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Eigentlich für nix

Von Lukas Vogelsang – Ringier muss­te es schmerz­lich erfah­ren: Die gros­se Lancierung des iPad-Magazins «The Collection», wel­ches die gan­ze Welt in ver­schie­de­nen Sprachen hät­te erobern sol­len, ist nach 5 Monaten bereits ein­ge­stellt wor­den. Thomas Trüb, CEO von «The Collection» meint: «Wir haben ganz klar gelernt, dass der Endverbraucher nicht mehr bereit ist, für Content zu bezah­len.»

Kurz zuvor wur­den die neu­sten WEMF-Auswertungen, die nota­ri­ell beglau­big­ten Print-reich­wei­ten der Schweizer Printmedien, ver­öf­fent­licht – mit der Essenz, so Rainer Stadler in der NZZ: «Nur was gra­tis ist, läuft wirk­lich gut». Print- wie Onlinemedien funk­tio­nie­ren allem Anschein nach also nur, wenn sie gra­tis, kurz ange­bun­den und mög­lichst naiv sind. Den letz­te­ren Teil ent­neh­me ich einer Studie, die auf www.poyner.org, von Steve Myers ver­öf­fent­licht wur­de:

 

Die «Tamedia» scheint dies, wie die SRG/ SRF auch, wenig zu küm­mern. Beide sind schliess­lich die Obergratisanbieter – oder auf Steuergold gebet­tet – und kön­nen wal­ten, wie ihnen beliebt. Die Tamedia trotzt der Welt-Sinn-Krise sogar mit einem «20 minu­ti», wel­ches seit September erhält­lich ist. Man will damit die «Jungen» abho­len – und alles, was in Tessiner Bahnhöfen «kreucht und fleucht». Immerhin: Die Bezahl-Zeitung «Corriere del Ticino» hat auf den Angriff mit einer Grossauflage abzu­weh­ren ver­sucht: Die Zeitung erscheint jetzt zwei Mal die Woche mit einer Auflage von 80‘000 Exemplaren. Und dem nicht genug: Das Lega-Monster Giuliano Bignasca, das «enfant ter­ri­ble» in der Tessiner Parteienlandschaft, hat mit «10 minu­ti» ein Wahlkampfblatt lan­ciert, wel­ches drei Mal die Woche in einer Auflage von 36‘000 Exemplaren erscheint.

Was tun wir JournalistInnen noch in den Redaktionen? Was pro­du­zie­ren wir? Alles Müll, oder was? Wenn der Interessenanteil der Leserschaft so klein ist, und ton­nen­wei­se Gratisblätter raus­ge­bracht wer­den, wie finan­zie­ren sich die­se Medienunternehmen und die Redaktionen? Ohne Abonnenten, die bei einem gesun­den Medium min­de­stens 1/3 der Finanzen aus­ma­chen? Durch Werbung natür­lich. Inzwischen lesen sich die mei­sten Publikationen wie Ramschkataloge von Versandhändlern. Zum einen ist da die klas­si­sche Werbung, zum ande­ren wer­den uns redak­tio­nel­le Kurzhäppchen über Gadgets und Hypes ver­klickert, mit dem ein­zi­gen Ziel, die Werbeverkäufe anzu­kur­beln. Die Werbeagenturen freu­en sich über die PR und schal­ten so wei­ter bun­te Inserate. Aber redak­tio­nel­ler Inhalt? Hat irgend­je­mand an die Leserschaft gedacht? Das ist wirk­lich alles nur Müll – und die LeserInnen wer­den von den JournalistInnen und den Verlegern behan­delt wie streu­nen­de Köter in einer siffi­gen Sackgasse. In Zukunft wird wohl auch das Fernsehen auf die­se Schiene ein­schwen­ken: 20 Minuten Werbung, 10 Minuten Film, 20 Minuten Werbung … Für sol­che Medien bin auch ich nicht bereit zu bezah­len – aber dan­ke, dass SIE, lie­be und ehr­wür­di­ge LeserInnen, die­se Zeilen jetzt gele­sen haben.

Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2011