Das Didgeridoo – Interkulturelles Dasein eines Holzrohres

Von

|

Drucken Drucken

Von Roman Buss - Man sieht sie ab und zu in den Gassen sit­zen, die did­ge­ri­doo­spie­len­den Strassenmusiker. Mal gut und mal bes­ser, lauscht man dann den Klängen die­ses austra­li­schen Blasrohres, oder, je nach dem eben auch nicht. Doch wie hat sich die­ses Instrument auf der gan­zen Welt ver­brei­tet und fas­zi­niert auch in der Schweiz so vie­le Leute.

Viele Mythen und Geschichten wer­den erzählt über den Ursprung die­ses Klangrohres. Alle begin­nen im nörd­li­chen Teil des austra­li­schen Kontinents, dem Arnhemland. Eine der vie­len Entstehungsgeschichten erzählt, dass ein Mann Feuer machen woll­te, sich in der Öffnung eines Holzstückes jedoch Termiten befan­den. Um die­se nicht zu ver­bren­nen, blies er in das Rohr hin­ein. Die Termiten flo­gen in den Himmel und bil­de­ten dabei die Milchstraße und die Sterne, aus dem Holz dage­gen erklang ein vibrie­ren­der Ton.

Welche Geschichte auch immer stimmt, dass Didgeridoo war lan­ge Zeit eini­gen weni­gen Stämmen im Arnhemland vor­ent­hal­ten. Es wur­de zu sakra­len Zeremonien benutzt und beglei­te­te die Sänger und die Tänzer, wel­che die Rituale führ­ten. Als Soloinstrument wur­de es kaum ein­ge­setzt. Der Name Didgeridoo ist eher laut­ma­le­risch einem tra­di­tio­nel­lem Rhythmus nach­emp­fun­den. Aber auch hier ste­hen wir vor einem Berg von Mythen und Geschichten, war­um das Didgeridoo bei uns Didgeridoo heisst. Bei den Stämmen der austra­li­schen Ureinwohner gibt es ver­schie­de­ne Namen, der bekann­te­ste dafür ist wohl jener aus dem Stamm der Yolngu, das «Yidaki». Auch über das Alter die­ses Instrumentes zir­ku­lie­ren unzäh­li­ge Meinungen. Die ersten bekann­ten, wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Hinweise auf das Didgeridoo stam­men von unge­fähr 3000 Jahre alten Felsmalereien. Es lässt sich nur spe­ku­lie­ren, ob dem Instrument eine älte­re Existenz zuge­wie­sen wer­den kann. Ursache für eine Altersspekulation von über 40’000 Jahre sind Äusserungen aus der Aborigine-Mythologie.

Der zwi­schen 1 und 2.5 Meter lan­ge, von Termiten aus­ge­höl­te Eucalyptusstamm begann sei­ne Weltreise in den 50er Jahren des letz­ten Jahrhunderts, als sich die Bekanntheit des Instrumentes erst über den austra­li­schen Kontinent ver­brei­te­te. Durch die zuneh­men­de Popularität der New-Age Musik began­nen vie­le Musiker expe­ri­men­tell mit dem Didgeridoo zu arbei­ten. Der sono­re, beru­hi­gen­de und men­ta­le Klang erfreu­te sich gros­ser Beliebtheit. Mit «Yothu Yindi» gelang einer Aborigine-Band 1988 der Durchbruch. Das Album «Homeland Movement» war äus­serst erfolg­reich und mit «Treaty» gelang der Band 1992 sogar ein Welthit. Nach dem Album «Begegnungen» und der dar­auf­fol­gen­den Tournee mit Peter Maffay 1998 war die Band auch in Europa einem brei­ten Publikum Live bekannt. Es gab noch eini­ge wei­te­re Gruppen, bei denen das Didgeridoo ein­ge­setzt wur­de, die wohl bekann­te­ste west­li­che Band war «Jamiroquai», die sich im dazu­mal belieb­ten Acid-Jazz beweg­ten. Deren Didgeridooklänge waren unter ande­rem auch auf dem 1996er Kultalbum «Travelling wit­hout moving» zu hören. Als einer der ersten bekann­ten Didgeridoo-Künstler ohne Aborigine Vorfahren hat Charlie McMahon, in den Blue Mountains in der Nähe von Sydney gebo­ren, vie­le Konzerte mit der Weltmusikformation «Gondwanaland» gespielt. Auch wei­te­re, moder­ne Weiterentwicklungen im Bereich Instrument und Mikrofonierung gehen auf sein Konto. Schon frü­her, in den 1960er Jahren, gab es in England Leute wie Rolf Harris oder Trevor Jones, die das Didgeridoo spiel­ten und damit auch Auftritte in Shows und am Fernsehen hat­ten.

Die Schweiz kann sich dar­auf beru­fen, die wohl ein­drück­lich­ste Didgeridoogeschichte aus­ser­halb Australiens erzäh­len zu kön­nen. Verantwortlich dafür zeich­net sich der Berner Willi Grimm. Ende der 60er Jahre nach Australien aus­ge­wan­dert, kam er zu Beginn er 70er wie­der zurück nach Bern. Mit dem Didgeridoo im Gepäck. Noch nicht wis­send, dass er zum Wegebauer der euro­päi­schen Didgeridooszene wur­de, führ­te er am 10. Dezember 1988 das erste Didgeridootreffen in der Schweiz und in Europa durch. Das Didgeridoo wur­de von vie­len in Europa ent­deckt, und erste Konzerte in der Schweiz mit Künstlern wie David Hudson (1990), Gary Thomas, Yothu Yindi (1992) und  Steven Kent (1993) erfreu­ten ein brei­tes Publikum. Der gros­se Meilenstein in der noch jun­gen Geschichte des Instrumentes in Europa wur­de 1994 auf dem Solothurner Hausberg Weissenstein gelegt, als zum ersten Mal das World Music Festival «Uhuru» statt­fand, wel­ches das Didgeridoo in den Fokus des Anlasses setz­te. Mit Alan Dargin und Janawirri Yiparrka stan­den, nebst ein­hei­mi­schen Künstlern, auch zwei indi­ge­ne Australier auf der Uhuru-Bühne.

Das Interesse an die­sem archai­schen Instrument schien rie­sig und wuchs aus der Schweiz her­aus über ganz Europa. 1996 wur­de das Dreamtime Festival auf der Schweibenalp ober­halb von Brienz durch­ge­führt. Organisator und Initiant war der deut­sche Künstler Kailash, und wie­der hat­te Willi Grimm die Finger mit im Spiel, wie­der­um unwis­send, den Grundstein für eines der älte­sten Didgeridoofestivals welt­weit gelegt zu haben, dem «Swizzeridoo». Das erste Mal ent­stand eine rei­ne Didgeridoo-Plattform, an wel­cher schier unzäh­li­ge Musiker und Besucher über sie­ben Tage teil­nah­men. Die ersten Namen, mit denen man im Zusammenhang mit dem Didgeridoo kon­fron­tiert wur­de, erhiel­ten ein Gesicht. Mark Atkins, Alastair Black, Alan Dargin, Garry Thomas, Phil Peris, alle aus Australien ange­reist, Stephen Kent und Graham Wiggins aus Amerika, aber auch vie­le euro­päi­sche und ein­hei­mi­sche Musikschaffende wid­me­ten sich dem Didgeridoo. Darunter vie­le Namen, die auch heu­te noch akti­ve Didgeridoo-Performer sind. Thomas Graber und Jörg Fava führ­ten ein Jahr spä­ter, 1997, das Didgeridoo- und Obertonmeeting in Burglauenen bei Grindelwald durch, wel­ches jedoch Schweizer Musikern  vor­ent­hal­ten war. Bei Workshops und Konzerten traf man sich und tausch­te sich aus. Es soll­te drei Jahre dau­ern bis zum näch­sten gros­sen Anlass in der Schweiz.

Auch ande­re euro­päi­sche Länder began­nen aktiv zu wer­den. Es ent­stand das Dreamtime Festival in Berlin, die Didge Days in Stuttgart. In Italien, Frankreich, Österreich und vie­len wei­te­ren Länder, auch aus­ser­halb Europas, wie zum Beispiel Israel oder den USA, ent­stan­den Festivals und Gatherings.  Das Didgeridoo erfreu­te sich immer grös­se­rer Beliebtheit. Es wur­den Bücher geschrie­ben, Didgeridooshops ent­stan­den, sogar ein sich eigens die­sem Instrument wid­men­den «Didgeridoo-Magazin» wur­de gebo­ren und zwei­spra­chig ver­trie­ben. Mitten in die­sem regen Treiben war es dies­mal Olivier Balmer, der sich 2000 der Organisation eines Didgeridooanlasses in der Schweiz annahm. Das «Swizzeridoo» war gebo­ren. Wiederum auf der Schweibenalp fand ein drei­tä­gi­ges, inter­na­tio­na­les Gathering statt. 2001 wur­de das erste «Swizzeridoo» in einem Festivalrahmen durch­ge­führt. Drei Tage Didgeridoomusik im Gaskessel Bern. Australische und Schweizer Künstler gaben Konzerte und Workshops. Das Swiss Didgeridoo Festival «Swizzeridoo» wur­de bis 2009 mit einer Ausnahme jähr­lich durch­ge­führt. Alles was Rang und Namen hat­te spiel­te auf der Bühne im ber­ni­schen Wiedlisbach, wel­ches seit 2002 Durchführungsort war. Viele bis­her unbe­kann­te Künstler hat­ten am Swizzeridoo ihren ersten Auftritt und sind, teil­wei­se, noch heu­te auf den Bühnen der Welt anzu­tref­fen. Über 1000 Besucher aus der gan­zen Welt genos­sen die­se Anlässe, wo nicht nur die bekann­ten Musiker, son­dern auch unbe­kann­te, talen­tier­te jun­ge Künstler Auftrittsmöglichkeiten erhiel­ten. Dann war Schluss. Der Anlass wur­de immer grös­ser, im Organisationsteam herrsch­te Unstimmigkeit, und der in den Gründungsjahren des Festivals ent­stan­de­ne Verein löste sich bald auf.  Die bis­her bekann­te­ste Plattform für die euro­päi­sche Didgeridooszene gab es nicht mehr, vie­le ande­re Festivals wur­den auch nicht mehr wei­ter­ge­führt. Die Szene zer­split­ter­te sich, und auch das «Didgeridoo-Magazin» wur­de ein­ge­stellt. Das Didgeridoo war kli­nisch Tod.

Roman Buss - Das Didgeridoo_002

Wieder sorg­te Willi Grimm dafür, dass nach fünf Jahren das «Swizzeridoo» eine Wiedergeburt fei­er­te. Zusammen mit einem Freund ergriff er die Initiative und orga­ni­sier­te im Berner Wörkshophus 2014 erneut ein Didgeridoofestival.  Erst über zwei Tage, wur­de es dann ein Jahr spä­ter bereits wie­der drei Tage lang durch­ge­führt. Auch die­ses Jahr, vom 09. – 11. September 2016, kön­nen im Wörkshophus wie­der drei Tage lang natio­na­le und inter­na­tio­na­le unbe­kann­te und bekann­te Didgeridooklangkünstler, Solisten wie auch Bands, mit einer gros­sen Bandbreite an musi­ka­li­scher Stilistik, bestaunt wer­den. Es herrscht Open-air Atmosphäre, obwohl der Anlass Indoor statt­fin­det. Es gibt Workshops, ein Markt und natür­lich kommt auch das Essen und Trinken nicht zu kurz. Auch in ande­ren Ländern fei­ert das Didgeridoo sein Comeback. Während in Italien und Frankreich wenig­stens je ein Festival regel­mäs­sig wei­ter­ge­führt wur­den, war in Deutschland nie­mand mehr da, der die Initiative ergriff. Lediglich Eddy Halat orga­ni­siert jähr­lich das «Australien-Wochenende» in Eisenbach, dies dafür zuver­läs­sig wie eine Schweizer Uhr. Es fand die­ses Jahr zum bereits 18. Mal statt. Mit Marco Munsch und Melanie Niermann kamen neue Kräfte ins Spiel. Im deut­schen Coburg began­nen sie die «Didgeridoo Sound Days» zu orga­ni­sie­ren, wel­che in die­sem Jahr bereits zum drit­ten Mal statt­fin­den. Auch in Belgien ent­stand ein neu­es Didgeridoofestival. Ist das die Renaissance des euro­päi­schen Didgeridoos? Die Liebhaber die­ses Instrumentes hof­fen es, damit sie nicht nur den mal gut und mal bes­ser klin­gen­den did­ge­ri­doo­spie­len­den Strassenmusikern in den Gassen der Städte begeg­nen.

www.yidaki.ch
www.swizzeridoo.ch

 

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo