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Alles hat ein Ende

Von Fabienne Naegeli – Der Tod als Rockstar in EberhardGalati’s «I see a dark­ness»: Eines haben wir alle gemein­sam. Irgendwann ist Schluss. Das letz­te Stündchen schlägt und das Licht geht für immer aus. Manche ent­schla­fen sanft und fried­lich, ande­re tre­ten eine aben­teu­er­li­che, letz­te Reise an. So auch ein Musiker, der auf­grund eines Autounfalls eine Nahtoderfahrung durch­lebt. Seine Vergangenheit zieht in einer blitz­licht­ar­ti­gen Bilderschau an ihm vor­über, wäh­ren­dem er die fünf Sterbephasen, wie sie die Schweizer Ärztin und Forscherin Elisabeth Kübler-Ross defi­nier­te, durch­lebt. In die­ser Zwischenwelt trifft der Musiker auf den Tod in Persona, der nicht etwa in düste­rer Sensenmann-Manier auf­tritt, son­dern in einem roten Anzug mit Gitarre. Denn wenn Gott ein DJ ist, muss der Tod, damit es eine himm­lisch schö­ne Party gibt, natür­lich ein Rockstar sein. Der ver­un­fall­te Musiker kann nicht nach­voll­zie­hen, war­um aus­ge­rech­net er ster­ben soll. Er hat Angst davor, will es nicht wahr­ha­ben, ver­wei­gert sich zor­nig dem Tod und ver­sucht mit ihm zu ver­han­deln. Doch am Ende bleibt nur das Einlenken und Zustimmen. «Is a hope that somehow you, can save me from this dark­ness.» Auf der emo­tio­na­len Achterbahnfahrt trifft er neben dem Tod, der ihn mit Songs von Joy Division, Queen, At the Drive In, Townes van Zandt und Radiohead beglei­tet, immer wie­der auf «The Voice» Frank S(inatra). Vom ein­sti­gen Star der Zwanziger Jahre ist aller­dings nur noch eine ziem­lich lädier­te Pappfigur übrig geblie­ben, ein Abbild, das Fragmente aus sei­nen berühm­te­sten Songs wie­der­gibt.

«I see a dark­ness – If God is a DJ, Death would be a Rockstar. Eine sze­ni­sche Nahtoderfahrung» ist das erste Stück der 2011 gegrün­de­ten Zürcher Theaterformation EberhardGalati. Der titel­ge­ben­de Song des ame­ri­ka­ni­schen Sängers Bonnie ‚Prince’ Billy, der u. a. von Johnny Cash geco­vert wur­de, dien­te als Inspirationsquelle für das Stück, das sich mit dem Grenzbereich unse­rer Vorstellungskraft, der Kunst des Sterbens beschäf­tigt. Was pas­siert bei die­sem Prozess mit dem Körper, und wie gehen wir mit der Tatsache um, dass wir alle sterb­lich sind? EberhardGalati ver­su­chen mit frag­men­ta­risch ver­wen­de­ten Texten, bestehend aus Erlebnisberichten von Nahtoderfahrungen, bibli­schen, mytho­lo­gi­schen, phi­lo­so­phi­schen und lite­ra­ri­schen Betrachtungen, sowie mit wis­sen­schaft­li­chem Material wie den LSD-Sterbebegleitungsexperimenten, und Musiker-Biografien dem Tod auf die Spur zu kom­men. Der phy­si­schen Endlichkeit lässt sich mit Erinnerungen ent­ge­gen­wir­ken. Kunstschaffende kön­nen mit ihren Werken etwas Zeitloses schaf­fen, und so zu unsterb­li­chen Idolen wer­den, wie bei­spiels­wei­se Michael Jackson oder Amy Winehouse. Die musi­ka­li­schen Passagen in «I see a dark­ness», die sich in den Bereichen Punkrock, Dark Country, New Wave und Noise bewe­gen, ver­bin­den die Vergänglichkeit mit der Ewigkeit. Dem heut­zu­ta­ge viel­fach tabui­sier­ten, ern­sten Thema des Sterbens begeg­nen EberhardGalati in ihrer Inszenierung mit einem Spiel voll Unerwartetem und fein­füh­li­ger Komik.

Foto: Maria Ursrung
ensuite, Januar 2013