Von Sonja Wenger – Schlicht gezeichnet, aber sinnlich und musikalisch eine Perle: Es ist nicht vermessen, die animierte Liebesgeschichte von «Chico & Rita» als Geheimtipp des Sommers zu bezeichnen.
In Rückblicken wird die Geschichte der beiden Titelfiguren erzählt, und dabei gleichzeitig eine visuelle und musikalische Reise in die vierziger und fünfziger Jahre nach Havanna, New York, Las Vegas und Hollywood unternommen. Chico ist ein begabter Pianist und Liederschreiber im vorrevolutionären Kuba. Rita verbindet als Sängerin eine umwerfende Stimme mit ihrem betörenden Hüftschwung. Sie sind gemacht füreinander und wenig erstaunt es, dass sie sich kopfüber in eine amour fou stürzen.
Doch kein perfektes Lied ohne Dissonanz. Chico hat selbst Mühe mit dem Konzept Treue und Nüchternheit, wird jedoch – meist grundlos – von Eifersucht zerfressen, wenn Rita an ihrer Karriere als Sängerin arbeitet. Dadurch treibt er Rita in die Arme eines Mäzenen und aus dem Land, um ihr in den folgenden Jahren doch immer aufs Neue zu begegnen, und ihr eins ums andere Mal das Herz zu brechen. Ihre Liebesgeschichte wird Jahrzehnte dauern und von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt alles verschmelzen, was das Kaleidoskop von Leidenschaft und Eifersucht hergibt, stets unterlegt mit sublimem Jazz und süffiger Latino-Musik von Tito Puente und dem legendären Bandleader Bebo Valdés.
Der spanische Regisseur Fernando Trueba erhielt 1992 für «Belle Epoque» den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Zusammen mit dem Designer Javier Mariscal hat er eine stilvolle Hommage an Kubas Musik und ihren Einfluss in jener Zeit geschaffen. Erstaunlich ist zudem, wie gut die groben Bilder meistens funktionieren. Lange scheint es her, dass sich ein Animationsfilm in voller Spielfilmlänge und mit derart komplexem und explizitem Inhalt einer solch einfachen, fast rohen Bildsprache bedient hat wie «Chico & Rita». Farben werden nur sparsam eingesetzt, das Bild verfügt über wenig Tiefenschärfe, und die Gesichter verfügen kaum über Mimik. Dies ist dann auch einer der wenigen Kritikpunkte, da der Film trotz allem oft mit Nahaufnahmen arbeitet. Doch auch wenn viele Gefühlsspiele von der Animationstechnik verschluckt werden, vermag es der Film souverän, die Atomsphäre jener Zeit zu erfassen und einem den Rhythmus in die Hüften zu zaubern.
«Chico & Rita». Spanien/Britannien 2010. Regie: Fernando Trueba. Länge: 89 Minuten. Ab 4. August in Deutschschweizer Kinos.
Foto: zVg.
ensuite, August 2011