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EDITORIAL Nr. 72 Zürich

Von Lukas Vogelsang – Zürich bewegt sich also haupt­säch­lich in der Freizeit von A nach B. Das hat eine Studie der Stadt dar­ge­legt. Und in Sachen Verkehr zeigt Zürich – mal die Auto-Staus aus­las­send – in der Tat Bern, wo’s lang­geht: Da herrscht näm­lich das Velochaos total. Sicher, Fahrräder sind umwelt­freund­li­che Transportmittel, doch man darf nicht unter­schät­zen, dass Parkplätze für Fahrräder ein unge­lö­stes Problem sind. In Bern ist es zum Beispiel kaum mög­lich, den eige­nen Drahtesel aus dem Metallhaufen raus­zu­ope­rie­ren, wenn man auf einem der öffent­li­chen Fahrradparkplätze par­kiert hat. Wer es wagt, sein Rollmetall auf einem «wil­den» Parkplatz abzu­stel­len, fin­det sein Lieblingsteil sel­ten wie­der – und wenn, dann auf einer Polizeiwache oder aber demon­tiert und hava­riert in der Gosse.

Natürlich ist Bern die Hauptstadt, aber mit die­sem über­mäs­si­gen Beamtenanteil fehlt uns das Quäntchen sti­li­sti­scher Würde, wel­ches das pri­vat­wirt­schaft­lich den­ken­de Zürich jeweils in Glanz erstrah­len lässt. Es ist in der Tat ernüch­ternd, wenn man das Berner Stadttheaterpublikum mit dem Publikum des Schauspielhauses ver­gleicht. Zu Stil und Mode hat Bern ein eigen­wil­li­ges Verhältnis. Aber das ist gleich der Punkt: Schwitzend und mit wehen­der Krawatte kann man in Zürich nicht punk­ten und das Deux-Pièce gehört nicht peda­lend auf ein Zweirad. Ein Dilemma mit öko­lo­gi­schen Auswirkungen.

Immerhin ver­fü­gen bei­de Städte über ein sehr hoch geschätz­tes und gut fre­quen­tier­tes ÖV-Netz, was nicht zu ver­wech­seln ist mit Öko-Verkehrsnetz. Denn auch hier muss Energie her­hal­ten, die erst erzeugt wer­den muss. Der Luxus «Freizeit» scheint also sei­nen Zoll zu for­dern – und schon bald reden wir von Kulturökologie.

Ein Jahr ist fast um, die Zürich-Ausgabe von ensuite um vie­le Erfahrungen rei­cher und wir sind sehr stolz. Das Jahr 2008 hat uns zwar alle ziem­lich gefor­dert, aber unse­re Erwartungen weit über­trof­fen. Danke Züri und wun­der­ba­re Festzeit!


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 72 Zürich, Dezember 2008