Observatio IV

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Schwarz-weiss ist nie sei­ne Welt gewe­sen. Er konn­te dem Maximalkontrast herz­lich wenig abge­win­nen. Den frü­hen Film als Stumm- und Farblosfilm hat er sich far­big vor­ge­stellt, sobald ihm das ein­ge­fal­len war. Die frü­he Fotografie schil­ler­te in sei­ner Vorstellung in allen nütz­li­chen Farben. Das moch­te davon her­rüh­ren, dass sein Erwachen von der kind­li­chen in die Welt der Adoleszenz auch in dem Übergang vom Schwarzweiss der Siebziger in das falsch­far­ben anmu­ten­de Reproduktionscolorit der frü­hen Achtziger Jahre bestand. Seine kind­li­che Schwarzweiss-Welt, die sie in der früh­kind­li­chen Phase wohl tat­säch­lich gewe­sen war (Neugeborene sehen wohl nur schwarz-weiss), wur­de abge­löst von Farb-Kodachrome und schliess­lich dem Farbfernsehen. Die Welt war für ihn damit in Ordnung – zumin­dest stimm­te die Farblichkeit. Jetzt, vor dem Museum für Gestaltung, sah er das Grün der Wiese, dort vorn das Mädchen mit der blau­en Jacke und dem Lustigen Taschenbuch in der Hand, das ihm vor kur­zem bereits ein­mal begeg­net war, nun auch den nass­schwarz glän­zen­den Asphalt, da; der Himmel grau und tief, im Innern des zweck­dien­li­chen Baus noch kein Licht. Die Welt schien sich an die­sem Sonntagmorgen zun­neh­mend auf ihren schwarz-weis­sen Maximalkontrast zurück­zie­hen, zusam­men­zie­hen zu wol­len; auf den einen Punkt, da alles nur noch schwarz-weiss war und sich in die­ser Beschneidung der Wellenlängen neu erfin­den woll­te: Er betrat das Museum.

In der Ausstellung «Schwarz Weiss. Design der Gegensätze», hat­te sich die mor­gend­lich schwarz-weis­se Welt in ihre Bestandteile zer­streut, schwar­ze und weis­se Objekte bil­de­ten hier einen Gang durch die Zeit, als die­se noch schwarz-weiss schien, eine Kohlewelt, eine Bakelitwelt, schwarz wie die schwär­ze­ste Nacht, schwarz wie die Nacht der Weltkriege, die doch mit dem beglit­ter­ten Schwarz von Coco Chanels Kleinem Schwarzen (1926) eine Unterbrechung zu erfah­ren such­te – ver­geb­lich. Nur noch das schwär­ze­ste Schwarz hat­te sich in die Nachkriegszeit zu ret­ten ver­mocht, schwarz wie schwar­zer Samt, schwarz wie das sei­den­s­am­te­ne Schwarz des Abendkleides von Grès in Paris (1957), tief­schwarz, «das hängt mit sei­ner hoch­flo­ri­gen Oberfläche zusam­men, die Licht prak­tisch voll­stän­dig absor­biert», las er im xer­o­xier­ten Schwarz-weiss-Katalog.
Die voll­stän­di­ge Reflexion von Licht wie­der­um war in der mit aller­lei bedeu­ten­den und unbe­deu­ten­den Artefakten sehr schön gestal­te­ten Exhibition nicht zu fin­den; auch nicht im Weiss der Friedensfahne von Max Daetwyler, der 1914 als angeb­lich oder tat­säch­lich erster Schweizer den Kriegsdienst ver­wei­ger­te und nach einer Begegnung mit Mahatma Gandhi 1932 sei­ne pazi­fi­sti­sche Mission kon­kre­ti­sier­te, ab 1956 mit Hilfe der Weissen Fahne, die er an einem Bambusstab trug. Weiss auch das aus Baumwolle gefer­tig­te neue­re Herrenhemd (ohne Jahrgang), sei­ner ein­sti­gen Symbolkraft als Arbeitskleidungsstück einer Elite ent­le­digt. Die Kuratorin der Ausstellung, Angeli Sachs, hat eine eklek­ti­zi­sti­sche, in der Natur der Sache lie­gend belie­bi­ge Dingwelt (*) aus­ge­stellt, die – für sich und stell­ver­tre­tend für ande­re Gegenstände – Schwarz und Weiss in der Geschichte des Designs benen­nen. Ihm ist dabei erneut auf­ge­gan­gen, dass das gan­ze Farbspektrum jede Art von schwarz-weis­ser Beschneidung in sei­ner Wahrnehmung in den Schatten stellt. Mehr ist manch­mal mehr – auch in den Farben.

* Ihm per­sön­lich fehl­te auf Anhieb das Space Shuttle, zise­lier­tes Elfenbein (bei­de weiss) sowie der Hals der Pfeife von Monsieur Hulot (wahl­wei­se der noch dunk­le­re bei Magritte) und der Plastikkopf Darth Vaders (bei­de schwarz).

«Schwarz Weiss. Design der Gegensätze», Museum für Gestaltung, Zürich, vom 9. November 2011 bis 4. März 2012. Mit Führungen und reich­hal­ti­gem Rahmenprogramm. Besuch im Januar 2012.

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