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Alles Zufall oder was?

Von Bettina Hersberger - Wenn Sie die­sen Beitrag zu Ende gele­sen haben, kopie­ren Sie ihn sie­ben Mal und sen­den ihn an sie­ben Leute inner­halb von sie­ben Tagen. Danach wer­den Sie inner­halb von sie­ben Stunden ihre gros­se Liebe fin­den. Wenn Sie die schon haben, dann klappt es end­lich mit dem gros­sen Geld. Wehe aber, Sie tun es nicht: Dann wird Sie das Pech sie­ben Jahre lang ver­fol­gen.

Wer kennt sie nicht, die­se ver­flix­ten Nachrichten. Was bringt ver­nünf­ti­ge Menschen dazu, sie zu ver­brei­ten? Ist es die lei­se Angst, die nega­ti­ve Prophezeiung kön­ne sich bewahr­hei­ten? Oder viel­leicht die heim­li­che Hoffnung, das ver­heis­se­ne Glück kön­ne ihnen zuteil­wer­den? Der Verstand pro­te­stiert, aber irgend­wo im Verborgenen liegt doch so etwas wie eine mysti­sche Ader in ihnen. Und schliess­lich sagen sie sich: Nützt es nichts, so scha­det es nichts.

Aberglaube gab es schon im Mittelalter, und auch heu­te gibt es ihn, nur anders. Heute erscheint er uns oft im Tarnkleid, so dass wir ihn nicht erken­nen. Wir stos­sen an mit einem Bier, einem Wein (aber bloss nicht über Kreuz, das bringt Unglück!) ohne zu wis­sen, war­um wir das tun. Das beschwing­te Anstossen haben uns unse­re Vorfahren über­lie­fert. Sie waren über­zeugt davon, dass klir­ren­des Glas Dämonen ver­trei­be. Ebenso ver­hält es sich mit dem Daumendrücken: Der Daumen galt einst als stärk­ster Finger. Wenn man ihn ein­klemm­te unter den rest­li­chen vier Fingern, so war er davor geschützt, von Dämonen besetzt zu wer­den.

Als Glaube neben dem wah­ren Glauben besitzt er vie­le ver­schie­de­ne Gewänder, der Aberglaube. Er behaup­tet, es brin­ge Unglück, wenn ein Bräutigam die Braut vor der Trauung im Brautkleid sieht. Eine schwar­ze Katze, die einem von links nach rechts über den Weg läuft, ver­heis­se auch nichts Gutes. Streng Abergläubische begin­nen einen guten Tag stets, indem sie mit dem rech­ten Bein auf­ste­hen. Manche Menschen wün­schen sich etwas, wenn sie eine Sternschnuppe sehen, ande­re tref­fen kei­ne Entscheidung, ohne vor­her ihre Tarot-Karten zu Rate gezo­gen zu haben. Den Tag soll man auf kei­nen Fall vor dem Abend loben, sonst hilft nur noch Holz anfas­sen.

Besonders an einem Freitag, den 13., füh­len sich Abergläubische von allen guten Geistern ver­las­sen. Manche trau­en sich nicht aus dem Haus, ande­re nicht mal aus dem Bett. Die Zahl der Krankmeldungen am Arbeitsplatz steigt an die­sen Tagen beträcht­lich. Autos blei­ben in der Garage ste­hen. Vertragsabschlüsse wer­den ver­tagt. Paraskavedekatriaphobie lau­tet die Formel, die die­ses Phänomen bezeich­net: Die aus­ge­wach­se­ne Angst vor Freitag, dem 13.

Es ist aber nicht nur der Freitag mit der 13. Schon allei­ne die Zahl 13 reicht aus, um Abergläubische in Panik zu ver­set­zen. In man­chem Hotel fin­det sich des­halb kein Zimmer mit der Nummer 13, in man­chem Flugzeug fehlt die Sitzreihe mit der unglück­se­li­gen Zahl – ein Hinweis, wie weit ver­brei­tet Aberglaube in unse­rer Gesellschaft ist. Auch in Japan ist die Primzahl 13 aber­gläu­bisch besetzt, jedoch gilt sie dort als Glückszahl.

Zufall, Schicksal, ein über­ge­ord­ne­ter Plan, ein kos­mi­sches Programm? Oder sind wir unse­res Glückes eige­ne Schmiede? Gläubige, Abergläubische, Skeptiker – wer weiss, wie das Leben funk­tio­niert? Der Mensch hat den unstill­ba­ren Drang, das Leben zu kon­trol­lie­ren, Ereignisse gewis­sen Mustern zuzu­ord­nen. Gelingt dies nicht, so heisst es oft, es habe wohl ein­fach so sein müs­sen. Möglicherweise gesche­hen Dinge, weil sie so gesche­hen sol­len. Darüber hin­aus aber eig­net sich die­ser Satz nur all­zu gut, um sich der eige­nen Verantwortung zu ent­zie­hen. Zu spät zur Arbeit gekom­men? Das muss­te wohl so sein, sonst wäre viel­leicht unter­wegs etwas Schlimmes pas­siert.

Riten, Bräuche, Kulte, Glücksbringer, Orakel, Zeichen oder Horoskope: Hilfsmittel, um dem Zufall ein Schnippchen zu schla­gen, das Schicksal zu beein­flus­sen – ent­stan­den aus dem Wunsch, das Leben nicht zufäl­lig zu erle­ben. Die einen leben in und aus der Überzeugung her­aus, dass Dinge zwi­schen Himmel und Erde gesche­hen, die man nicht erklä­ren kann. Man kann sie glau­ben. Oder nicht. Skeptiker schüt­teln da nur ungläu­big den Kopf. Ob es der Aberglaube manch­mal so weit treibt, ein 13. Montagsgehalt abzu­leh­nen?

Foto: Bettina Hersberger
ensuite, Mai 2009