche Systeme, wel­che Verdienende noch bes­ser ver­die­nen las­sen, und die Frage nach dem Sinn und der Funktion von deren Schaffen unbe­ant­wor­tet las­sen. Ausserhalb kul­tu­rel­ler Kreise empö­ren wir uns über die Bereicherungsexzesse ein­zel­ner und emp­fin­den Unrecht. Es stimmt also abso­lut, dass Kultur «Spiegel der Gesellschaft» ist. Die Dinge wie­der­ho­len sich auch hier. Doch die Frage stellt sich nun: Was kommt zuerst? Die Kultur mit den gemein­sa­men Moral- und Wertvorstellungen, oder die Gesellschaft? Müssen wir also erst die Gesellschaft ändern, um «Moral- und Wertvorstellungen» bewe­gen zu kön­nen? Wozu brau­chen wir dann gesell­schaft­lich gese­hen noch Kultur? Zur Unterhaltung?

Die Absurdität liegt auf der Hand, unse­re Kulturvorstellungen und Definitionen brau­chen eine Revision, da läuft etwas schief. Und das betrifft die poli­tisch Linke wie die Rechte: Die SVP hat in Bern gera­de vor kur­zem im Stadtrat eigen­hän­dig ein Theater in die Subventionspflicht genom­men, und in Zürich ist die SP dar­an, einen unge­niess­ba­ren und zer­stö­re­ri­schen Literaturcocktail zu mischen (sie­he Ausgabe ensuite 136, April 2014, S. 16). Es ist lei­der so: In der Kultur wird nach Belieben, Lust und Laune, nach Gefühl, ent­schie­den. Ein nach­voll­zieh­ba­res Konzept, Argumente, oder gar gemein­sa­me Indikatoren feh­len oft. Ist das der Spiegel unse­rer Gesellschaft? Und wenn ja, wol­len wir das so wei­ter­spie­len? Sind wir glück­lich damit?

Die Berner Kulturkonferenz ver­sucht als neu­tra­le Organisation, dies­be­züg­lich hier in Bern etwas Ordnung zu schaf­fen. Das kön­nen wir zum Glück mit vie­len Freiwilligen tun, die enga­giert mit­ar­bei­ten, und wir sind nicht ange­wie­sen auf «jene mit Verträgen». Allerdings wer­den sicher ein paar Fragen durch deren Fernbleiben unbe­ant­wor­tet blei­ben.

Insofern kann man aber beru­hi­gen: Die ersten Fachgruppensitzungen haben bereits statt­ge­fun­den und über­ra­schen­de Erkenntnisse zu Tage gebracht. Wir erar­bei­ten jetzt erst eine Grundlage, eine Art Bestandesaufnahme. Von da aus kön­nen wir die Ziele defi­nie­ren und im Anschluss den Weg beschrei­ben. Und natür­lich hof­fen wir, dass wir mit die­ser Arbeit zum Schluss ein brauch­ba­res Werkzeug erschaf­fen kön­nen, wel­ches in Zukunft hel­fen wird, Verträge neu­tral zu über­den­ken.

www.kulturkonferenz.ch

Foto: zVg.
ensuite, Mai 2014

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