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«Als Label bie­ten wir Aufmerksamkeit»

Von Luca D’Alessandro – Interview mit Franco Rüegger: Hinter Sirion Records steckt ein Berner Elektronik-Kollektiv, das – obwohl es ganz klein ist – gele­gent­lich gross von sich reden macht: gegen­wär­tig mit der «Baern Kompileischn part 1», einer Momentaufnahme der loka­len Elektronikszene. ensuite-kul­tur­ma­ga­zin hat sich mit Label Mitgründer Franco Rüegger ali­as Frango getrof­fen.

Franco Rüegger, als klei­nes Berner Label ist es schon fast eine Sensation, auf dem inter­na­tio­na­len Elektronikparkett mit­zu­mi­schen. Euch scheint sie zu gelin­gen.

Vom elek­tro­ni­schen Bereich bekommt man als Musikhörer in der Regel nicht viel mit. In der Branche sind wir aber gut ver­an­kert. Wir wer­den von DJs inter­na­tio­nal wahr­ge­nom­men.

Wie kommt es, dass ich als Berner von der hie­si­gen Elektronikszene nicht viel mit­be­kom­me?

Unsere Szene ist in ziem­lich gross. Allerdings arbei­ten die mei­sten Musiker für sich allei­ne. Sie tüf­teln, pro­bie­ren aus, spei­chern ihre Kreationen auf ihren Heimcomputern ab. Sie machen Musik für sich und gehen damit nicht an die Öffentlichkeit. Als Label bie­ten wir hier eine Schnittstelle: Wir sind offen für neue Sounds, und wenn aus unse­rer Sicht die Qualität stimmt, las­sen wir sie in unse­re Releases ein­flies­sen.

So zum Beispiel in die soeben erschie­ne­ne Baern Kompileischn Part 1 …

… genau. Sie beinhal­tet aus­schliess­lich Musik von Berner Artists.

Es sind also Produzenten oder Musiker, die ohne euch nicht wahr­ge­nom­men wür­den.

Das stimmt so nicht. Es gibt ja unzäh­li­ge digi­ta­le Plattformen, auf denen man ohne Label eine eige­ne Produktion publi­zie­ren kann. Technisch gese­hen, braucht es uns also nicht. Als Label bie­ten wir aber den Vorteil der Aufmerksamkeit und der Qualität. Letztere garan­tie­ren wir, indem wir die Sounds tria­gie­ren und nur jene Dinge auf­neh­men, die unse­rem Qualitätsanspruch genü­gen.

Ein Elektronikliebhaber wird sich eher bei einem Label nach News umse­hen, als irgend­wo im Netz.

Auf jeden Fall. Wir haben eine gewis­se Publizität und auch ein Image. Es freut uns, wenn die Leute sagen: «Diese Produktion kann nur gut sein, schliess­lich kommt sie von Sirion.» Ein sol­ches Image ist uns wich­tig.

Du hast die Qualität ange­spro­chen: Wie defi­nierst du die­se?

Qualität hat immer mit unse­rem Bauchgefühl zu tun. Wir geben den Musikern kei­ne Vorgaben. Schliesslich sol­len sie krea­tiv und mög­lichst ohne unnö­ti­ge Regeln und Hindernisse arbei­ten kön­nen. Wir von Sirion haben in den ver­gan­ge­nen Jahren viel Erfahrung gesam­melt. Inzwischen wis­sen wir haar­ge­nau, was State of the Art ist und was beim Publikum ankommt. Diesem Instinkt ver­trau­en wir.

Hat so auch die Triage für die aktu­el­le Compilation statt­ge­fun­den?

Ja, sicher. Obwohl auch zu sagen ist: Mit den Jahren haben wir einen Produzenten-Stamm auf­ge­baut. Wir wis­sen, wer uns in etwa was und in wel­cher Qualität zukom­men lässt. Das ist sicher ein Vorteil und erleich­tert uns die Arbeit. Was aber nicht heisst, dass wir nicht auch an Neuem inter­es­siert sind. Im Gegenteil!

Als Neuling habe ich also auch Chancen, gehört zu wer­den?

Auf jeden Fall. Ich gebe immer ein Feedback: Zum Beispiel, ob das Musikalische stimmt, oder das Arrangement. Ich fin­de das wich­tig. Schliesslich haben die Leute unter Umständen viel Zeit und Arbeit in ihre Produktion gesteckt. Ich fin­de, sie sol­len wis­sen, wor­an sie sind, damit sie ihre Arbeit wei­ter opti­mie­ren kön­nen.

Da spielt aber dein, respek­ti­ve der Geschmack eures Kollektivs eine gewich­ti­ge Rolle. Ist das objek­tiv?

Es gibt natür­lich Dinge, die uns weni­ger gefal­len, oder die nicht zu uns pas­sen. Die neh­men wir nicht auf. Das gehört auch dazu, schliess­lich ist Musik Geschmacksache. Wenn eine Produktion nicht zu uns passt, heisst das nicht, dass sie schlecht ist.

Wie kam es eigent­lich zur «Baern Kompileischn»?

In der Elektronikszene ken­nen wir inzwi­schen vie­le her­vor­ra­gen­de Produzenten, mit denen wir ger­ne EP oder Album-Releases machen wür­den. Doch ein Release ist immer mit einem gewis­sen finan­zi­el­len und per­so­nel­len Aufwand ver­bun­den – und die­ser ist nicht zu unter­schät­zen, schliess­lich lei­sten wir alle drei die Arbeit für das Label ehren­amt­lich …

… wie ich ver­nom­men habe, befin­det sich das Sirion Studio bei dir zuhau­se …

Genau, du siehst, wir sind ganz klein. Item: Um vie­len Produzenten die Möglichkeit zu bie­ten, auf einem Release mit dabei zu sein, haben wir uns für das Compilation-Konzept ent­schie­den. Darauf fin­den ganz vie­le Künstler auf ein­mal Platz. Die Baern Kompileischn ist also eine Momentaufnahme der aktu­el­len Berner Elektronikszene. Sie bie­tet einen guten Überblick, obwohl wir den noch erwei­tern wer­den. Der zwei­te Teil der Compilation wird vor­aus­sicht­lich im kom­men­den Frühjahr erschei­nen. Darin wer­den all jene ver­tre­ten sein, die wir von Sirion gut fin­den, aller­dings für den ersten Teil nicht berück­sich­ti­gen konn­ten.

Die Baern Kompileischn ist nur digi­tal erhält­lich.

Im Augenblick schon, obwohl wir den Gedanken haben, eine Vinyl-Auskoppelung zu machen. Aber dafür brau­chen wir wie­der ein biss­chen mehr Zeit. Ich sel­ber arbei­te haupt­be­ruf­lich etwas ganz Anderes, daher muss ich die Zeit dafür auch irgend­wo her­neh­men.

Lohnt sich die­ser Aufwand über­haupt? Irgendwie scheint er sich nicht aus­zu­zah­len …

Doch, ich fin­de, er zahlt sich aus. Vielleicht nicht finan­zi­ell, aber kul­tu­rell. Wenn ich zum hie­si­gen Kulturleben einen Beitrag lei­sten kann, ist das für mich sehr viel Wert. Natürlich wäre es schön, wenn unser Label mit den Jahren finan­zi­ell bes­ser dastün­de. Es wür­den sich wei­te­re Möglichkeiten eröff­nen. Aber das ist im Augenblick nicht Thema. Solange wir qua­li­ta­tiv gute Musik pro­du­zie­ren und die Berner Elektronikszene inter­na­tio­nal reprä­sen­tie­ren kön­nen, sind wir mehr als glück­lich.

Info: www.sirion-records.ch

Foto: zVg.
ensuite, Januar 2013