EDITORIAL Nr. 94: Professionalität

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Von Lukas Vogelsang – Ich bin immer wie­der über­rascht, wie vie­le Kulturförderungs-EntscheiderInnen kei­ne Ahnung von Kulturellem und Kunst haben. Sicher, Kulturförderung ist eine Verwaltungstätigkeit – die Verantwortlichen haben oft­mals einen BeraterInnenstab und sind sel­ber sel­ten an Veranstaltungen anzu­tref­fen. Doch irgend­wel­che Fachkenntnisse sind trotz­dem nötig. Konkrete Ausbildungen im Kulturbereich sind aber rar – mal abge­se­hen von den tau­sen­den von umge­schul­ten Kulturschaffenden, die jetzt den Berufstitel «KulturmanagerIn» tra­gen. Buchhaltung, Marketing, Kulturgeschichte oder ganz ein­fach ein «ver­tief­tes Interesse an der Sache» kann man nicht in einem Kurs ler­nen. Wer in einem Kulturbetrieb arbei­tet, hat aber nicht unbe­dingt eine Kaufmännische Ausbildung absol­viert. Kulturmarketing oder Büroorganisation wer­den oft sehr spät und ohne vor­an­ge­hen­de Erfahrung ange­lernt. Das Geld für pro­fes­sio­nel­les Administrationspersonal ist in einem Kulturbetrieb sel­ten. «Learning by doing» ist an der Tagesordnung. Entsprechend kommt es immer wie­der vor, dass die öffent­li­chen Kulturförderer über Konzepte ent­schei­den müs­sen, die über ihre fach­li­chen Kompetenzen gehen, und schluss­end­lich einen rei­nen Bauch- oder Willensentscheid dar­stel­len. Also ohne poli­ti­scher oder sonst mess­ba­rer Logik gel­ten müs­sen.

Dies wie­der­um führt zu obsku­ren Zahlenschlachten. An einem Ort wer­den Millionen in die Kulturförderung inve­stiert, mit dem Resultat, dass so geför­der­te Institutionen vie­le MitarbeiterInnen mit hohen Löhnen anstel­len, aber künst­le­risch kaum von sich reden machen. Man redet dann von «Arbeitsplatzbeschaffung» und «Wirtschaftsförderung». Andersrum: Künstler-Innen, die kei­ne öffent­li­che Unterstützung erfah­ren, weil sie derer «nicht wür­dig sind», lösen sehr viel Echo in der gan­zen Welt aus. Solche Vergleiche kann man end­los anein­an­der­rei­hen. Die Kunst zu mes­sen ist eben­so unmög­lich, wie die MitarbeiterInnen-Qualifikation in die­sem Metier.

So wer­den lei­der auch Verwaltungsratsarbeiten ohne fach­li­che Grundlagen ver­teilt und ange­nom­men – was ent­spre­chend dubi­os wirkt, wenn dann Direktoren für eine Kulturinstitution von genau die­sen eigent­lich inkom­pe­ten­ten Gremien aus­ge­wählt wer­den. Das Kulturwesen fin­det aber mehr­heit­lich in Vereinen statt. Die Schweiz ist ja sel­ber eine Art Verein. Doch genau die­se Vereinsarbeit wird neben­amt­lich geführt, ent­spre­chend sind die Kompetenzen vie­ler­orts noch weni­ger vor­han­den, und es man­gelt an einem betriebs­wirt­schaft­li­chen Konzept. Da nützt auch der nach­träg­li­che «Kulturmanager»-Titel nichts. Für die Vereinsmitglieder und Vorstände ist die­se Arbeit eine Art «Sozialdienst an der Gemeinschaft».

Eine gute Vereins- oder Verwaltungstätigkeit ist der Kultur dien­lich, und unab­ding­bar, ich möch­te das nicht min­der­wer­tig dar­stel­len. Im Gegenteil, der posi­ti­ven Beispiele sind sehr vie­le da – mei­stens aller­dings die unbe­zahl­ten. Die Kulturförderung müss­te die­sem Umstand Rechnung tra­gen, nicht nur der Repräsentation einer Sache. Gleichzeitig wäre die­ses Thema für die Wirtschaftsförderung wich­tig – doch genau die winkt ab, wenn es um Kultur geht.

Wenn fach­li­che Unkenntnis ver­tuscht wird, ent­ste­hen oft­mals nur grös­se­re Bürokratie und hohe Kosten – für wenig Erfolg. Nun, was ist Erfolg in der Kulturförderung? Macht Kulturförderung glück­lich? Ist geglück­te Kulturförderung, wenn die Bevölkerung glück­lich ist? Und wor­über soll sie glück­lich sein? Kann der Erfolg im Kulturbetrieb nur an der Quantität der Produktionen und an den Besucherzahlen gemes­sen wer­den? Wäre nicht auch wesent­lich, ob die kul­tu­rel­le Umtriebigkeit einer Stadt auch anders­wo wahr­ge­nom­men wird? Und: Wie soll das gesche­hen? Wer ist für ein solch städ­ti­sches «Kulturmarketing» ver­ant­wort­lich? Und ist nicht gera­de die Umtriebigkeit einer Kulturförderstelle der Tod jeg­li­cher kul­tu­rel­len Lebendigkeit? So vie­le Fragen.


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 94, Oktober 2010

 

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