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Beim Fafnie! Asterix und Obelix sind wie­der da

Von Julia Richter - Zum ersten Mal seit 1959 wur­de eine Asterix-Ausgabe von neu­en Autoren kre­iert. Das Resultat «Asterix bei den Pikten» kann sich sehen las­sen.

«Man hat irgend­wie ein komi­sches Gefühl, wenn man sei­ne eige­nen Kinder bei ande­ren in Obhut gibt», sag­te Albert Uderzo kurz vor der Veröffentlichung des neu­en Asterixbandes gegen­über ntv. Nach 54 Jahren hat­te er die Verantwortung für «sei­ne Kinder», die zau­ber­trank­ge­stärk­ten und unbe­sieg­ba­ren Gallier abge­ge­ben: Der Ende Oktober 2013 erschie­ne­ne Band «Asterix bei den Pikten» wur­de von neu­en Autoren, dem Szenaristen Jean-Yves Ferri und dem Zeichner Didier Conrad kre­iert.

Der Erwartungsdruck vor dem Erscheinen des fran­zö­si­schen Exportschlagers war rie­sig. Doch die neu­en Autoren hal­ten die­sem Druck im Grossen und Ganzen Stand: Im 35. Asterix-Album lie­fern sie soli­des Handwerk, und ori­en­tie­ren sich dabei an alten Asterix-Ausgaben – aus Zeiten, als der ursprüng­li­che und ori­gi­nel­le Asterix-Texter René Goscinny noch leb­te.

Daran tun die bei­den gut. Denn seit dem Tod Goscinnys im Jahre 1977 hat­te Uderzo sich allein um Text und Bild des Comics geküm­mert. Mit einem mitt­le­ren bis schlech­ten Resultat.

Popsong-Tourette-Syndrom Dieses Mal rei­sen Asterix und Obelix also zu den Pikten (wie die Römer die Schotten nann­ten). Und das Anknüpfen an alt­be­kann­te (und bewähr­te) Muster beginnt:

Es gibt ein Problem, das gelöst wer­den muss. Und zu die­sem Zweck müs­sen Asterix und Obelix eine Reise antre­ten.

Das Problem heisst im neu­en Comic Mac Aphon, der, zu Eis erstarrt, am Strand des unbeug­sa­men gal­li­schen Dorfes ange­spült wird. Der täto­wier­te (Pikten = lat. Die Bemalten) und in einen Schottenrock geklei­de­te Mann kann zwar auf­ge­taut wer­den, spre­chen kann er jedoch vor­erst nicht. Stattdessen lei­det er an einer ans Tourette-Syndrom ange­lehn­ten Sprachstörung, die ihm statt Schimpfwörtern Popsong-Fragmente aus dem 20. Jahrhundert ent­fah­ren lässt. Klar ist trotz «Obladii Obladaa» und «Jingle Bells» gleich zu Beginn: Der Pikte braucht die Unterstützung der Gallier.

Das Recht auf Asyl ist «kein lee­res Versprechen» Und nie haben die Gallier den­je­ni­gen, die es schwer haben, die Hilfe ver­wei­gert. Sie unter­stüt­zen fast alle, die sich im Kampf gegen die Römer enga­gie­ren. Die Sympathie für die­ses klei­ne Volk, das eine Art David gegen einen impe­ria­li­sti­schen Goliath ver­kör­pert, bleibt unge­bro­chen. In «Asterix bei den Pikten» kommt auch in Bezug auf die Gastfreundschaft eine poli­ti­sche Dimension ins Spiel. So betont der gal­li­sche Häuptling Majestix gegen­über Mac Aphon, dass für die Gallier das Recht auf Asyl «kein lee­res Versprechen» sei. Allerdings wer­den die mar­ki­gen Worte schnell wie­der rela­ti­viert, als die Frauen des Dorfes gros­sen Gefallen am Neuling fin­den.

Es wird also Zeit, dass Asterix und Obelix ihre Reise antre­ten und den Pikten in sei­ne Heimat, nach Schottland brin­gen. Idefix muss die­ses Mal zuhau­se blei­ben, da er «zu klein ist für die wei­te Reise». Doch abge­se­hen davon müs­sen die Leser trotz der neu­en Autoren nicht auf alte Traditionen ver­zich­ten. Selbstverständlich sind die Römer prä­sent. Auch die Piraten um den rot­haa­ri­gen Kapitän und sei­nen ein­bei­ni­gen Seemann (deren Versuch, mit «unbe­tei­lig­ten Gesichtern» an den Galliern vor­bei­zu­se­geln auch die­ses Mal nicht fruch­tet) dür­fen nicht feh­len.

Und sogar die Rolle des Idefix fin­det spä­ter wür­di­gen Ersatz: Durch Fafnie, einen Vorfahren des berühmt-berüch­tig­ten Ungeheuers von Loch Ness. Das treu­doo­fe und «unge­heu­er ver­spiel­te» Tier ist ein Highlight der neu­en Asterix-Geschichte.

Fehlende Subtilität Natürlich sind in der neu­en Asterix-Ausgabe auch alt­be­kann­te Parodien lan­des­ty­pi­scher Gepflogenheiten zu fin­den: Baumstammwerfen und Dudelsäcke wer­den eben­so the­ma­ti­siert wie die Zerstrittenheit ver­schie­de­ner Clans in Schottland. Hier las­sen es Ferri und Conrad aller­dings an Subtilität feh­len. So wer­den die Schotten zu Kriegs- und Whiskey-affi­nen Hinterwäldlern sti­li­siert, die nicht viel mehr tun, als sich gegen­sei­tig Baumstämme über den Kopf zu hau­en.

Sehr gut gelun­gen ist Ferri und Conrad dage­gen eine neue Figur, deren Verhalten sich slap­stick­ar­tig durch die Geschichte zieht: Der römi­sche Volkszählungsbeauftragte Publius Plusminus, der die «ent­le­gen­sten Provinzen» durch­streift um alle Bewohner zu regi­strie­ren, und dabei auch im bekann­ten gal­li­schen Dorf lan­det. Plusminus wird sämt­li­chen Klischees eines Bürokraten gerecht: er tut nichts als Befehle zu befol­gen, und ist nach eige­nen Angaben bekannt für sei­nen «Mangel an Eigeninitiative».

Fafnie und Plusminus zei­gen: Ferrier und Conrad haben humo­ri­sti­sches Potential, das es einem erlaubt, sich auf wei­te­re Bände der neu­en Autoren zu freu­en. Dass sich der neue Band durch­aus sehen lässt, soll­te dem Asterix-Übervater Uderzo nun auch zei­gen, dass Loslassen, auch wenn es um die eige­nen Kinder geht, manch­mal nicht die schlech­te­ste Option ist.

Jean-Yves Ferri und Didier Conrad: «Asterix bei den Pikten», aus dem Französischen von Klaus Jöken, Egmont Ehapa Verlag.

Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2013