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Die ver­brann­te Erde

Von Patrick Etschmayer - Dass Vladimir Putin bei der etwas wei­ter äus­se­ren Rechten in Europa immer noch gewis­se Beliebtheit geniesst, erstaunt nur auf den ersten Blick. Doch wenn man tie­fer in das rech­te Denken ein­dringt, steht dahin­ter immer wie­der eine beson­ders grau­si­ge Version des Christentums oder des Islams. Und dies soll­te jedem Angst machen.
Ob es nun evan­ge­li­ka­le Amerikaner, schii­ti­sche Geistliche im Iran oder ortho­do­xe rus­si­sche Würdenträger, sie glau­ben alle dar­an, dass die letz­ten Tage vor dem Weltuntergang und dem anschlies­sen­den ‹jüng­sten Gericht›, oder wie die Endzeit in der jewei­li­gen reli­giö­sen Geschmacksrichtung genannt wird, ange­bro­chen sind.

Zeichen des unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Weltendes wer­den, seit es Religionen gibt, stän­dig gese­hen. Momentan zäh­len dazu die Homoehe, die Klimabewegung und Frauen, die sich wei­gern, Kopftücher zu tra­gen. Dazu kom­men noch Stürme, Erdbeben und ande­re Naturkatastrophen, die zwar alle­samt völ­lig are­li­gi­ös sind, aber seit jeher als gött­li­che Strafen miss­braucht wer­den.

Diese Endzeitstimmung geht sehr har­mo­nisch Hand in Hand mit der rück­sichts­lo­sen Ausbeutung der Welt und dem Kampf gegen alles, das nach Umweltschutz riecht.
Dieser Zusammenhang scheint man­chen unlo­gisch, ja gar wider­sin­nig, denn soll­te der Mensch nicht ‹die Schöpfung› beschüt­zen? Aber nein. Denn Gott setz­te den Menschen ja ein, um die Erde unter­tan zu machen. Von dem her ist alles in Ordnung, solan­ge man nur betet, die Geistlichen respek­tiert, ihren Aufrufen zur Verfolgung von Ungläubigen, sexu­ell von der Norm abwei­chen­den und Andersdenkenden folgt und den Glaubensführer fleis­sig Geld ablie­fert.

Die Sympathie von Trump und den rech­ten Republikanern gegen­über Putin von dem her fast natur­ge­ge­ben und die Abneigung der reli­gi­ös-kon­ser­va­ti­ven US-Politik gegen­über dem Iran weni­ger reli­gi­ös als histo­risch bedingt. Mit der momen­tan vor sich gehen­den Normalisierung der Beziehungen von Saudi-Arabien mit dem Iran könn­ten sich bald auch zärt­li­che Bande der Mullahs von Teheran und Ghom mit der Fascho-Fraktion des US-Freedom-Caucus über sau­di­sche Kontakte erge­ben.

Die angeb­li­che Liebe die­ser Gläubigen für Mitmenschen beschränkt sich auf jene, wel­che die glei­che Weltsicht tei­len. Ökonomisch ist das Denken bestimmt von einer Ausbeutung der Welt und der Arbeitskraft. Arme die­nen pri­mär als abschrecken­des Beispiel für Faulheit und angeb­lich schlech­ten Lebenswandel. Sexuelle Diversität ist Sünde und wider­na­tür­lich (wobei Natur nicht das ist, was in der ech­ten Natur vor­kommt, son­dern das, was man sich vor­stellt). Fossile Brennstoffe sind Geschenke Gottes, die aus­zu­beu­ten sind (und kei­ne Resultate geo­lo­gi­scher und bio­lo­gi­scher Vorgänge wäh­rend Jahrmillionen) und die Klimaerwärmung durch Menschenhand ist nicht mög­lich, denn Gott lenkt die Welt. Und selbst wenn es die­se Effekte gäbe, wäre es ja eh Wurst, da die Apokalypse sowie­so hin­ter der näch­sten Ecke war­tet und die Welt nur noch ein paar Jahre hal­ten muss.

Vor die­sem Hintergrund sind auch bewaff­ne­te Konflikte wie die unsäg­li­che Invasion der Ukraine durch den rus­si­schen Diktator Putin zu sehen. Abgestimmt mit der rus­sisch-ortho­do­xen Kirche und ihrem Metropoliten brach Putin einen nun schon bald ein­ein­halb Jahre dau­ern­den Angriffskrieg und Völkermord vom Zaun und hat, mit gröss­ter Wahrscheinlichkeit, mit der Sprengung des Kachowka-Staudamms ein Beispiel des Krieges gegen die Welt an sich gesetzt. Die Überflutung beraubt die Ukraine auf Jahre hin­aus frucht­ba­rer Gebiete, Siedlungsräume und Agrarland. Die Verwüstung tau­sen­der Hektare von Land ist zu befürch­ten, wäh­rend weg­ge­schwemm­te Minenfelder womög­lich auf Jahrzehnte eine Todesgefahr sein wer­den. Verbrannte Erde durch Wasser, sozu­sa­gen. Ein sol­cher Akt passt, obwohl eine Eskalation, naht­los in die bis­he­ri­ge Kriegführung der Russen, die von Anfang an auf Terror gegen Zivilisten und zivi­le Einrichtungen auf­bau­te und sinn­lo­se Zerstörung im Zentrum der Strategie ver­an­kert hat.

Diese unbe­streit­ba­re Barbarei, belegt durch tau­sen­de Bilder, Zeugenaussagen und Videoaufnahmen ver­mag die Rechtsaussenpolitiker der Welt nicht zu beein­drucken. Sie argu­men­tie­ren immer immer noch mit dem Argument, dass sich der Aggressor bedroht gefühlt habe und des­halb habe angrei­fen müs­sen. Sie ver­wen­den so im Grossen die glei­che Schuldumkehr, die sie auch im Kleinen vor­brin­gen, wenn sie ver­ge­wal­tig­ten Frauen die Schuld geben, weil sie falsch ange­zo­gen gewe­sen und die Täter so von ihnen zur Vergewaltigung gera­de­zu genö­tigt wor­den sei­en. Ausser, der Vergewaltiger gehört zu einer ver­ach­te­ten Volksgruppe und das Opfer zu der eige­nen. Dann ist die Todesstrafe noch zu gut.

Rassismus, Fremdenhass, die Verachtung des ande­ren und der Wunsch, dass die­se ande­ren Sterben soll­ten (ob nun im Meer ertrin­ken, in der Wüste ver­dur­sten oder im Theater von Mariupol zer­bombt oder an den Kranengalgen von Teheran gehängt zu wer­den) ist auch ein gros­ser Faktor der Einigung die­ser Gruppen. Der zer­stö­re­ri­sche Hass auf Leben und Freude, die Verachtung von Kreativität und das Verachten von Güte, Liebe und Mitgefühl sind selbst­ver­ständ­lich. Wenn in der Schweiz ver­ächt­lich von den ‹Netten› gespro­chen wur­de, mit dem all jene gemeint wur­den, die gesell­schaft­lich Schwachen hel­fen woll­ten, kam die­se Verachtung des Guten per­fekt zum Ausdruck. Das faschi­sto­ide, der Wunsch, das ‹Schwache› aus­zu­rot­ten um selbst die Macht zu bewah­ren zieht sich ja wie ein brau­ner Faden durch all die­se Parteien und Regimes. Der Rechtsfascho Hitler ver­nich­te­te mit Lust alle, die nach sei­ner Ideologie ‹min­der­wer­tig› waren und den ‹Volkskörper ver­gif­te­ten›: Kranke, Juden, Sinti und Roma, im Krieg dann Osteueropäer. Stalin ver­folg­te mit töd­li­chem Hass Tschetschenen, Inguschen, Krimtataren oder die Wolgadeutschen und liess in der Ukraine per Erlass Millionen im Holodomor ver­hun­gern. In den USA wur­de in die­ser Zeit die angeb­lich im Bürgerkrieg befrei­te schwar­ze Bevölkerung immer noch drang­sa­liert, ent­eig­net, zu tau­sen­den ermor­det und syste­ma­tisch dis­kri­mi­niert. Ein Grauen, das heu­te aus den Geschichtsbüchern der US-Schulen getilgt wer­den soll, denn an eige­ne Gräuel erin­nert zu wer­den, ist eine Zumutung. Zudem sol­len auch gegen­wär­ti­ge Diskriminierungen und die wirt­schaft­lich schwa­che Position von Schwarzen und Farbigen auf deren ‹ras­sisch beding­te› Faulheit zu erklä­ren und nicht damit, dass hier eine Bevölkerungsgruppe eine ande­re syste­misch durch wirt­schaft­li­che, bil­dungs­tech­ni­sche und gesund­heit­li­che Diskriminierungen unter­drückt. Schuld sind immer die Opfer.

Wobei wir wie­der in der Ukraine ange­langt sind. Dass sich die Ukrainer ver­tei­di­gen, dies sogar eini­ger­mas­sen erfolg­reich, ist schein­bar für man­che – nicht nur Putin – eine Zumutung. Denn ‹star­ke Männer› und ‹Führer› müs­sen gewin­nen. Eine wack­li­ge Demokratie, die gegen den gött­lich geführ­ten Alpha-Mann Putin besteht, ist eine Abscheulichkeit und gera­de­zu eine Provokation gegen alles was gut und recht zu sein hat. Daher ist auch die Dammsprengung mit der fol­gen­den huma­ni­tä­ren und öko­lo­gi­schen Katastrophe kein Fanal für die Russland- und Diktatorenfreunde. Stattdessen wird die Ukraine für die Zerstörung des eige­nen Landes ver­ant­wort­lich gemacht. Entweder direkt (sie hät­ten es mit Raketen geschafft, eine gigan­ti­sche Staumauer auf Bodenhöhe und 30 Meter Breite zu spren­gen und die eige­ne Offensive dabei zu sabo­tie­ren) oder eben, weil Russland das machen muss­te … weil: Gefühlte Bedrohung.

Ebensowenig wür­de eine Zerstörung des AKW Saporischia oder die Sprengung des «Crimean Titan» Chemiewerkes mit all den gigan­ti­schen Folgeschäden noch über­ra­schen. Die Apokalypse, selbst aus­ge­löst, ent­sprä­che einer­seits dem Gefühl gött­li­cher Sendung, ande­rer­seits der Endzeitstimmung, die Putin sicher auch wegen sei­ner eige­nen Endlichkeit erkennt. Er hat­te ver­mut­lich erst geplant, sich mit der Einnahme Kiews ein Denkmal zu set­zen. Dieser Wunschtraum ging flö­ten. Stattdessen soll die Erde bren­nen. Denn schon Hitler bewies einst, dass wen ein ‹gros­ser› Führer unter­geht, doch bit­te auch gleich die Welt mit unter­ge­hen soll.

Ob es nun Putins, Chameneis oder (wenn er nur könn­te) Trumps ver­brann­te Erde: Wer sich selbst als Sonne sieht, hat nach dem eige­nen Ende für die Erde kei­ne Verwendung mehr.