(Anna-Daria Kräuchi) – Bone – Knochen, das klingt existenzialistisch, nackt und provokant. Bone, das ist der Titel des Festivals für Aktionskunst / Performance Art, das dieses Jahr vom 4. – 9. Dezember in Bern zum fünfzehnten Mal stattfindet. Während sechs Tagen werden im Schlachthaus Theater, in der Stadtgalerie und im Kulturpunkt im Progr Performances und Installationen nationaler und internationaler Künstler zu sehen sein.
Fokus Bern
Ein erster Programmschwerpunkt des Festivals wird der 2005 verstorbene Berner Künstler Carlo E. Lischetti sein, dessen Kunst und Leben in den drei Räumen der Stadtgalerie auf unterschiedliche Weise beleuchtet wird. In der Ausstellung «Der Gegenwart – Die Gegenwart» sind Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums zu sehen, die in einem kleinen Rahmen sein Arbeiten umreissen. In einem zweiten Raum scheint die Präsenz des Künstlers beinahe greifbar. Hier erhält man einen Einblick in den Schnittplatz des Filmemachers Bernhard Nick, der an einem Dokumentarfilm über Lischetti arbeitet. In einer Ecke steht ein Kühlschrank, der Freunde und Bekannte zu Diskussionen anstimmen soll. Und schliesslich reagieren in einem dritten Teil verschiedene junge Künstlerinnern und Künstler (darunter Garrett Nelson, Sarah Bernauer, San Keller, Anne Rochat und Nino Baumgartner) auf Lischetti und seine Arbeit. Bern rückt dieses Jahr aber nicht nur in Form von Künstlerportraits ins Blickfeld des Festivals. In verschiedenen Performances wird auf die Stadt als Raum eingegangen, stadtpolitische Themen wie die Berner Lärmschutzgesetzte der letzten Jahrhunderte thematisiert und an Samstag findet im Lehrerzimmer im Progr die Buchvernissage des Berner Almanach „Performance“ und «Tanz» statt, in dem Berns rege Performancegeschichte gezeigt wird.
Einen zweiten Themenschwerpunkt widmet das Festival Norbert Klassen, dem Gründer und dreizehn Jahr langen Leiter des Festivals, der letztes Jahr verstarb. «Norbert Klassen schimmert an dem Festival durch, aber wir wollen kein grosses Memento Mori», sagt Valerian Maly, der letztes Jahr zusammen mit Peter Zumstein die künstlerische Leitung übernommen hat. Diese Vorhaben ist mit der Portraitinstallation «Einatmen – Ausatmen» des langjährigen Weggefährten und Freunds von Norbert Klassen Vollrad Kutscher wirklich gelungen. Im Kulturpunkt im Progr zeigt eine von insgesamt 144 Terrakotta Masken den Künstler in typischer Hand-ans-Kinn Haltung. Im Hintergrund ist das Gesamtwerk als Videoinstallation zu sehen und die Stimme des Künstlers, atmend und flüsternd, hängt über dem Raum. Ein berührendes, eindrückliches Andenken.
Ein spannungsreiches Feld
Das Festival bewegt sich in einem spannungsreichen Bereich der Kunst. Flüchtig, auf den Moment bezogen und nur in ihm und mit den Zuschauern seine volle Wirkung entfaltend, das ist Performancekunst. «Seit der Gründung des Festivals vor 15 Jahren ist alles etwas komplizierter und professionalisierter geworden.» Sagt Valerian Maly. So liegt denn dieses Jahr auch zum ersten Mal ein Programmheft zum Festival vor. Ein schwieriges Unterfangen, bei einer Kunst deren Reiz gerade darin liegt, dass man nicht weiss, was kommt. Wie viel darf, soll verraten werden? Inwiefern soll die Neugierde des Publikums geweckt und dürfen keine falschen, oder gar keine Erwartungen kreiert werden? «Die Performancekunst ist in der letzten Zeit zu einem Hype geworden.» Findet Maly. «Das wird zu einem Problem wenn Relikte zu Reliquien werden, denn die Kunst sollte nie nur ein Spektakel sein.» In dieses Spannungsfeld fliesst auch die zunehmende Schwierigkeit, die Performancekunst vom Postdramatischen Theater abzugrenzen, denn immer mehr verwischen diese Grenzen und machen eine eindeutige Zuordnung unmöglich. Dies bietet viel Stoff zu Diskussionen und so werden denn während des Festivals nicht nur Performances gezeigt sondern auch verschiedene Plattformen für Gespräche und Reflexionen geschaffen. So etwa in Bucky‹s classroom, in dem die gezeigten Performances besprochen werden können, oder beim Gespräch von Gerhard Johann Lischka und seinen drei Weggefährten Raoul Marek, Jürgen Klauke und Vollrad Kutscher. Nicht zuletzt ist die Performancekunst an sich und ihre Position auch Thema des Symposiums „Zuschauer zu Zeugen machen“ vom Samstag dem 8. Dezember. Was geschieht wenn der Zuschauer in eine neue Rolle gezogen wird? Vom blossen Beobachter zu einem aktiven und unentbehrlichen Teil der Kunst, zum Zeugen wird?
Bone 15 wird ein Festival sein, das sich an Altes erinnert und es neu reflektiert, das viele Fragen aufwirft und viel Fragen offen lässt. Schliesslich wird es aber ein Festival sein bei dem man trotz Programmheft nicht genau wissen kann und darf, was auf einen zukommt.
Für weitere Informationen zum Festival und den Künstlern: www.bone-performance.com
Bild: Carlo E. Lischetti

