EDITORIAL Nr. 63 Zürich

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Von Lukas Vogelsang – Die Kunsträuberei in Zürich hat mit all ihren Auswüchsen die Grenzen der Hysterie erreicht. Es ist zer­mür­bend zu hören, dass Kunst auf der einen Seite einen so hohen imma­te­ri­el­len Wert haben soll, auf der ande­ren Seite aber nur unsin­nig-spe­ku­la­ti­ve Wertanlagen dar­stellt. In Zeiten, wo sogar die UBS- und CS-Grundmauern erzit­tern, gera­ten die räu­be­ri­schen Taten gar zur Provokation. Immerhin, die­se Raubattacken zwin­gen uns, die Realität vor Augen zu sehen: Der Wert eines Gemäldes defi­niert sich nur durch das mensch­li­che Versagen, besit­zen zu wol­len. Nur die Einzigartigkeit und der Wille ein Kunstwerk zu besit­zen macht jenes zu einem Spekulationsobjekt. Die Kunst an sich hat kei­nen defi­nier­ba­ren Preis – aus­ser dem har­ten Weg zur künst­le­ri­schen Erkenntnis. Entsprechend wir­ken die Millionensummen sur­re­al. Ein Stück Leinwand und das biss­chen Farbe sind unbe­zahl­bar!

Was über­all beklagt wird, ist der enor­me Verlust an Geld – nicht aber an Kunst. Darüber wur­de kaum ein Wort ver­lo­ren – über das Geld schon. Für vie­le ist Kunst ein­zig eine Wertanlage oder ein Spiel. Kunst als Entertainment – bei der Anhäufung von Raubüberfällen könn­te man sogar ver­mu­ten, dass jemand aus lau­ter Langeweile ein biss­chen Canoven-Action in sein Leben brin­gen woll­te. Wer lässt schon geklau­te Bilder im Wert von sieb­zig Millionen in einem unver­schlos­se­nen Auto lie­gen? Schon nur als unver­käuf­li­cher Witz ist eine sol­che Trophäe toll in der Garage auf­zu­hän­gen. Wollte da jemand den Helden spie­len? Hat hier ein Deal mit Lösegeld statt­ge­fun­den?

Durch sol­che Millionenträume wird die gesell­schaft­li­che Kluft zwi­schen Kunstinteresse und ‑des­in­ter­es­se nur grös­ser. Zürich, jetzt schon unter man­geln­dem zwi­schen­mensch­li­chen Kulturdialog lei­dend, wird sich ernst­haft um die Kulturvermittlung bemü­hen müs­sen, sonst win­ken noch mehr Leute ab und jeg­li­che künst­le­ri­sche Aktivität wird mehr und mehr zum Gespött.


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 63 Zürich, März 2008

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