- ensuite | kulturagenda | enBlog - https://ensuite.we-are.gmbh -

Black is beau­tiful

Von Simone Weber – An der Olympiade der Kleiderfarben steht Schwarz seit lan­ger Zeit unan­ge­foch­ten auf dem Siegertreppchen. Mit sei­nen ein­zig­ar­ti­gen, her­vor­ra­gen­den Eigenschaften über­zeugt es die Menschheit seit Jahrzehnten. Warum ist Schwarz in unse­rer Gesellschaft als Kleiderfarbe so wahn­sin­nig beliebt? Physikalisch betrach­tet han­delt es sich bei Schwarz um eine Nicht-Farbe, die alle Farben absor­biert und nichts nach aus­sen abgibt. Greifen wir folg­lich, wenn wir uns in Schwarz hül­len, unbe­wusst das Thema der Abgrenzung auf? Nimmt es viel­leicht sogar eine Art Schutzfunktion ein, wie ein Schild, das uns von allem Bedrohlichen und Beängstigendem fern­hält? In Schwarz steckt ein Ausdruck des Nicht-Angepasstseins, der Rebellion und damit ein­her­ge­hend eine Form der Individualität. Besonders Jugendliche im Teenager-Alter bevor­zu­gen schwar­ze Kleidung. Sie drücken damit die Opposition gegen Autoritäten in ihrem Umfeld aus und ver­lei­hen ihrer Aggression Ausdruck. Die far­big-fröh­li­che Kindermode wird im Pubertätswahn in einen Sack gesteckt und auf Nimmerwiedersehen in die gros­se wei­te Welt geschickt.

Auch im Universum der Erwachsenen über­wie­gen oft die schwar­zen Teile im Kleiderschrank. Dies ver­wun­dert nicht, passt Schwarz doch her­vor­ra­gend in unse­rer Gesellschaft, wo Funktionalität, Sachlichkeit, Härte und vor allem Coolness sehr ange­sagt sind. Emotionalität ist ver­pönt, denn wer Gefühle zeigt ist schwach – ein rie­si­ger Trugschluss, der jedoch ins Fundament unse­res Systems ein­be­to­niert ist.

Die dun­kel­ste aller Farben hat aber auch ganz prak­ti­sche Seiten. Wir kön­nen in einem schwar­zen T‑Shirt beru­higt Tomaten-Spaghetti schlür­fen, uns auf war­me, feuch­te Wiesen legen und unbe­sorgt knall­ro­ten Lippenstift tra­gen. Abstossende Schweissflecken unter den Achseln sind in schwar­zen Ärmeln unsicht-bar, und beim Waschen wird das gute Ding nicht zu einem schmud­del­far­bi­gen Irgendwas. Beliebt ist es auch bei den Kollegen aus dem Farbenkreis. Schwarz bringt Blau, Grün, Gelb zum Leuchten und tritt dafür selbst in den Hintergrund. Den bewun­derns­wer­ten Status als Kleiderfarbe schlecht­hin hat sich Schwarz dank sei­ner fabel­haf­ten Attribute, sei­ner unge­heu­ren Vielfältigkeit und Beständigkeit mei­ner Meinung nach mehr als ver­dient. Mit sei­ner vor­neh­men Distanziertheit ist es unbe­strit­ten die ewi­ge Trendfarbe auf den Strassen der west­li­chen Welt. Und zuge­ge­ben: Es gibt kein Kleidungstück, das in Schwarz nicht gut aus­se­hen wür­de! Schuhe, Röcke, Jeans, Anzüge, Taschen, simp­le Shirts, Dessous, Lederjacken und Hüte in diver­sen Formen – allem ver­leiht Schwarz allem einen Hauch ver­ruch­ter Eleganz. Ob puri­stisch, avant­gar­di­stisch, düster, roman­tisch, wild oder ver­spielt – Schwarz ist in jedem Winkel modi­scher Vielfalt ver­tre­ten.
Schwarz fas­zi­nier­te schon Coco Chanel in den 20er-Jahren. Sie erkann­te das Potenzial der Farbe, die damals über­wie­gend Witwen und ver­hei­ra­te­ten Frauen vor­be­hal­ten war. Mit ihrer Kreation des «Kleinen Schwarzen» über­nahm sie des­halb eine Trendsetterfunktion und löste in der Mode eine Revolution aus. Dieses legen­dä­re Kleid war schmal geschnit­ten, ohne Taille und über­deck­te gera­de Mal das Knie – für die­se Zeiten sehr gewagt! Heute ist es ein Klassiker, eine Allzweckwaffe für alle Frauen, die nicht wis­sen, was sie anzie­hen sol­len. Es besticht durch sei­ne Schlichtheit und Ele-ganz, ist zeit­los und passt zu jedem Anlass. Im klei­nen Schwarzen kann frau ins Theater, ins Büro oder auf einen Bummel in die Stadt. Das «Kleine Schwarze» besticht durch sei­nen klas­si­schen Stil, und wie Chanel es selbst aus­drück­te, ist Stil – im Gegensatz zur Mode – nie-mals ver­gäng­lich.

Ohne Schwarz hält es die Mode nicht aus, weder in Tokio noch in New York, Mailand oder Paris. Schwarz ist über­all. Auf den Laufstegen gros­ser Modemetropolen hält sich die Farbe von Saison zu Saison. Grosse Designer wie Hugo Boss und Karl Lagerfeld schwö­ren auf Schwarz und ver­wen­den es in ihren Kollektionen. Nur die­se eine Farbe kann Materialien und Formen so schön prä­sen­tie­ren, denn sie stellt sich nie­mals in den Vordergrund. Schwarz setzt har­te Grenzen und betont Konturen, unter­streicht somit die Form anstatt davon abzu­len­ken.

Keine ande­re ver­sprüht eine der­ar­ti­ge Eleganz, ist so sim­pel kom­bi­nier­bar und zeit­los wie Schwarz. Nein, Schwarz ist nicht bloss irgend­ei­ne Farbe, es ist DIE Modefarbe schlecht­hin. Schwarz ist sen­si­bel, Schwarz ist dra­ma­tisch, ist anmu­tig, ist ein­zig­ar­tig. Es beinhal­tet gleich­sam Strenge, Macht, Magie und Autorität. Längst steht es nicht mehr nur für die Demut der Trauernden in der west­li­chen Zivilisation und die dunk­len Seiten des mensch­li­chen Daseins. Schwarz will nicht in den Topf des Bösen und Bedrohlichen gewor­fen wer­den, denn Schwarz hat auch eine fei­ne, wei­che und sinn­li­che Seite! Wer sonst wür­de sei­nen Sieg so wür­dig ver­tre­ten wie die­se Farbe, die eigent-lich gar kei­ne ist.

ensuite, März 2010