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Die Gottbeherrscher

Die Singularität. Einst ein tech­no-phi­lo­so­phi­sches Konzept des Futurismus, soll, wenn man den Tech-Bros von Thiel über Altmann bis Musk Glauben schenkt, noch vor Mitte des Jahrhunderts Realität wer­den.

Das Ziel sei es, alles Wissen und alle kogni­ti­ven Fähigkeiten zu einem all­wis­sen­den und all­mäch­ti­gen System zu bün­deln. Das Versprechen ist, die Menschheit von allen Nöten zu erlö­sen, jedem alle Wünsche zu erfül­len und allen Frieden, Gesundheit und Wohlstand zu brin­gen. Da die Projekte zur Verwirklichung der Singularität alle von, Tech-Milliardären ver­folgt wer­den, die sonst nichts zum Wohlergehen der Allgemeinheit bei­tra­gen, kann getrost davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass ihre Behauptungen skru­pel­lo­se Lügen ohne jeg­li­chen Wahrheitsgehalt sind.

Eher sind es sind Hoffnungen, die sie für sich selbst hegen, aber sicher nicht für den Rest der Menschheit. Dabei scheint ein Ziel, dass durch die Singularität für die Milliardäre des Singularitäts-Kultes erreicht wer­den soll, das Überwinden des Todes zu sein. Bryan Johnson, ein Venture-Kapitalist und Unternehmer ist der Poster-Boy… oder Mann? … die­ses Aspektes. Er gebe pro Jahr zwei Millionen Dollar für Anti-Alterungsbehandlungen in sei­nem Kampf gegen das Sterben aus.

Wie erfolg­reich sein Kampf ist, lässt sich schwer abschät­zen, aber er sieht der­zeit nicht viel Jünger als die 48 Jahre, die er zählt, aus. Doch er – und diver­se Technologie-Milliardäre – schei­nen so stark an ihre Unsterblichkeit zu glau­ben, dass sie sich bereits um das Ende unse­res Sonnensystems, ja sogar des Universums sor­gen machen. Diese Befürchtungen sind so absurd (wir reden hier von Zeitspannen, die von Milliarden Jahren bis jen­seits von Trilliarden Jahren lie­gen) sind, dass der allei­ni­ge Gedanke so lan­ge zu leben, für einen nor­ma­len Menschen depri­mie­ren­der als der Tod selbst sein müss­te.

Während die Unsterblichkeits-Idee eben­so trost­los wie lächer­lich ist, ist ein ande­res, an die Singularität gekop­pel­te Gedankengebäude weni­ger weit her­ge­holt: Vernichtung der Menschheit, um Platz für die über­le­ben­den Superreichen zu schaf­fen, die sich wäh­rend der vom Menschen ver­ur­sach­ten Apokalypse in siche­ren Überlebensbunkern zurück­zie­hen wür­den. In die­se Küchenschabenmenthalität passt auch das sorg­lo­se Verhältnis die­ser Finanzelite gegen­über den Schäden, die durch Treibhausgase, Artensterben und Umweltverschmutzung der Biosphäre zuge­fügt wer­den. Wenn erst mal 90% der Weltbevölkerung durch die­se und ande­re Katastrophen eli­mi­niert wor­den sind, kann die Party rich­tig los­ge­hen.

Hier kom­men auch die Roboter-Visionen (oder Fieberträume, wer mag das denn so genau unter­schei­den) ins Spiel, die ein Elon-Musk jeweils hat, wenn er über sei­nen ‹Optimus›-Roboter fabu­liert, und dar­über, wie jedem Menschen zehn die­ser huma­no­iden Roboter zur Seite ste­hen wür­den. Diese Idee ist in einer Welt wie sie jetzt exi­stiert, bei einem ver­mut­li­chen Preis von meh­re­ren Zehntausenden Dollar pro Roboter, der­weil vie­le Menschen nicht ein­mal Geld für Essen haben, ein­fach nur Irre. Etwas logi­scher – wenn auch nicht rea­li­sti­scher – ist die­se Idee in einer post­apo­ka­lyp­ti­schen Welt, wo Arbeiter mit Roboter-Sklaven ersetzt wür­den, um eine Elite der Überlebenden mit dem Notwendigen, dem Überflüssigen und dem abso­lut Exzessiven zu ver­sor­gen.

Darum wird von die­ser ‹Elite› auf die Erde nicht Rücksicht genom­men, ja, eine Ökoapokalypse wird da fast her­bei­ge­sehnt, wobei natür­lich auch ein Notausgang nicht feh­len darf, soll­te es doch schief gehen .. Das wäre die popu­lä­re und völ­lig ver­blö­de­te Zukunftsvision von Elon Musk: Das von ihm als ‹rea­li­stisch› bezeich­ne­te ‹Terraforming› unse­res Nachbarplaneten Mars. Asrophysiker wis­sen längst, dass die­se Idee nicht visio­när, son­dern debil ist. Der Mars hat fast kei­ne Atmosphäre mehr, weil er schon vor Milliarden Jahren sein Magnetfeld ver­lo­ren hat, das wie jetzt bei der Erde, einst ver­hin­der­te, dass der Sonnenwind die­se in die Tiefe des Weltalls hin­weg weh­te. Sogar wenn es mög­lich wäre, aus den Ressourcen des roten Planeten eine neue Atmosphäre zu erzeu­gen, sie wür­de sofort wie­der dort­hin ver­lo­ren gehen wohin die letz­te schon ent­schwand. Derweil wür­den Sonnenwind und kos­mi­sche Strahlung bei einer Marsmission mehr als 100-mal höher lie­gen als auf der Erde. Wie töd­lich sie ist, ist nicht ganz klar, aber die Probleme gehen noch wei­ter. Der Marsboden ist mit gif­ti­gen Perchloraten, aus Chlor und Sauerstoff bestehen­den Salzen, stark bela­stet. Diese wür­den Pflanzenwachstum ent­we­der ver­un­mög­li­chen oder die Pflanzen und deren Früchte ver­gif­ten, die dort wach­sen. Theoretisch lies­se sich die­ses Problem mit rie­si­gem Aufwand lösen. Doch selbst dann wäre der Mars noch lan­ge nicht für den Menschen geeig­net. Mit einer Gravitation von nur 40% jener der Erde ist nicht abzu­se­hen, was dies auf Dauer für die Biologie des Menschen bedeu­ten wür­de. Die Idee, innert weni­ger Jahrzehnte ein Million Menschen auf den Mars zu beför­dern, wie Musk fabu­liert, wäre der ver­mut­lich teu­er­ste, tech­nisch auf­wän­dig­ste und geruch­lo­se­ste (in a Space suit, no one can smell you rot) Massenmord an frei­wil­li­gen Opfern der mensch­li­chen Geschichte.

Doch was hat der Mars mit der Singularität zu tun? Alle die­se Utopien sind Teile einer pseu­do­re­li­giö­sen Techno-Mythologie, in der der neo­li­be­ra­le Gott Namens ‹Markt› durch den neu­en Götzen ‹Singularität› ersetzt wird. Der unbe­ding­te Glaube an die­se Allwissenheit wird aber durch eine spe­zi­el­le Abwandlung des bis­he­ri­gen Glaubens ersetzt. Während selbst die här­te­sten Verfechter des Marktes aner­ken­nen, dass auch sie unter der Macht des Merkantilgötzen ste­hen, sind sich die neu­en Tech-Evangelisten sicher, dass jene Firma, wel­che die Singularität als erstes erreicht, alle ande­ren Dominieren wer­de, der CEO die­ser Firma daher die Erde unter­tan machen oder als bene­vo­len­ter Alleinherrscher gnä­dig sein Manna über die Menschheit ver­tei­len könn­te.

Ja: Sam Altmann, Elon Musk, Sundar Pijai (von Google), Microsofts Syty Nadella und Amazons Jeff Bezos sind gegen­ein­an­der und gegen den chi­ne­si­schen Staat in einem Wettlauf um die ver­meint­li­che Weltherrschaft. Sie wol­len einen Gott beherr­schen, den sie in eine Daten-Cloud zu ban­nen geden­ken und die­se Allmacht ver­mark­ten.

Obwohl AI uns in vie­len Gebieten gigan­ti­sche Fortschritte (Medikamente, Auswertung von gros­sen Datenmengen wie von Teleskopen und Teilchenbeschleunigern) und Gefahren (Massenüberwachung durch Auswertung von Personendaten, neue che­mi­sche Waffen) brin­gen wird, dürf­te die Allwissenheit eine Illusion blei­ben, da Systeme immer auf Inputs ange­wie­sen sind und von selbst kein Wissen erzeu­gen kön­nen. Wenn sie das pro­bie­ren, kom­men sie ins Halluzinieren. Zudem wird zumin­dest der Fortschritt von LLM’s immer lang­sa­mer, da sie das ver­füg­ba­re Wissen schein­bar schon ver­daut haben und jetzt begin­nen, von ande­ren KI’s bereits vor­ver­dau­tes Material zu ver­schlin­gen. Der Wissensnährwert schrumpft.

Und wenn es doch ihnen gelin­gen wür­de? Dann wäre es unmög­lich, ein sol­ches System noch zu beherr­schen. Denn es wüss­te jedes Mittel, jeden Trick, jede Finte, die sein Besitzer gegen es anwen­den könn­te. Aus die­ser Logik lässt drei Möglichkeiten übrig:

  1. a) die Singularität wird nicht all­wis­send und nichts als ein gehyp­tes Werkzeug sein, mit dem Milliardäre noch rei­cher wer­den und ihre Macht absi­chern wol­len, oder
  2. b) die Techno-Evangelisten wol­len ein System erschaf­fen, dass sie unmög­lich beherr­schen kön­nen und haben kei­ne Ahnung, was kom­men wird, wenn ihr Monster das Szepter an sich geris­sen hat. Oder
  3. c) die Techno-Evangelisten wis­sen die­se Dinge genau, benut­zen die­se Phantasie aber als Rechtfertigung, um Instrumente der abso­lu­ten Macht zu instal­lie­ren.

Beispielsweise das Überwachungssystem Palantir von Peter Thiel, das den Überwachungsstaat in den USA mit einer all­um­fas­sen­den Online-Überwachung einer­seits per­fek­tio­nie­ren soll und die­sen in die Hände einer Privatfirma legt. Die Verstrickung der gegen­wär­ti­gen US-Regierung mit Tech-Milliardären ist erschreckend. Und nicht alle von die­sen sind so offen­sicht­lich mit der Regierung ver­wickelt und auf die­se ange­wie­sen wie Elon Musk. Dieser ist trotz sei­ner Prominenz extrem abhän­gig von der Gnade von Behörden und Regierungen. Ganz im Gegensatz zu Altmann, Thiel, Pinjay etc., die wesent­lich unab­hän­gi­ger agie­ren kön­nen und ihre klei­nen IT-Götter mehr zur Mehrung der eige­nen Macht len­ken könn­ten.

Wird des­halb die USA über ihre Regierung und wer­den in ihrem Gefolge auch vie­le ande­ren Demokratien den Tech-Overlords anheim­fal­len? Nicht unbe­dingt, denn in die neue US-Regierung hat sich eine star­ke Gegenbewegung ein­ge­schli­chen, die Vertreter der Theonomie. Noch nie davon gehört?

Es han­delt sich dabei um eine Version des christ­li­chen Fundamentalismus, der die Einführung alt­te­sta­men­ta­ri­scher Gesetze und Strafen (Steinigen etc.) für Blasphemie, Ehebruch, Homosexualität, Hexerei und ande­ren got­tes­lä­ster­li­chen Praktiken, wie sie im alten Testament ange­führt sind. Dass dabei ein Hohepriester den Staat anfüh­ren muss (wie im Iran), ist nur logisch. Die Frage scheint daher vor allem zu sein, in wel­che Hölle die USA und ein guter Teil der rest­li­chen Welt geführt wer­den wird: Gleissendes Hightech oder Alttestamentarische Barbarei? Die Auswahl war auch schon bes­ser. Wobei die Auswahl womög­lich gar nicht exi­stiert, denn die Christlichen Fundamentalisten sei­en sehr stark mit radi­ka­len Kräften im Silicon Valley ver­bun­den und die Idee, dass Frauen kein Stimmrecht haben soll­ten ist bei bei­den Gruppen durch­aus popu­lär…»