Abwesenheitsnotiz

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Von Barbara Roelli – Wir sehen uns nach den Ferien zum Apéro. «Wie wars denn nun in Amerika?» Immer noch mit dem Jetlag kämp­fend ver­su­che ich die drei Wochen USA zusam­men zu fas­sen. Und zwar kurz und bün­dig – ein pro­to­koll­ge­nau­er Reisereport kann lang­wei­len. Also grund­sätz­lich hat­ten wir schon mal Glück mit dem Wetter – aus­ser an zwei Regentagen schien die Sonne immer und es war heiss; so um die 32 Grad. Die Umherreiserei mit dem Auto völ­lig unkom­pli­ziert. Direkt neben den ame­ri­ka­ni­schen Autobahnen trifft man immer wie­der auf Motels und die gan­ze Palette an Fastfood-Restaurants. «Wo wart ihr denn genau?» Stimmt: Immer wich­tig beim Erzählen von Ferienerlebnissen sind Ortsangaben. Erfahrungsgemäss kann ich nicht davon aus­ge­hen, dass die Leute daheim noch wis­sen, wo mei­ne Reise hin­ging, auch wenn man vor den Ferien noch dar­über gespro­chen hat. Es sei denn, jemand inter­es­siert sich sel­ber für die­se Gegend, war sel­ber schon dort oder hat sich vor der Reise erkun­digt, wo man mich im Notfall errei­chen kann. Ich rei­ste durch die bei­den Staaten Texas und Louisiana im Süden der USA. «Wie sieht die Landschaft dort aus?» In Texas ist es meist staub­trocken und flach bis zum Horizont. Gräser und Sträucher domi­nie­ren. Louisiana ist viel üppi­ger; die Luftfeuchtigkeit ist hoch dort. Saftiggrüne Bäume, Sumpfgebiete, und der Mississippi fliesst durch den Staat. «Was habt ihr denn so gemacht?» In Texas waren wir an einem rich­ti­gen Rodeo, wo jun­ge Männer auf Stieren rei­ten und Cowboys auf Pferden ihr Lasso schwin­gen und damit jun­ge Rinder ein­fan­gen. Wie im Wilden Westen eben. Im Staat Louisiana sahen wir uns natür­lich New Orleans an. Die Stadt ist ja so bekannt für ihre Jazzmusik, die wür­zi­ge Cajun-Küche mit viel Fisch und Meeresfrüchten – und vor acht Jahren wur­de New Orleans vom Hurrikan Katrina ver­wü­stet. Während ich von mei­nen Ferien erzäh­le, ver­su­che ich Bilder zu erzeu­gen, damit sich die Zuhörenden etwas vor­stel­len kön­nen. Bilder, wel­che die Allgemeinheit kennt, die Klischees bedie­nen. Doch mei­nen Ferien, wie ich sie erlebt habe, wer­de ich dabei nicht gerecht. Darum ver­su­che ich es noch mal:

Drei Wochen unter­wegs; mit Auto und Zelt durch die US-Staaten Texas und Louisiana. Das Erste, was uns die schwan­ge­re, lächeln­de Frau bei der Autovermietung frag­te war: «Hi! How are you doing?» Diese Frage wur­de uns auf der Reise zig Mal gestellt. Und auch wenn sie oft nur Floskel war – mich beein­druck­te die­se Freundlichkeit, die selbst­ver­ständ­lich scheint. Wir haben kein Hotel gebucht im Voraus, fuh­ren ein­fach drauf-los, blie­ben dort, wo es uns gefiel. Ich genoss die­se Weite. Keine Hügel oder Berge wie in der Schweiz, die einem die Sicht auf den Horizont ver­sper­ren. Noch nie in mei­nem Leben habe ich so stark geschwitzt, mich so nich­tig in der Natur gefühlt wie im Norden von Texas, im Palo Duro Canyon State Park. Auf einer Wanderung durch die­ses Tal, bei fast 100 Grad Fahrenheit (37 Grad Celsius) und glü­hen­der Sonne, wur­de mein Mund ganz trocken, mei­ne Schritte lang­sam. Im Staat Louisiana beka­men wir blaue Krabben direkt auf dem Blechtablett ser­viert. Als ich den Panzer der Krabben gebro­chen hat­te, koste­te ich pures, zar­te­stes, in wür­zig-schar­fem Sud gekoch­tes Fleisch aus dem Meer. Es gab vie­le kla­re Nächte, in denen wir Sternbilder sehen konn­ten. Sahen, wie Amerikaner wäh­rend des Einkaufs im Laden ihren Pickup lau­fen lies­sen, damit die Klimanlage an und das Auto schön kühl bleibt. Einmal fragt eine Serviertochter, wohl nicht sicher, ob wir noch am Essen sind: «Are you still working on it?» Irritiert beja­hen wir. Diese Frage – auch wenn nur eine Mini-Sequenz auf die­sem USA-Tipp – macht für mich das Reisen aus. Vielleicht, weil sie mir eine neue Sicht auf die Dinge gege­ben hat: Dass man­che Menschen arbei­ten, wenn sie essen.

Foto: Barbara Roelli
ensuite, September 2013

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