Duft aus Blütenkelchen

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By Christian Felix

Tom Bola. Eine Ausstellung von ver­schie­de­nen Künstlern unter dem Leitwort «Frühling». Drei Rauminstallationen und Plastiken, vier Bilder und natür­lich eine Videoinstallation (als wür­de vor jeder Ausstellung gefragt: Und wer macht den Video?). Die Ausstellenden sind fast alle jung, ihre Werke auf künst­le­risch hohem Niveau.

Es grünt und keimt

Am mei­sten ste­chen die knall­grü­nen Plastikinstallationen ins Auge, die wie Frühlingspflanzen aus dem grau­en Boden drin­gen (Toni Parpan + Manuel Kämpfer). Frühling ver­spricht auch der Hase an der Wand (Misha Andris). Wäre er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemalt wor­den, hät­te man ihn flugs Picasso zuge­schrie­ben. Anderes ord­net sich weni­ger offen­sicht­lich dem Leitmotiv unter. Ein Fell vom sel­ben Künstler, das arg fleis­sig aus hel­len Sonnenblumenkernen gefügt ist, legt die Idee des Keimens nahe, ähn­lich die Collage dahin­ter an der Wand (Nicole Michel). Kleinste Papierstreifen explo­die­ren still, in freund­li­chen Sandtönen.

Politischer Frühling

Ohne alle Werke voll­stän­dig auf­zäh­len zu wol­len, fällt der Blick auch auf den ara­bi­schen Frühling. Eine Demo ist aus klein­sten Papierfiguren auf eine Styroporplatte gehef­tet. Es ist die Weltdemo, Araber, jun­ge Türken, ver­zwei­fel­te Russen, Globalisierungsgegner, wacke­re Antifaschisten, alle hal­ten ihre Transparente in die Luft. Die Kunst ist ein­deu­tig poli­ti­scher gewor­den in den letz­ten Jahren. Das ist unaus­weich­lich, ange­sichts der täg­li­chen Realsatire draus­sen. So führt eine wit­zi­ge, in Frühlingsgrün gehal­te­ne Fotocollage den femi­ni­sti­schen Machtanspruch vor (Muda Mathis + Sus Zwick). Der Video macht mit einer Bootsfahrt auf dem Mittelmeer die Stimmung in einem Flüchtlingskutter nach­voll­zieh­bar. Hier steht viel­leicht der Frühling sym­bol­haft für die Hoffnung auf das gelob­te Land Europa.

Eine beein­drucken­de Ausstellung, gut gemacht. Indes, hat man sol­che Ausstellungen nicht schon manch­mal gese­hen, auch in den Nullerjahren, in den 90ern, in den 80ern? Irgendwie kommt für einen Moment Ratlosigkeit auf und damit sogar Unwille. Der Griff zum Rettungsring: Ein Blick auf die äus­se­ren Bedingungen von Tom Bola am Kirchweg 8. Das Bürogebäude im Zürcher Seefeld wur­de in einen Villenpark gepflanzt, als gro­ber Riegel zu einem ande­ren Park, ein städ­te­bau­li­ches Verbrechen, dem wie immer kein Strafprozess folg­te. Der Immobilienspekulant, der dar­aus gro­tesk teu­re Wohnungen machen will, hat es zur Zwischennutzung frei­ge­ben, mei­stens doch auch wie­der für Büros, dazu eini­ge Künstler. Imagepflege, kein Lärm, wenig Aufsehen. «Frühling» ist die letz­te Ausstellung im ehe­ma­li­gen Archiv des Bürogebäudes. Dann wird hier umge­baut.

Ein Angsttrieb

Vor die­sem Hintergrund gewin­nen die Kunstwerke Eindringlichkeit. Diese Wirkung wird noch dadurch ver­stärkt, dass die Ausstellenden unter einen grös­se­ren Gruppe von Künstlern aus­ge­lost wur­den. Jetzt blüht zum letz­ten Mal künst­le­ri­sches Schaffen auf im Raum, fast will­kür­lich und wild. Die Ausstellung wird so zu einer Bestandesaufnahme vor dem Ende. Sie tastet den Zustand der Ausstellenden und ihrer Arbeit ab, einer Arbeit, die vor dem töd­li­chen Frost noch­mals einen Angsttrieb zeugt, so wie die Natur mit den Herbstzeitlosen, die doch nur kurz blü­hen. In die­sem engen Zeitfenster müs­sen und wol­len sich die Künstler noch ein­mal ihrer selbst bewusst wer­den. Das wird beson­ders augen­fäl­lig bei Nils Amadeus Lange. Er will eine Sie sein. Ihr Kunstwerk ist nicht allein die Popart-Installation an der Wand, son­dern vor allem sie selbst, auf hoch­hacki­gen Plexiglasschuhen und mit knutsch­ro­ten Lippen. Wer hät­te ange­sichts des­sen gedacht, dass sogar das Leitmotiv «Frühling» mit einer Tombola bestimmt wur­de. Frühling ist’s, der Sperling pfeift, …

: http://www.kulturkritik.ch/2013/tom-bola-7-fruehling/

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