EDITORIAL Nr. 69 Bern

Von

|

Drucken Drucken

Von Lukas Vogelsang – Massenbesäufnisse erre­gen die Gemüter, dabei ist jedes Fest, von der Fasnacht übers Gurten- bis zum Buskers-Festival, im Ansatz ein Massenbesäufnis. Viele Kulturbetriebe von heu­te müs­sen sich auch mit die­sem Vorwurf aus­ein­an­der­set­zen – da ist ein orga­ni­sier­tes Besäufnis wenig­stens ehr­lich, ver­kauft sich nicht unter dem Deckmantel Kultur und stellt dies­be­züg­lich kei­nen Anspruch. Doch vie­le Kulturanlässe kön­nen sich nur mit einem Barbetrieb mit­fi­nan­zie­ren – dass da nicht nur Wasser über die Theke geht, ist klar und bedenk­lich zugleich.

Ich bin über­haupt kein Fest-Typ und darf als Party-Langweiler abge­stem­pelt wer­den. Für mich gibt das alles ein­fach kei­nen Sinn: Zum einen kann ich mit Alkohol nicht viel anfan­gen, zum ande­ren fin­de ich es unheim­lich lang­wei­lig, wenn jede Unterhaltung in Schreien endet oder im über­set­zen, was die lal­len­de Zunge des Gegenübers mir so lustig erklä­ren will. Dass ich danach noch tage­lang stin­ke wie eine schlech­te Räucherwurst, das ist noch das klein­ste Übel. Fressen und Saufen, ver­ges­send lustig sein auf Kommando – für mich ein Gräuel. Ich ver­su­che nach vie­len Jahren noch immer her­aus­zu­fin­den, was Kultur und kul­tu­rel­ler Tiefgang in unse­rer Gesellschaft von heu­te bedeu­ten könn­te. Das Fest ist da kei­ne Antwort.

Aber an eben­so einem Fest (mein Beruf bringt die Qual zwangs­läu­fig mit sich) hat mir ein alter Bekannter in einer Diskussion über Massensauferei einen wun­der­ba­ren Satz gesteckt: «Die Menschen haben auf­ge­hört zu suchen.» Eine ein­fa­ches und schö­nes Statement für das Zeitgeschehen und den gesell­schaft­li­chen Zustand nicht neu, aber auf den Punkt gebracht. Jetzt im September beginnt die Kultursaison auf ein Neues und die Programme wer­den vor­ge­stellt. Ob sie uns zu neu­en Fragen füh­ren wer­den? Werden wir in den näch­sten zehn Monaten gesell­schaft­lich wei­ter­kom­men – oder endet alles nur mit einem Blick auf ein lee­res Glas in unse­rer Hand?


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 69 Bern, September 2008

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo