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Danke Sandro Wiedmer

Von Karl Schüpbach – Interview mit Sandro Wiedmer: Angesichts der enor­men Vielfalt von Berufen ist es nicht ver­wun­der­lich, dass wir dies­be­züg­lich über Wissenslücken stol­pern. Das kann dazu füh­ren, dass wir kei­ne Ahnung haben wor­über ein Mensch spricht, wenn er sich über sei­ne beruf­li­che Arbeit äus­sert. Hier kann nur Nachfragen hel­fen, unse­re Informationslücken zu über­brücken…

Genau dies ist die Zielsetzung mei­nes Interviews: Sandro Wiedmer arbei­tet als Korrektor beim Kulturmagazin ensuite. Wenn man Sie nun fra­gen wür­de, lie­be Leserinnen und Leser, was genau die Arbeit von Herrn Wiedmer beinhal­tet, wären Sie in der Lage, umfas­send zu ant­wor­ten?

Karl Schüpbach: Herr Wiedmer, wie wird man Korrektor? Ist das ein geschütz­ter Beruf?

Sandro Wiedmer: Früher war die Tätigkeit des Korrektoren eng Verbunden mit der­je­ni­gen der Schriftsetzung und Drucklegung, der Korrektor war oft der letz­te, der ein Manuskript vor der Drucklegung über­prüf­te, und bis heu­te gehört sein Beruf in den Bereich der Druckvorstufe und des gra­fi­schen Gewerbes. Es gibt Kurse und Prüfungen, einen eid­ge­nös­si­schen Fachausweis für KorrektorInnen. Allerdings ist der Berufszweig eher sel­ten gewor­den, sei­ne Aufgaben über­neh­men Computerprogramme, das Lektorat oder der Schlussredakteur.

Angenommen, ein neu­er Artikel für die näch­ste Ausgabe ensuite flat­tert auf Ihren Schreibtisch, was genau pas­siert nun mit dem Manuskript?

Die Artikel für das neue Heft erhal­te ich bereits im Layout, all­fäl­li­ge Korrekturen füge ich direkt in die gestal­te­ten Seiten ein. Meine Arbeit beginnt also erst, wenn ein Grossteil des Inhalts bereits vor­han­den ist.

Ihr eige­nes Wissen, das Rechtschreibe-Programm, der Duden stel­len wohl Ihre Hilfsmittel dar. Gibt es noch ande­re Wege, sich der Orthographie eines Textes anzu­nä­hern?

Da ich viel in eng­li­scher Sprache lese benut­ze ich manch­mal den Umweg, Wörter, Synonyme oder Redewendungen über einen Online-Diktionär zu über­prü­fen oder zu fin­den. Manchmal braucht es auch ganz ein­fach Phantasie um her­aus­zu­fin­den, was ein Autor oder eine Autorin sagen woll­te.

Rechtschreibe-Fehler kor­ri­gie­ren Sie in eige­ner Verantwortung. Welches sind Ihre Möglichkeiten zu reagie­ren, wenn Sie auf kras­se inhalt­li­che Fehl-Aussagen stos­sen?

Etwas, was zum Glück sel­ten vor­kommt, und wenn, dann neh­me ich Rücksprache mit der Redaktion, wenn mög­lich direkt mit der Autorenschaft bevor ich eine inhalt­li­che Korrektur anbrin­ge.

Schildern Sie uns doch bit­te den Weg, der Sie ins Kultur-Magazin ensuite geführt hat.

Auf die Frage hin als alter Bekannter von Lukas Vogelsang, was ich vom ensuite – kul­tur­ma­ga­zin hal­ten wür­de, beklag­te ich mich über das oft­mals schlech­te Deutsch: Es war gera­de der Zeitpunkt, als er auf der Suche war nach einem neu­en Korrektorat.

Eine Frage, die auch beson­ders inter­es­siert: soeben habe ich die neue Ausgabe von ensuite durch­ge­blät­tert, und ich gehe davon aus, dass die beacht­li­che Anzahl von Artikeln vor Ihrer kri­ti­schen Beurteilung der Rechtschreibung bestehen muss­te. Wie muss man sich den durch­schnitt­li­chen Zeitaufwand für die­se Arbeit vor­stel­len?

Ich bin jeweils acht bis zwölf Stunden damit beschäf­tigt, bei umfas­sen­den Nummern auch schon ein­mal etwas mehr.

Wie steht es mit dem sozia­len Aspekt Ihres Berufes in Bern? Zur Verdeutlichung: der Beruf einer Orchestermusikerin, eines Orchestermusikers in unse­rer Stadt läuft unter «sehr fer­ner lie­fen»?

Das ist wohl nicht nur in Bern so: Am mei­sten Ansehen genoss der Berufsstand, als noch lan­ge nicht alle Menschen der Sprache, des Lesens und Schreibens mäch­tig waren. Vielleicht ist es ja auch so, dass des­halb sei­ne Wertschätzung wie­der zuneh­men wird?

Sie ste­hen nicht im Solde der Magazine «Bilanz» oder «Finanzwelt». Daraus lei­te ich ab, dass Inhalte wie Vorherrschaft des Geldes, «freie» Marktwirtschaft, Profitdenken nicht Ihre Themen sind. Wenn Sie aber in der Kulturpolitik unse­res Landes tätig sind, der ein­zig noch mög­li­chen Alternative, so drängt sich die Frage auf: wel­ches wäre das Resultat, wenn Sie an der Kulturpolitik der Schweiz, ins­be­son­de­re der Bernischen, den roten Korrekturstift anset­zen könn­ten?

Von jeman­dem, der bemüht ist die Regeln der Sprache hoch zu hal­ten, mag es über­ra­schen zu hören, dass ich mir weni­ger Regulierungen wün­schen wür­de, weni­ger Papier und mehr Taten.

Abschliessend möch­te ich mich sehr herz­lich für die­ses Gespräch bedan­ken. Aber nicht nur das: Sie wis­sen, dass auch ich mit Artikeln regel­mäs­sig für ensuite arbei­te. Es ist für mich sehr beru­hi­gend zu wis­sen, dass mei­ne Artikel vor ihren Erscheinen in der anste­hen­den Nummer von ensuite, dem gestren­gen Auge Ihrer Korrektor-Arbeit stand­hal­ten müs­sen.

Foto: zVg.
ensuite, Mai 2012