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EDITORIAL Nr. 121: 10 Jahre Kulturdialog

Von Lukas Vogelsang – Vor über einem Jahr frag­te ich ein­mal hier im Editorial, was eigent­lich mit Ideen gesche­he, die nicht umge­setzt wer­den. Gehen die­se ein­fach ver­lo­ren? Albert le Vice nahm den Ball auf und hielt für ensuite ganz vie­le die­ser Ideen in sei­ner Serie «Ein Leben aus Ideen» fest. Er ist damit nicht allei­ne – alle, die im ensuite mit­ar­bei­ten, schrei­ben mit der glei­chen Motivation. Ich erin­ne­re mich an die ersten Ausgaben von unse­rem Magazin, als mich frem­de Menschen auf der Strasse anfrag­ten, was man tun müs­se, um bei ensuite mit­schrei­ben zu kön­nen. Oder aber da sind jene LeserInnen, wel­che mir Artikeltexte zitier­ten, die wir teils fünf Jahre zuvor ver­öf­fent­licht hat­ten. Das ensuite ist unter­des­sen für vie­le LeserInnen zur Selbstverständlichkeit gewor­den.

«Kulturpolitik» macht auch ver­mehrt Schlagzeilen in der Medien. Ein Teil geht wohl auf mei­ne Kappe. Es ist mein Anliegen, dass wir gemein­sam über kul­tu­rel­le Konzepte nach­den­ken und die Begriffe neu defi­nie­ren. Getarnt als Provokateur, wie ein Hofnarr lästernd, war mein Ziel, Emotionen für die Kulturpolitik zu gewin­nen. In eini­gen Fällen hat­te ich tol­le Erfolge – vie­les blieb irgend­wo unbe­ach­tet hän­gen.

Trotzdem, ensuite hat in zehn Jahren gezeigt, dass «Kultur» und «Kunst» durch­aus noch «media­le Werte» sind – auch ohne «Ewigi Liebi», Robbie Williams und die Massen-Kommerz-Kultur. Ich las­se mich nicht irri­tie­ren, wenn, wie neu­lich, die Postfinance bekannt gibt, nur noch «Kommerzkultur» spon­sern zu wol­len, und sogar die eige­ne klas­si­sche Konzerte-Serie auf­gibt. Es passt zur Zeit: «Kultur» wird in der Politik und Wirtschaft nur noch als Geldmaschine wahr­ge­nom­men – unse­re Gesellschaft wird nur noch als Geldmaschine wahr­ge­nom­men. Und wer nicht über kul­tu­rel­len Inhalt nach­denkt, der bleibt in der Tat bei den Zahlen hän­gen. Das erle­ben wir zur Zeit bei vie­len Kultursekretariaten, Kulturförderstellen und Behörden. Für die Politik ist das super, denn über Zahlen kann man debat­tie­ren, über kul­tu­rel­len Inhalt nicht: Die kul­tu­rel­le Wahrnehmung ist immer eine per­sön­li­che, emo­tio­na­le und stim­mungs­ab­hän­gi­ge Empfindung, immer indi­vi­du­ell. Kultur ist nicht lösungs­ori­en­tiert, ist nicht öko­no­misch, wis­sen­schaft­lich, und direkt wirt­schaft­lich gewinn­brin­gend. Aber auch. Und Kultur hat mit «gesell­schaft­li­cher Verantwortung» ganz viel zu tun. Doch das sind schwie­ri­ge Themen, und denk­bar schlech­te Diskussionsgrundlagen zu einem Bier.

Erstaunlicherweise aber habe ich in den letz­ten Jahren fest­ge­stellt, dass kul­tur­po­li­ti­sche Veranstaltungen oft­mals mehr Besucher–Innen anzo­gen, als Konzert‑, Theater- oder Tanzvorstellungen. Diese Zeichen sind oft igno­riert wor­den – auch von der öffent­li­chen Hand. Erst jetzt wächst das Bewusstsein, dass sich die öffent­li­chen Kulturverantwortlichen und VerwalterInnen nicht hin­ter Dossiers ver­stecken dür­fen. «Kultur» for­dert immer Dialog und die­ser muss mit der Öffentlichkeit geführt wer­den – vor allem, solan­ge die Definitionen von «Kultur» so weit aus­ein­an­der­klaf­fen.

Deswegen hat ensuite – kul­tur­ma­ga­zin zum 10jährigen Jubiläum auf ein Fest oder eine Spezialausgabe ver­zich­tet. Dafür haben wir 490 Kulturabos an Stadt‑, Gemeinde‑, Kantons-PolitikerInnen von Bern und Zürich ver­schenkt. Die Kultur hat immer auf die Politik gewar­tet – die Politik nicht auf die Kultur. Ich glau­be wir set­zen mit unse­rer Aktion ein kla­res Signal.

Sie als LeserInnen kön­nen dabei mit­hel­fen: Übernehmen Sie eine Patenschaft für ein sol­ches «poli­ti­sches Abo». Sie set­zen damit sel­ber ein Zeichen, hel­fen uns, die­se Schnittstelle und den öffent­li­chen Kulturdialog aus­zu­bau­en.

Infos dazu fin­den Sie per Anfrage oder auf unse­rer Webseite: www.ensuite.ch

 


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 121, Januar 2013