Das Berner Symphonieorchester mit inter­na­tio­na­ler Ausstrahlung

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Von Karl Schüpbach – Man muss es nur wol­len! Am 23. und 24. September die­ses Jahres hat das Berner Symphonieorchester (BSO) zwei her­vor­ra­gen­de und auf­se­hen­er­re­gen­de Konzerte im gross­ar­ti­gen Saal des Neuen Festspielhauses in Salzburg gespielt. Hervorragend: Von 1964 bis 2000 habe ich im Register der 1. Violinen des Orchesters mit­ge­ar­bei­tet. Mit der Verpflichtung von Paul Klecki als Chefdirigent 1964 begann ein unge­heu­rer künst­le­ri­scher Aufschwung des Orchesters, der von Charles Dutoit, Dmitrij Kitayenko und Andrey Boreyko bis zum heu­ti­gen Tag anhält.

Als pen­sio­nier­ter Berufsmusiker ver­fü­ge ich über die Kompetenz, die bei­den Konzerte in Salzburg beur­tei­len zu kön­nen. Dabei wäre es ein gros­ser Fehler, sie aus dem Zusammenhang zu lösen, etwa als ein­ma­li­ge Höhenflüge. Das BSO spielt auch in unse­rem Kultur-Casino immer wie­der gross­ar­ti­ge Konzerte. Stellvertretend sei­en genannt: Das Gala-Konzert mit dem phä­no­me­na­len Josua Bell oder die Interpretation der 5. Sinfonie von Schostakowitsch, unmit­tel­bar vor der Abreise nach Salzburg; die­ses monu­men­ta­le Werk stand auch hier auf dem Programm.

Aufsehenerregend: Ich traf mich nach dem zwei­ten Konzert mit ehe­ma­li­gen Studien- und Berufskolleginnen und Kollegen. Wir waren alle Mitglieder der damals sehr bekann­ten Camerata aca­de­mica des Mozarteums Salzburg. Ich konn­te mich der Fragen kaum erweh­ren: Wieso kennt man die­ses Orchester nicht – das Orchester ist her­vor­ra­gend durch­mischt mit erst­klas­si­gen Tutti-Registern und Solisten auf höch­stem Niveau – wel­ches ist die Stellung des BSO inner­halb der Schweiz, im Vergleich mit der Tonhalle und dem Orchestre de la Suisse Romande. Ich beschrän­ke mich auf die­se Auswahl von Fragen und Anerkennung. Diese Begeisterung mei­ner Kolleginnen und Kollegen war für mich auf­wüh­lend und zugleich eine uner­hör­te Bestätigung.

Ich weiss doch, dass das BSO ein äus­serst wert­vol­les Instrument ist, ich wer­de nicht müde, dies bei jeder sich bie­ten­den Gelegenheit zu wie­der­ho­len. Weil aber das BSO – ohne eige­nes Verschulden – den ent­schei­den­den Durchbruch noch nicht geschafft hat, stel­len sich unwei­ger­lich die Gefühle des ein­sa­men Rufers in der Wüste ein.

Die Begeisterung mei­ner Freundinnen und Freunde in Salzburg ist so etwas wie Balsam auf die (manch­mal) kran­ke Seele. Es gibt aber auch eine Reaktion dar­auf: Wir wis­sen alle, dass im Augenblick Verhandlungen um eine gemein­sa­me Zukunft des BSO mit dem Stadttheater Bern (STB) im Gange sind. Ich emp­fin­de es gleich­sam als Verpflichtung, die Begeisterung «mei­ner» Salzburgerinnen und Salzburger in mei­ne Gedanken und Überlegungen rund um das BSO ein­flies­sen zu las­sen. Der tosen­de Schlussapplaus des Publikums nach bei­den Konzerten (der Saal war zwei­mal aus­ver­kauft, er bie­tet gut 2 000 Zuhörerinnen und Zuhörern Platz) spricht eine sehr deut­li­che Sprache. Sie ist umso kla­rer ver­nehm­bar, als sie aus­ser­halb von Bern gespro­chen wird, womit sie ein Mehr an Objektivität in Anspruch neh­men kann. Dabei muss unbe­dingt berück­sich­tigt wer­den, dass das Publikum der Mozart-Stadt zum anspruchs­voll­sten über­haupt gehört, was nicht wun­dert, wenn man bedenkt, dass sich hier die berühm­te­sten Orchester der Welt die Türe rei­chen.

Danke, mei­ne Kolleginnen und Kollegen aus Salzburg, für eure Beeinflussung mei­ner fol­gen­den Äusserungen, dan­ke ver­ehr­tes Publikum für eine Bestätigung, die wir so sehr benö­ti­gen.

Internationale Ausstrahlung: Vor mehr als einem Jahr hat Herr Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor des Kantons Bern, zu einer Pressekonferenz ein­ge­la­den, und zwar in das Creaviva, ein Ort im Zentrum Paul Klee, wo Kinder unter kun­di­ger Leitung ihre Kreativität aus­le­ben kön­nen. Mit die­ser Wahl woll­te Herr Pulver zum Ausdruck brin­gen, dass die Kulturförderung des Kantons ein Schwergewicht auf die Kulturvermittlung setzt, wobei der Jugend beson­de­re Aufmerksamkeit zukom­men muss. Mit ande­ren Worten: Das BSO ist wohl­be­ra­ten, die welt­wei­te Erkenntnis zu befol­gen, wonach mit einer Ausweitung der Aktivitäten zwin­gend neue Publikumskreise gewon­nen wer­den müs­sen, eben bei­spiels­wei­se die Jugend. Soweit konn­ten und kön­nen die Absichtserklärungen des Bernischen Erziehungsdirektors auf voll­ste Unterstützung des BSO zäh­len. Leider ent­hiel­ten sei­ne Ausführungen aber auch einen Stachel. Das Zentrum Paul Klee, das Kunstmuseum und das Ballenberg-Museum wer­den direkt dem Kanton unter­stellt, die Stadt und die Regionale Kulturkonferenz ver­lie­ren ihren Einfluss. Er begrün­det die­sen Schritt mit der inter­na­tio­na­len Ausstrahlung der drei Institutionen. Diese wird also dem BSO abge­spro­chen. Zu dem Zeitpunkt muss­te ich mir ein­ge­ste­hen, dass die Mitglieder des BSO nun die Früchte einer seit Jahrzehnten andau­ern­den Fehleinschätzung ihrer Arbeit durch die Subventionsbehörden ern­ten. Heute – nach Salzburg – sehe ich es dif­fe­ren­zier­ter: Das Können des Orchesters hat ein Niveau erreicht, wel­ches eine inter­na­tio­na­le Ausstrahlung ohne Weiteres zur Folge haben kann. Diese Tatsache bringt aber, iso­liert betrach­tet, nichts. Es braucht dazu, wie im Falle der drei erwähn­ten Institutionen, die Einsicht und Überzeugung der Behörden, dass hier ein Orchester vor­han­den ist, des­sen Pflege und Weiterentwicklung ein ech­tes – jetzt poli­ti­sches – Anliegen ist. Kehren wir in das Zentrum Paul Klee zurück, um ein Bild zu gebrau­chen: Das BSO ist wie ein wert­vol­les Gemälde, des­sen Besitzer es ver­säu­men, das Kunstwerk in das rich­ti­ge Licht zu stel­len. Warum bloss? Aus fal­scher – sprich typisch ber­ni­scher – Bescheidenheit her­aus!

Im Rahmen der oben erwähn­ten Diskussionen gibt es einen Punkt, der kata­stro­pha­le Auswirkungen auf das Niveau des Orchesters haben müss­te: Die Rede ist von einer Reduktion der künst­le­ri­schen Aktivitäten des Klangkörpers. Es wur­de schon erwähnt, aber es kann nicht genug betont wer­den: Die Berner Subventionsbehörden kön­nen doch nicht gegen einen welt­weit flies­sen­den Strom schwim­men. Wenn welt­be­rühm­te Symphonieorchester in ver­schie­den­sten Ländern, getra­gen von einer kul­tu­rel­len Verantwortung, unse­rer mensch­li­chen Gesellschaft gegen­über ihre Aktivitäten aus­wei­ten, kann man dies sicher nicht mit finan­zi­el­len Mitteln begrün­den, die reich­li­cher flies­sen als in der Schweiz. Das BSO steht an einem Scheideweg: Entweder wird es in sei­ner wei­te­ren Aufbauarbeit tat(finanz)kräftig unter­stützt, oder es muss ohn­mäch­tig zuschau­en, wie Erreichtes durch fata­le Sparmassnahmen zer­stört wird.

Es ist kei­ne Schicksalsfrage, die feder­füh­ren­den Politikerinnen und Politiker haben es in der Hand: Mehr als berech­tig­ter Aufstieg in die Kategorie Zentrum Paul Klee, Kunstmuseum und Ballenberg, oder Abstieg in die Anonymität.

ensuite, November 2010

 

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