Von Konrad Weber – «Wir waren begeistert vom Erfolg», meint Benedikt Reising, Mitbegründer der Berner Jazzwerkstatt, beim Sinnieren über die letztjährige Ausgabe seines Festivals. Damals traten 69 kreative Köpfe an 15 Konzerten in der Cinématte auf. «Die Konzerte fanden im Kinosaal statt und dieser war fast an jedem Abend überfüllt», erinnert sich Reising. Für die diesjährige Ausgabe habe man sich deshalb auf die Suche nach einem neuen Austragungsort gemacht und mit dem Progr und der Turnhalle den perfekten Ort gefunden, um das Festival der «Jazzwerkstatt» ein zweites Mal stattfinden zu lassen.
Zu diesem Festivalkonzept haben sich der Sänger Andreas Schaerer (Hildegard lernt fliegen) und die beiden Saxophonisten Marc Stucki (Stucki/Meili/Pfammatter) und Benedikt Reising (Die Pilze) in Wien von einem sechsköpfigen Musikerteam inspirieren lassen. Und die Idee gelang, das Festival konnte auch in der Schweiz auftrumpfen: «Um die österreichische Version der Jazzwerkstatt live mitzuerleben, wurden ‹Die Pilze› im 2007 nach Wien eingeladen. Im Gegenzug treten nun auch Bands aus Österreich in Bern auf», erklärt Benedikt Reising.
Den drei Initianten ging es bei ihrer Lancierung in Bern hauptsächlich um das Überbringen der Jazzfreude. «Jazz hat noch immer ein verstaubtes Ansehen und wird mit schlechten Vorurteilen überhäuft», erklärt Reising weiter. «Trotzdem wollen wir an unserem Festival keine Abstriche an der Musik vornehmen oder gar den Jazz in Pop abändern. Dem Publikum wird einiges zugetraut, aber auch einiges abverlangt. Mit unserem Festivalkonzept haben wir vielmehr die Verpackung dieses Musikstils geändert.»
Bereits im vergangenen Jahr war die Berner Jazzwerkstatt eine Plattform für Neuentdeckungen; ein MySpace mit realem Publikum sozusagen. Eigens für das Festival werden vier Uraufführungen komponiert und einige Bands neu zusammengestellt. «Wir dürfen an jedem Abend einer kleinen Geburt beiwohnen», erklärt Benedikt Reising stolz. Bereits während den Nachmittagstunden wächst das Baby im Bauch, respektive im Untergeschoss der Turnhalle, an öffentlichen Proben. Auf diese Weise macht die Band für sich selbst und das darauffolgende Konzert am Abend aufmerksam. «Das schönste Ereignis war, als wir im letzten Jahr eine ganze Schulklasse an einer Probe begrüssen durften. Viele Schulkinder kamen damals zum ersten Mal mit Jazz in Berührung», erinnert sich Reising.
Doch die Jazzwerkstatt kann und will nicht nur Plattform sein. So entstand nach der letztjährigen Durchführung in der Öffentlichkeit eine Diskussion, ob die Konzerte auch in Zukunft gratis aufgeführt werden könnten. Einige Zuhörer argumentierten, dass Musik nichts kosten dürfe. Schliesslich sei die meiste Musik auch im Internet gratis. Andere argumentierten, Musiker bräuchten einen fairen Lohn und für Livemusik müsse ebenfalls ein fairer Preis gezahlt werden. Die drei Organisatoren hatten sich ihre Meinung schnell gebildet und wollten ihr Festival nicht einem Lohndumping gleichkommen lassen. Die Turnhalle sei fast an jedem Abend mit jungen Leuten gefüllt, meint Benedikt Reising. «Wir möchten nun jenen Besucherinnen und Besuchern den Vortritt lassen, welche auch wirklich auf Grund der Musik in die Turnhalle kommen. Deshalb haben wir uns auf einen mehrheitsfähigen Preis geeinigt.» Man müsse der Arbeit der Musiker eine finanzielle Wertschätzung entgegenbringen, betont Reising.
Das Besondere an der Berner Jazzwerkstatt sind für Benedikt Reising hauptsächlich die vielen Musiker, welche vor dem Festival noch nie zusammen in einer Band gespielt haben: «So erhalten Künstler mit neuen Projekten die Chance, auch ohne Tonträger ihre Musik vorstellen zu können. Dies ist in einem Jazzclub leider nicht möglich.»
Obschon das Organisationskomitee schlussendlich über den Auftritt einer Band entscheide, habe man sich in der Vorbereitungsphase des Festivals in erster Linie als Musiker und nicht als Veranstalter gefühlt, erklärt Reising weiter. «Schlussendlich wollen auch wir selbst mit unseren Projekten auftreten und unseren musikalischen Freunden eine Plattform bieten, sich einem breiten Publikum vorzustellen.» Mit dieser Idee erhoffen sich die drei Musiker in Zukunft die Jazzwerkstatt zu einem eigentlichen Kollektiv ausbauen zu können. Allerdings betont Reising: «Wir sind kein Verein. Vielmehr sind wir ein Netzwerk von Musikern, die Spass an ihrer Musik haben.» Und diese Gefühle wolle man während den kommenden kalten Februartagen in erster Linie dem Publikum überbringen. «Wenn wir mit unserer Musik auch den einen oder anderen Zuhörer begeistern können, der sich bisher nicht für Jazz interessiert hat, so hat sich der ganze Aufwand im Vorfeld gelohnt», schliesst Reising.
Jazzwerkstatt Bern: Donnerstag, 19. Februar, bis Sonntag, 22. Februar, ab 20:00h. Jeweils vier Konzerte in der Turnhalle des Progr. Zudem findet täglich zwischen 14:00h und 18:00h in der Turnhalle eine öffentliche Probe statt.
Info: www.jazzwerkstatt.ch
Bild: Das Jazzwerkstatt-Trio: Andreas Schaerer, Benedikt Reising und Marc Stucki / Foto von Nina Thöni
ensuite, Februar 2009