Ich bin nicht Che. Und ich habe auch keinen Kumpel mit einem reparaturbedürftigen Motorrad. Höchstwahrscheinlich werde ich auch nie in den eher fraglichen Genuss kommen, meine abstrahierte Visage auf einem H&M‑Shirt vorzufinden. Auch Che hätte das kaum gewollt, aber man kann sich schliesslich nicht alles aussuchen. Abgesehen davon ist dies ein anderes Thema.
Eine Gemeinsamkeit besteht jedoch: Ich werde Lateinamerika bereisen. Ich und mein Rucksack. Oder, je nach Blickwinkel, mein Rucksack und ich. Am 4. September fliege ich nach México-City, der ersten Destination meines Trips. Und ab heute werde ich euch über diesen Blog unterhalten, unterrichten und hoffentlich auch ab und zu zum Lachen oder gar zum Weinen bewegen können.
Jetzt, eine gute Woche vor meiner Abreise, sind die meisten Vorbereitungen abgeschlossen; in meinem Rucksack, der bald schon Wohnung, Kleiderschrank, Apotheke, Bibliothek, Badezimmer und Bank in einem sein wird, befinden sich vorwiegend Dinge, deren Gebrauch ich eigentlich vermeiden möchte: Medikamente, Passkopien, Versicherungsformulare, Impfausweis.
Ich versuche nun seit einigen Tagen die Illusion, einigermassen vorbereitet zu sein, wohlwissend, nicht vorbereitet sein zu können, aufrechtzuerhalten. So ambivalent das auch klingen mag; es entspricht jedenfalls meiner momentanen Gefühlslage: Gestern hatte ich Panik, heute obsiegte die Vorfreude, morgen wird es wohl, wie Vorgestern, ein abgedrehtes Mix aus beidem sein. Als Kochrezept würde das so oder ähnlich klingen: Man gebe zwei Kilo Vorfreude in einen grossen Topf (am besten ein Hexenkessel), dann füge man 500 Gramm an Panik grenzende Angst hinzu und rühre beides zu einer nicht mehr trennbaren Masse. Danach ziehe man 700 Gramm Ungewissheit darunter und lasse den Topf einen halben Tag im Regen stehen. Und hinterher eben so lange in der Sonne. Danach lasse man die Masse auf kleinem Feuer brutzeln und nach zwei Stunden würze man sie mit einem Schuss Hippie und zwei Prisen Vagabund. Schliesslich mit viel Abenteuerlust dekorieren. Vorspeise für eine Person (wie in aller Welt soll ich das bloss alles essen können?).
Auch zu meiner Motivation sind noch einige Worte zu verlieren: Nun, eigentlich weiss ich es auch nicht so genau. Aber eine längere Reise schwebte mir schon lange vor; es gehört für mich zu den Dingen, die man einfach tun muss. Und letztes Semester hat sich dieses Gefühl verstärkt, so dass ich kurzerhand in’s Reisebüro rannte und den Flug buchte. Bestimmt hat das Ganze etwas mit einer Art Selbstfindungstrip, einem kleinen Ausbruch aus der hiesigen Plastikwelt, purer Reiselust und der Hoffnung, ein Stück unserer Welt, ihrer Leute, Kulturen und Landschaften kennen zu lernen, zu tun. Vielleicht geht es auch darum, zu sehen, wie ich mich durchschlagen werde.
Wichtiger als der Grund der Reise sind allerdings die Fragen, was ich erleben werde und vor allem, was mit mir als Mensch passieren wird. Man hört immer wieder Sätze wie „seit dieser Reise bin ich nicht mehr derselbe Mensch“ oder „ich habe mich wahnsinnig gut kennen gelernt auf dieser Reise“. Na, da bin ich mal gespannt, ob ich diese Phrasen bei meiner Rückkehr auch in den Mund nehmen werde!
Nun denn, mit erwartungsvoller Erwartungslosigkeit und erwartungsloser Erwartungsfülle auf einen grandiosen Kulturschock und eine masslose Reizüberflutung verbleibe ich bis zum nächsten Eintrag. ihr lest von mir!
Euer Jonny




