Sprachlos auf und vor der Bühne

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Was soll man dazu noch sagen?
Die Presse fei­ert Zimmermann & de Perrot für ihre neue Produktion über­schwäng­li­cher als Roger Federer nach einem wich­ti­gen Sieg. Es wird ihnen der rote Nationalheldenteppich aus­ge­rollt und wenn sie sich ver­beu­gen, ver­beugt sich das Publikum stets noch ein biss­chen tie­fer. «Everyday heros» nennt sie The Sydney Morning Herald, «die Bühnenmagier» die Schweizer Illustrierte und «Das genia­le schwei­zer Duo» die SonntagsZeitung.

Des genia­len Duos neue­ste Produktion «Hans was Heiri» fei­er­te nun Zürcher Premiere am Theater Spektakel. Mitte Januar wur­de die Premiere in Lausanne gezeigt und seit­her rei­sten Zimmermann & de Perrot mit ihrer Crew über Frankreich, Deutschland, die Türkei, Griechenland und Luxemburg nach Zürich. Und um es gleich zu sagen: Das Zürcher Publikum war – wie könn­te es anders sein – hell begei­stert. Und wohl auch ein biss­chen stolz, schliess­lich bezeich­ne­te Martin Zimmermann die Vorstellung in der Werft als «Heimspiel» und bedank­te sich nach den ste­hen­den Ovationen so herz­lich, wie es nur jemand kann, der lei­den­schaft­lich ist. Und das, da besteht gar kein Zweifel, ist das gesam­te Ensemble von «Hans was Heiri». Diese kind­li­che Freude und Begeisterung, die die Künstler bei ihrem Mordsprogramm an den Tag legen, lässt einen fast rat­los zurück. Wie kann man die­se kno­chen­har­te Arbeit, die­se schweiss­trei­ben­de Leistung mit einem ste­ten Lachen im Gesicht aus­füh­ren? Alles wirkt leicht und unbe­schwert. Dabei stel­len sich die Artisten nicht ein­fach ein­mal auf den Kopf, son­dern tan­zen, sprin­gen, mimen, ver­ren­ken sich, zie­hen sich hoch und glei­ten hin­ab in alle Richtungen, meist in Gegenrichtungen.

Begrenzung und Befreiung

Würde man all dies nicht mit eige­nen Augen sehen, man wür­de es nicht glau­ben. Auf Zimmermann & de Perrots Bühne wird gezau­bert. Aber nicht wie beim Zauberer, son­dern mit einem Höchstmass an Ästhetik. Und mit Geschichten, die von der klas­si­schen Zirkus-Clownnummer (mit Charme noch und nöcher), über die Anekdote einer begin­nen­den Freundschaft bis zum bösen, hand­greif­li­chen Streit rei­chen. Diese Zauberei geht tie­fer als die übli­chen Tricks und bleibt dabei so spie­le­risch und unver­krampft, dass man über die sim­pel­sten Spässe unge­niert herz­haft lachen kann. Dabei ist es unmög­lich, alles wahr­zu­neh­men, was gleich­zei­tig auf der Bühne geschieht. Eine Bühne übri­gens, die wie die Künstler auf ihr stän­dig in Bewegung ist. In ihre Mitte haben Zimmermann & de Perrot näm­lich eine rie­si­ge, qua­dra­ti­sche Box gestellt, die zum Publikum hin offen ist und sich in vier Elemente auf­teilt, wie eine klei­ne Wohnung mit vier gleich gros­sen Zimmern. Dazwischen gibt es Türen und Falltreppen und die Künstler ste­hen von einer Sekunde auf die ande­re in einem ande­ren Zimmer – oder an der Wand. Oder sit­zen an der Decke. Oder ste­hen im Winkel zwi­schen zwei Wänden. Denn die qua­dra­ti­sche Box dreht sich wie ein Hamsterrad. Mal lang­sam, mal schnell, mal im Uhrzeigersinn mal in die ent­ge­gen­ge­setz­te Richtung. Die Box ist eine Begrenzung, die nach Ausbruch förm­lich schreit. Und gera­de durch die Einschränkung aber brin­gen die Artisten unver­mu­te­te Kunststücke her­vor. Eine Inspiration für das täg­li­che Leben. Neben die­sem Hauptelement gibt es zahl­rei­che wei­te­re Elemente, die lose auf der Bühne her­um­lie­gen und sich durch das Bespielen der Künstler immer wie­der in neue Dinge ver­wan­deln.

«Wir mögen die klei­nen Dinge», sagen Zimmermann & de Perrot. Das mag wohl sein, aber aus jedem klei­nen Ding machen sie etwas schein­bar Riesiges, Unerklärliches. In «Hans was Heiri» ist es Wurscht, ob es sich um ein Theater, eine Performance, einen Zirkus oder Tanz han­delt: Wer sich dar­auf ein­lässt, kommt auf sei­ne Rechnung. Das Alltäglichste, die sim­pel­ste Begebenheit wird in die­ser Darbietung zum Ereignis, zum Highlight. Die Kunst ent­steht auch dadurch, dass alles, was gezeigt wird, auf die Spitze getrie­ben wird. Und zwar so, dass man hin und wie­der Schiss bekommt, einer könn­te auf der Bühne durch­dre­hen, was nach der ersten Irritation herr­lich befrei­end wirkt.

Realität und Fiktion

Zimmermann & de Perrot sind nur die besten Artisten gut genug, und das zahlt sich offen­sicht­lich aus. Die zwei Frauen und drei Männer, die mit den bei­den auf der Bühne ste­hen, machen einen glau­ben, sie könn­ten ein­fach alles. Auch sin­gen, was eine schö­ne Ergänzung zu Dimitri de Perrots Glanztaten an den Plattentellern dar­stellt. Die aus­ser­ge­wöhn­li­che Bühne, das akti­ve, rhyth­mi­sche Spiel, die Musik und das Licht fügen sich zu einer neu­en Wirklichkeit zusam­men. Zumindest für die Dauer der Vorstellung. Denn zu Beginn und am Ende schei­nen Zimmermann & de Perrot die Fiktionalität der Figuren unter­strei­chen zu wol­len. Marionettenpuppenartig tanz­hol­pern die Artisten dann in röt­li­chem Licht und leicht psy­che­de­li­schem Sound durch das Bühnenbild. Und so glaubt man, als die Vorstellung aus­klingt, man habe all das nur geträumt, was man eben gese­hen hat. Das ist auch viel plau­si­bler.

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