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Brexit, Chexit, Öxit?

Von Patrik Etschmayer - Das Verlassen von Europa ist irgend­wie schwie­ri­ger als so man­che den­ken. Dies zeigt sich sowohl am bri­ti­schen Eiertanz, als auch am hel­ve­ti­schen Gechnorze, wobei wir ja mit dem Europa ver­las­sen schon Mühe haben, obwohl wir nicht mal dabei sind. Lustig, wenn unter­des­sen in Österreich über den Öxit nach der Bundespräsidentenwahlwiederholung getu­schelt wird, soll­te der FPÖ-Hofer gewin­nen.

Theresa May lässt kei­nen Zweifel dar­an: Grossbritannien geht raus aus der EU, es wer­de kein zwei­tes Referendum geben (obwohl, das wäre dann das drit­te, denn auch der Beitritt wur­de mit Referendum beschlos­sen, damals in den 70ern), kein Ignorieren des mit Lügen des Pro-Lagers her­bei­ge­führ­ten Austritts-Beschlusses, kein zurück-peda­lie­ren.

Von dem her sag­te May nur ganz klar, was sie nicht machen wer­de. Doch ver­riet sie nicht, wie sie aus­tre­ten wer­de, wel­che Kompromisse sie ein­ge­hen wer­de, um mög­lichst viel Schaden von Großbritannien abzu­wen­den. Ihr – begreif­li­ches – her­um­ge­eie­re ist dabei momen­tan sogar posi­tiv: Durch die damit ein­her­ge­hen­den Verunsicherung ist das bri­ti­sche Pfund auf eine für den Tourismus und die Exportindustrie will­kom­me­nen Tauchfahrt gegen­über ande­ren Währungen gegan­gen. Doch soll­te sich die Spekulations-Linie umdre­hen, könn­te die­ser Kurzzeitsegen sich in einen Fluch ver­wan­deln, noch bevor das Jahr um ist und May muss immer noch einen gang­ba­ren Weg raus aus der EU zei­gen.

Dass Sie sich – in die­ser gan­zen Unsicherheit – gegen Neuwahlen aus­spricht, ist aus poli­ti­scher Sicht durch­aus nach­voll­zieh­bar, doch ihre Behauptung, die­se kämen nicht in Frage, weil kla­re Verhältnisse herr­schen müss­ten, kommt im Angesicht ihres Eiertanzes mehr als nur ein wenig iro­nisch her­über.

In der Schweiz hat­te seit der Brexit-Abstimmung bei man­chen die absur­de Hoffnung geherrscht, dass der Brexit die Position der Schweiz stär­ken wür­de. Dabei war es schon vor­her für die Realisten klar: ein Brexit-Ja wäre für die Schweiz ein Desaster, der Bewegungsraum wür­de wesent­lich enger wer­den, denn die Logik ist klar: Ein Austritt aus der EU muss den Austretenden gegen­über Nachteile brin­gen, die weh tun sol­len. Nicht all­zu sehr. Aber eben doch.

Und wir Schweizer bekom­men dabei sicher nicht einen bes­se­ren Deal, auf den sich dann die Briten beru­fen könn­ten. So sit­zen wir mit die­sen zwar nicht im sel­ben Boot. Aber unse­re Boote sind mit einem Seil ver­bun­den und wenn die EU eines die­ser Boote über einen Wasserfall run­ter schubst, dann wird das ande­re unwei­ger­lich Folgen.

Und der EU-Standpunkt ist logisch: Wer Verträge auf­kün­digt, steht danach gegen­über sei­nem Partner wie­der auf dem Feld eins. Es ist dabei unwich­tig, ob die EU blö­de oder eine Fehlkonstruktion und in der EU-Kommission lau­ter Idioten sit­zen: Es ist nun mal so, dass jene, die ein­sei­tig Verträge bre­chen oder von Ihnen zurück­tre­ten, vom Vertragspartner kein gros­ses Entgegenkommen ver­lan­gen kön­nen.

Oder ver­su­chen Sie doch mal, Ihre Wohnungsmiete ein­sei­tig zu redu­zie­ren, nur weil sie ihr Kellerabteil nicht benut­zen und des­halb dafür nichts mehr zah­len wol­len. Oder noch bes­ser: Kündigen Sie ein­sei­tig den Mietvertrag und schicken Sie dem Vermieter einen selbst for­mu­lier­te Vertrag zu und for­dern Sie ihn auf, die­sen gefäl­ligst gegen­zu­zeich­nen.

Wenn nun vor die­sem Hintergrund in Österreich von der FPÖ (das ist in etwa die SVP, ein­fach mit Gabalier statt der Jordi) der Öxit (ok, das sieht wenig­stens spa­ßig aus) im Zusammenhang mit der zu wie­der­ho­len­den Bundespräsidentenwahl aufs Tapet gebracht wird, kann man getrost davon aus­ge­hen, dass hier – bis zu einem für Großbritannien oder der Schweiz posi­ti­vem Ausgang – gar nichts pas­sie­ren wird. Wenn zwei schon im Minenfeld rum­tram­peln ist es wesent­lich ein­fa­che, noch etwas zuzu­war­ten.

Von dem her sind die Anti-EU-Bewegungen in vie­len EU-Ländern weder für die Briten noch für die Schweiz posi­tiv: Denn um die­sen Bewegungen den Wind aus den Segeln zu neh­men muss die EU bewei­sen, dass ein Austritt aus oder ein sich weg­wen­den von der EU vor allem Nachteile bringt.

Falls Frau May also glaubt, dass auf Zeit zu spie­len, etwas brin­gen wird, so könn­te sie sich irren. Doch Sie hat einen Vorteil: Im Gegensatz zu den Schweizern hat sie kein Stichdatum für den Zeitpunkt des Austrittes, bezie­hungs­wei­se das Kündigen der Verträge. Und wenn Theresa May cle­ver ist, war­tet sie ein­fach genug lan­ge dar­auf um zu sehen, was wir Schweizer für eine Abreibung bekom­men, wenn wir die Personenfreizügigkeit ein­sei­tig auf­kün­di­gen wer­den und die EU mit einem Inländervorrang ‹light› zu besänf­ti­gen ver­su­chen, ohne die Initianten auf den näch­sten Baum zu trei­ben. Dann könn­te May ent­we­der die Schweizer Lösung kopie­ren oder doch noch­mal ein Brexit-Referendum star­ten. Je nach dem und im letz­te­ren Fall, ein­fach um ganz sicher zu gehen.