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Die Welt in mei­ner Tasche

Von Lukas Vogelsang – Es gibt Bewegung in der Mobile-Branche: Microsoft hat das lang­ersehn­te Update sei­nes Mobile-Betriebssystems ver­öf­fent­lich: Windows Phone 7.5, auch Mango genannt. Mit dem Update fol­gen neue Geräte. Ein Highlight ist das «Titan» des tai­wa­ne­si­schen Herstellers HTC – aller­dings ist die­ses Gerät in der Schweiz noch etwas schwie­rig erhält­lich.

Die Reaktionen sind immer gleich: «Phuoa, das Display ist viel zu gross!» Auch mir ging es nicht bes­ser. Nach dem Auspacken bin ich etwas kon­ster­niert und zweif­le, ob die­ses Gerät mein Freund wer­den wird. Also, respek­ta­bel ist die Grösse schon – aber wohin soll man damit! Man braucht Pranken statt Hände.

Dieser Eindruck ändert sich schnell. Nach bereits einer Stunde hat man sich dar­an gewöhnt, und wer nach zwei Tagen sein altes Mobile in die Hände nimmt, kann sich kaum mehr vor­stel­len, dass ein Leben damit mög­lich war. Das «Titan» plat­ziert sich irgend­wo zwi­schen Götterdämmerung, iPad und «dem» Smartphone schlecht­hin. Das Gerät misst in der Höhe 131.5mm, ist 70.7mm breit (Display 4,7 Inch) und 9.9mm dick. Jawohl, das ist flach. Wer jetzt bereits auf­schreit und meint, dass dar­in nicht mal ein anstän­di­ger Akku Platz fin­de, täuscht sich: Trotz der enor­men Bildschirmleistung hat man mit die­sem Gerät kei­nen Ladestress. Der 1600mAh-Akku hält locker zwei Tage län­ger als mein vor­an­ge­hen­des «Trophy», und es ist erstaun­lich, dass der Bildschirm so wenig Energie frisst.

Damit ist auch schon ange­spro­chen, was die abso­lu­te Stärke von «Titan» ist: Der Bildschirm. Dies mei­ne ich vor allem im täg­li­chen Umgang als Kommunikationsgerät. Zum Beispiel kann man jetzt wirk­lich sinn­voll den Kindle-Ebook-Reader von Amazon instal­lie­ren und Bücher lesen. Die Buchstaben haben eine ange­neh­me Grösse. Ich brau­che nicht jedes­mal eine Lesebrille, wenn ich ein SMS erhal­te – und ich habe trotz­dem nicht das Gefühl, ein Mobile für Sehbehinderte in den Händen zu hal­ten. Videos erhal­ten einen neu­en Fokus: Durch die Bildschirmgrösse macht es Spass, Filme oder eben TV auf dem Mobile zu schau­en. Die Bildqualität über­rascht. Die 480 x 800 Pixel sind bril­lant. Das konn­te ich mir zuvor nicht vor­stel­len: Ich schaue neu zum Beispiel die Tagesschau oder CNN, wenn ich grad irgend­wo unter­wegs bin. Mir ist auf­ge­fal­len, dass sich zum ersten Mal, seit ich mich in der Smartphone-Welt bewe­ge, mei­ne media­len Gewohnheiten ver­än­dern.

Als ich vor ein paar Wochen für eine Reportage hät­te Fotos machen müs­sen, stell­te ich mit Schrecken fest, dass die Akkus für die Kamera im Ladegerät ver­ges­sen hat­te. Mehr aus Verzweiflung foto­gra­fier­te ich mit dem «Titan» – nicht wirk­lich über­zeugt, dass die­se Fotos qua­li­ta­tiv funk­tio­nie­ren könn­ten. Doch die 8MB-Pixel-Kamera liess mich nicht im Stich. Sogar ein Blitz ist im «Titan» ein­ge­baut, und ich konn­te mit den drei Belichtungsmessungen beein­drucken­de Bilder machen. So habe ich mein «Reportertool» in einem Gerät drin: Tagesnachrichten, Audio-Recorder, Fotogerät, Blogger-Software, Recherchetools. Und ich brau­che kei­nen Laptop mit­zu­füh­ren – ein­zig eine gute exter­ne Tastatur suche ich noch. Das Vielschreiben über die Daumen liegt mir nicht.

Über das gros­se Titan-Display las­sen sich die Office-Programme anstän­dig ver­wen­den. Die Agenda ist gross genug, dass man bei Tagesansicht alles lesen und sehen kann. Viele Apps, die jetzt durch das neue Windows Phone Release ver­öf­fent­licht wer­den, funk­tio­nie­ren ver­mehrt auf der opti­schen Benutzeroberfläche. Das ist nicht nur schön, son­dern ein­fach prak­tisch. Mit einem Zusatzadapter, den ich momen­tan zu bestel­len ver­su­che, ist es sogar mög­lich, das «Titan» über die HMDI-Schnittstelle an einen gros­sen TV oder gar Beamer anzu­schlies­sen. Damit kön­nen zum Beispiel PDF-Präsentationen vor­be­rei­tet wer­den und ohne gros­se Installation bei einem Kunden oder bei einer Präsentation gezeigt wer­den. Diese Technologien sind aber noch so neu, dass man die Zusatzgeräte nicht ein­fach so über den Landentisch erhält. In Bern und Zürich konn­te mir kein Geschäft aus­hel­fen.

Ein gros­ses und ziem­lich unver­nünf­ti­ges «Handicap» hat «Titan»: HTC hat es wie­der ver­säumt, beim Speicher an die Zukunft zu den­ken. Zwar sind jetzt 16 MB fix ein­ge­baut – aber eine exter­ne SD-Karte ist ein­fach zwin­gend. Wer sich die Navigon-Software auf das Mobile lädt und noch den einen oder ande­ren Film, Musik und PDF-Dokumente, der stösst bald an Grenzen. Ich habe die­se zwar noch nie erreicht – aber man schielt schon etwas oft auf den «Speicherbalken» in der Synchronisationssoftware «Zune». Einen Vorteil könn­te man mit viel Kreativität dar­in sehen, dass nur aktu­el­le Daten mit­ge­führt wer­den. Eine wei­te­re Idee ist sicher auch, dass man sich über eine «Cloud» Zutritt zu sei­nem eige­nen Internet-Archiv ver­schafft und so jeder­zeit alle Daten mit dabei hat. Aber ich mag es nicht, wenn die Technik mir vor­schreibt, wie ich mich orga­nis­e­re.

Von der Verarbeitung her hat sich HTC ins Zeug gelegt. Das «Titan» über­rascht durch eine sehr soli­de und edle Bauweise. Das Gerät ist leicht (160 Gramm) und geschmei­dig. Bei die­ser Grösse muss man etwas vor­sich­tig sein, damit das «Titan» nicht in hohem Bogen durch die Luft fliegt. Unpraktisch ist der Power-Button, der oben auf der rech­ten Seite des Gerätes liegt. Während das Volumen rechts mit dem Daumen per­fekt in der Hand liegt, ist der Power-Button kaum mit einem Finger zu errei­chen. Das «Titan» ist im Allgemeinen ein sehr tak­ti­les Mobile. Man arbei­tet oft mit bei­den Händen und das ist gewö­hungs­be­dürf­tig, macht aber Spass und ist effi­zi­en­ter.

Auch wenn Windows Phone 7.5 als eines der besten und inno­va­tiv­sten Mobile-Betriebssysteme gilt, so heisst das nicht, dass ein «Titan» ein­fach und rasch ein­ge­rich­tet ist. Die Grundfunktionen sind mit dem Einschalten des Gerätes alle da, aber wer will schon nur mit den Grundfunktionen leben? Mein Gerät hat mich rund 16 Stunden Optimierung geko­stet. Allerdings, muss man fai­rer­wei­se hin­zu­fü­gen, habe ich jetzt etwa 8 Geräte in einem kon­fi­gu­riert und bin fast rest­los begei­stert.

Wer sich zu Weihnachten ein neu­es Zukunfts-Kommunikationsgerät wünscht, wird mit dem «Titan» auf der Wunschliste sehr glück­lich.

Infos: www.htc.de

Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2011