Ausflüge des Pop

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Von Andy Limacher – Play Patrik: Versatile: Mit dem Zigeuner-Pop der Feet Peals und dem Electro-Pop von Morphologue zieht der Musiker Patrik Zeller seit eini­gen Jahren durchs Land. Unter dem Namen Play Patrik hat der Berner Ende März nun sein erstes Solo-Album «Versatile» ver­öf­fent­licht und setzt dabei auf das, was er am besten kann: Popmusik in sei­nen ver­schie­den­sten Facetten zu zei­gen.

Beim ersten Durchhören von «Versatile» fällt vor allem die Liebe Zellers zu den Achtzigerjahren auf. So erin­nern Rhythmik und Synthesizer von «Our Dreams To Reach» pas­sa­gen­wei­se an The Cure und der Chorus von «Too Shy To Dance» ruft unver­meid­lich Assoziationen mit Depeche Mode her­vor. Hier han­delt es sich um durch­aus gelun­ge­ne Kompositionen, aber erst bei «Eastwest Collaboration» zei­gen sich die wah­ren Qualitäten von Play Patrik: Meine Turnschuhe begin­nen zu leuch­ten, die Sonnenbrille fühlt sich dop­pelt so cool an und in mei­ner Sporttasche befin­den sich nicht mehr lang­wei­li­ge Prospekte, son­dern ein Haufen Geld, den ich gleich einer zwie­lich­ti­gen Gestalt über­ge­ben wer­de. So fühlt sich der Electro-Track an – wie Filmmusik, die dem Handeln des Protagonisten die nöti­ge Wichtigkeit ver­leiht.

Überhaupt schwingt die­ses Filmelement in vie­len Songs mit. Beim Refrain von «My Space» stel­le ich mir die Gastmusikerin Nicole Herzog in einem lan­gen roten Kleid auf der Bühne eines ver­rauch­ten Clubs um die letz­te Jahrhundertwende vor, und der Chorus von «Cool Cat» des Berner Jazz-Sängers Andreas Schärer ruft bei mir erneut Bilder einer Geldübergabe her­vor – die­ses Mal aller­dings in einer dunk­len Seitengasse New Yorks. Hier zeigt sich die gros­se Fähigkeit Zellers, mit sei­nen Arrangements Bilder zu erzeu­gen. Dazu trägt sicher bei, dass der Berner meh­re­re Projekte in den Segmenten Sound Identity und Filmmusik ver­folgt und Komponist bei so unter­schied­li­chen Formationen wie Feet Peals und Morphologue ist. «Die Feet Peals sind mein erstes musi­ka­li­sches Projekt. Als Lernfeld ging es hier vor allem um das Akkordeon und fran­zö­si­sche Texte. Bei Morphologue kann ich mei­ne Electro-Leidenschaft aus­le­ben. Mit Play Patrik woll­te ich den Mut fin­den, etwas ganz eige­nes zu machen und mei­ne Liebe zum Pop zum Ausdruck zu brin­gen», so Zeller.

Diese Liebe zum Pop ist auf «Versatile» als roter Faden durch­wegs spür­bar, ob Zeller nun mit ein wenig Drum’n’Bass («Surfa Intermezzo»), ein biss­chen Swing («I Love You») oder sogar einem Quentchen Ska («Individuality») lieb­äu­gelt. In der Experimentierfreudigkeit mit ver­schie­de­nen Stilen liegt die Stärke des Albums: Die mei­sten Kompositionen wer­den sich auch nach meh­re­ren Zugfahrten und WG-Essen noch als inter­es­sant erwei­sen. Diejenigen Songs aller­dings, die zu stark auf den Pop allein set­zen und mit denen Zeller gleich­zei­tig ver­sucht, den aktu­el­len Indie-Trend auf­zu­neh­men, dürf­ten ihren Reiz schnell ver­lie­ren – hier schwä­chelt «Versatile». Darüber hin­aus sticht einem gera­de bei die­sen Arrangements das noch unge­schlif­fe­ne Englisch in Zellers Texten am mei­sten ins Ohr.

Dennoch geht das Konzept auf. Seit der Generation iTunes-Store gilt es ja, neben den klas­si­schen Album-Hörern auch den neu­en Typus des Playlist-Klempners anzu­spre­chen. Eine Produktion ist also ver­mut­lich dann am erfolg­ver­spre­chend­sten, wenn das Album als gan­zes schmeckt, sich die ein­zel­nen Songs aber gleich­zei­tig auf mög­lichst unter­schied­li­che Listen ver­tei­len las­sen. Der Popanteil als ver­bin­den­des Element macht «Versatile» einer­seits für die erste Gattung attrak­tiv, die Experimentierfreudigkeit ande­rer­seits wird beson­ders die zwei­te Gattung anspre­chen – hier gelingt Zeller ein cle­ve­rer musi­ka­li­scher und mar­ke­ting­tech­ni­scher Spagat.

Darüber hin­aus schafft der erste Wurf von Play Patrik mit Songs wie «Too Shy To Dance» oder «Eastwest Collaboration» eine soli­de Grundlage für die Live-Umsetzung. Wer Zellers bis­he­ri­ge Produktionen kennt, weiss, dass man von sei­nen Gigs eini­ges erwar­ten darf. Gerade die Vielseitigkeit dürf­te hier erneut ein Trumpf sein. «Der Spass steht im Vordergrund – ich habe alle Musiker zu Multi-In-stru­men­ta­li­sten ver­knurrt», sagt Zeller und lacht.

Eine erste Gelegenheit in der Region, Play Patrik mit Mirio Bähler (Schlagzeug), Lukas Hasler (Bass), Raphaël Haberer-Proust (Keyboards) und Lukas Frei (Trompete) live zu erle­ben, bie­tet sich am 4. Juni im BeJazz-Club in den Vidmarhallen.

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2009

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