- ensuite | kulturagenda | enBlog - https://ensuite.we-are.gmbh -

EDITORIAL Nr. 56

Von Lukas Vogelsang – Ein drin­gen­der Appell an die Evolution: Wir brau­chen Schwimmhäute und Kiemen! So viel Wasser wie in die­sem Sommer hält ja kein Mensch aus. Und wenn unse­re StadtpolitikerInnen alles dran­set­zen, die BernerInnen mit Wellen und Stadtbächen auf­zu­hei­tern, ich glau­be, sie set­zen momen­tan ein­fach auf das fal­sche Pferd (oder bes­ser Fisch). Dafür erhält der Bahnhofs-Baldachin in die­sem Sommer sei­ne feh­len­de Begründung geschenkt, wie ein Lottogewinn nur ist anzu­neh­men, dass wir, wenn der Bau mal fer­tig gestellt ist, eine Hitzeperiode haben und wir uns unter dem Dach wie in einem Mikrowellenofen füh­len wer­den… So ist das Leben. Man wünscht sich was und man erhält es oder eben nicht – was soll’s.

Aber Wünsche sind nötig. Sie kre­ieren neue Visionen und brin­gen Hoffnung ins Leben. Da stimmt es mich nach­denk­lich, wenn ich sehe, wie heu­te unse­re Wünsche und Visionen von den Marketingfirmen kre­iert und mani­pu­liert wer­den. Wir wer­den getrimmt in Strom, Handy-Hülsen und iDings. Unsere Visionen glei­chen unter­des­sen dem Notizbuch eines Lifestyle-Magazin-Redaktors und wir klo­nen uns täg­lich aufs Neue, erfin­den uns kopie­rend neu – und ver­ges­sen dabei unse­re eige­ne klei­ne, per­sön­li­che Geschichte.

Doch dafür haben wir eine Häppi-Gesellschaft mit den Häppi-Festivals und alle sind so lustig und so par­ty. Sie kip­pen zwar liter­wei­se Alkohol und schmeis­sen jeg­li­che Chemie hin­ten nach – damit alles lustig bleibt. Denn ohne geht’s nicht. Man sug­ge­riert uns Häppi-Live intra­ve­nös. Für die OrganisatorInnen und die Strom-Handy-iDings-Firmen ist das sicher lustig. Und die Masse ver­liert oder gewinnt eine neue Vision – je nach­dem wie wir es betrach­ten – Hauptsache sie lie­fert Geld.

Deswegen ist uns zu wün­schen, dass wir noch wei­te­re Baldachine, Stadtbäche und kon­fus­mo­der­ne Zentren erfin­den. Die för­dern wenig­stens eine wahr­haf­te Kommunikation und damit wirk­li­che Visionen. Und damit wären dann auch die­se blö­den Baustellen in Bern eini­ger­mas­sen erträg­lich…


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 56, August 2007