Von Räubern und Revolutionisten

Von

|

Drucken Drucken

Mit Geschrei und Gesang lei­te­ten die sie­ben jun­gen Räuber in den Abend ein, und sorg­ten mit ihren in schwar­ze Tücher ver­hüll­ten Häuptern für einen star­ken Auftritt. Vorsichtig schli­chen die Männer durch das mit Publikum bevöl­ker­te Foyer und flü­ster­ten ein­zel­ne Sätze, Politik und Wirtschaft betref­fend, in die Ohren der Zuschauer. In Reih und Glied ste­hend hiel­ten sie schliess­lich den Prolog über das poli­ti­sche Geschehen und for­der­ten anschlies­send das Publikum auf, sich in den Zuschauerraum zu bewe­gen.

Papierpakete und Väter

Unmaskiert stell­ten sich die Räuber vor einen Berg aus zusam­men­ge­pack­ten Zeitungen, wühl­ten in die­sem auf der Suche nach ihren Vätern und spra­chen dabei über ihre Wünsche und ihre Vergangenheit. Die resul­tie­ren­de Erkenntnis war, dass sie eine Generation Männer sind, die von Frauen gross­ge­zo­gen wur­de. Die vater­lo­se Generation stürz­te sich schliess­lich gegen eine Mauer aus Papier. Die Einzelteile, der ehe­ma­li­gen Mauer, wur­den dem Publikum über­ge­ben, sodass das Stehen ein Ende neh­men konn­te. Während das Publikum es sich lang­sam gemüt­lich mach­te, fuh­ren die Räuber zu Höchstleistungen auf. Mit akro­ba­ti­schem Geschick beweg­te sich einer von ihnen auf einem durch den Raum gespann­ten Seil. Unbeeindruckt lies­sen die Anderen nicht davon ab, den Seiltänzer mit den Papierpaketen zu bewer­fen, bis die­ser schluss­end­lich fällt und von sei­nen Kollegen im Papierhaufen begra­ben wird. Nach tosen­dem Sturm unbarm­her­zi­ger Aggression, in wel­chem die Spieler ihre gren­zen­lo­se Energie zei­gen konn­ten, folg­ten stil­le und sanf­te Bewegungen. Auf inti­me Weise wid­me­ten sich die Performer ein­zel­nen Zuschauern und erzähl­ten von ihren Wunschvätern.

Revolution und Hoffnung

Eine gan­ze Generation Tellerwäscher, ohne Ziel und ohne Zweck, ganz genau wie Franz von Moor, titu­lier­ten sich dann die Räuber und ver­such­ten durch vie­le Worte und etli­che Taten die Routine zu durch­bre­chen, um etwas Sinn in der Welt und im Leben zu fin­den. Noch ein letz­tes Mal muss­te das Publikum sei­ne Position wech­seln, um den Räubern Platz für die Revolution zu geben. Eine Revolution, die mit Gesang und dem Errichten eines Turmes ver­sucht, die Welt neu zu gestal­ten. Jedoch ver­stricken sich die Räuber aber­mals in Fragen und Diskussionen und mit dem Erörtern der eige­nen Wünsche und Träume und dem Analysieren der bestehen­den Krise, schei­nen die Räuber der Lösung noch nicht näher gekom­men zu sein. Doch auf­ge­ben ist kei­ne Option: Auch wenn das Räuberleben nicht ein­fach ist, genau­so wenig ist es das Luxusleben. Was einem am Schluss jedoch klar erscheint – man ist nicht schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, son­dern nur schuld, wenn sie so bleibt.

«Generation Räuber» von Simon Kramer ist ein leben­di­ger, hek­ti­scher und ehr­li­cher Schrei einer gan­zen Generation, der durch star­ke Bilder, ein­drück­li­che Spieler und der kon­se­quen­ten Auseinandersetzung mit gesell­schaft­li­chen Fragen über­zeugt.


Copyright © 2011 Kulturkritik • Kritische Stimmen zum Zürcher Kulturgeschehen Kulturkritik.ch ist ein Projekt der Plattform Kulturpublizistik • Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo