Die Vorgeschichte ist ja mehr oder weniger bekannt: 1994 unterzeichnete Mexikos Regierung den NAFTA-Vertrag. Die indigene Bevoelkerung Chiapas› wurde dabei schlicht und einfach vergessen oder ignoriert. Das war Grund genug fuer eine Vielzahl von Chiapaneken, die Waffen zu erheben und eine Revolution anzustreben. Selbstverstaendlich endete der Versuch in einem unschoenen Gemetzel zwischen Zapatisten und dem mekikanischen Militaer. Nach einigen gebrochenen Versprechen der Regierung wurden 2003 fuenf «Caracoles» gegruendet. Caracoles sind selbststaendige Verwaltungszentren der Zapatisten, die basisdemokratisch funktionieren. Die rotierende Regierung ist unter anderem zustaendig fuer den Aufbau eines autonomen Gesundheits- und Bildungssystems sowie fuer weitere Infrastruktur und einkommensschaffende Projekte.San Cristobal de las Casas war und ist Knotenpunkt des noch lange nicht geloesten Konflikts. Und wenn man schon in diesem Ort verweilt, gehoert es wohl zum Pflichtprogramm, mindestens eines dieser Caracoles zu besuchen.
Nach einer holprigen Camioneta-Fahrt in’s chapanekanische Hochland erreichten wir schliesslich, leicht durchgeschuettelt und froh, die Fahrt ueberlebt zu haben, den Eingang des Caracol Oventic, das sich nur etwa eine Stunde von San Cristobal befindet. Das ganze Dorf ist mit stabilen Eisengittern abgeriegelt und am Eingang wartet ein mit einer EZLN-Maske vermummter Mann, dem man seinen Pass zeigen muss. Wird man eingelassen, gibt’s kurze Formalitaeten vor der Regierung zu erledigen. Dabei kriegt man eine schriftliche Erlaubnis, den autonomen Bereich zu betreten und Fotografien zu schiessen. Nach einer kleinen Einfuehrung ueber die «gute und die schlechte Regierung» Mexikos, kann man sich schliesslich das Areal zu Gemuete fuehren: Die Koepfe von Che und Emiliano Zapata zieren die farbig bemalten Wohnhaeuser, die Schule erinnert etwas an einen LSD-Trip und das autonome Spital ist auch nicht zu uebersehen. Daneben gibt’s einige Laeden mit Kunstahndwerk oder Esswaren. Etwas weiter entfernt beginnt schliesslich die Agrokultur, die eine gewichtige Rolle im unabhaengigen «Staat» Oventic spielt.

Die Atmosphaere ist eindruecklich, obwohl es nicht einfach zu sagen ist, an was das liegt. Vielleicht an den maskierten Zapatisten, vielleicht ist es der Gedanke, dass diese Leute, bewaffnet und zum Letzten bereit, fuer ihre Rechte und fuer eine bessere Welt gekaempft haben oder vielleicht ist es die Erinnerung an den Geschichtsunterricht im Gymnasium. Man riecht die erkaempfte Autonomie, die Freiheit und vor allem die Hoffnung auf eine bessere und gerechtere Welt foermlich. Ich versuche, in dem ich tief einatme, meine Lungen mit dieser Atmosphaere, dieser Luft zu fuellen. Mit einem laecheln auf dem Gesicht verlasse ich Oventic wieder in Richtung San Cristobal. Hoechstinteressant, eindruecklich und ergreifend; ein Erlebnis, das ich bestimmt nicht vergessen werde.




