Erinnerungen

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Von Fabienne Naegeli – Action Theatre lässt die Sixties und Seventies auf­le­ben: Seit 40 Jahren sind Doraine Green und Arne Nannestad – bei­de in England gebo­ren, in Neuseeland groß gewor­den und heu­te in Bern zu Hause – als Action Theatre in Europa und den USA unter­wegs. In ihrem neu­en Stück «Alzheimer’s Part 1 (or is it Part 2?)» erin­nern sie sich an poli­ti­sche, thea­tra­le und per­sön­li­che Ereignisse der 60er und 70er Jahre. Viele Menschen haben ver­ges­sen, so ihre Feststellung, wel­che Geschichten und Begebenheiten zu «alter­na­ti­vem», poli­ti­schem Theater wie Agitprop, zu abstrak­ten Improvisationen, Straßentheater und zu Performances mit Publikumsbeteiligung geführt haben, und was es bedeu­te­te, wäh­rend der Zeit der Hippies und der sexu­el­len Revolution, wäh­rend dem Vietnamkrieg, der Berliner Mauer, dem RAF-Terror und all der ande­ren histo­ri­schen Ereignissen die­ser Ära Theater zu machen.

Die Geschichte von Action Theatre beginnt mit einer Performance in Amsterdam. Die Darsteller, einer davon war Arne Nannestad, hat­ten aller­dings kei­ne Ahnung, was genau sie dabei tun soll­ten. Die ein­zi­ge Anweisung des Regisseurs war: «Improvisiert! – und seid gegen den ame­ri­ka­ni­schen Imperialismus, die Autoindustrie und den Vietnamkrieg». Die Performance war ein Fiasko und schreck­lich demü­ti­gend für die Schauspieler, wes­halb eini­ge sich ent­schie­den, nicht mehr nach London, ihr dama­li­ges zu Hause, zurück­zu­keh­ren. Sie tramp­ten nach Paris und grün­de­ten dort Action Theatre, eine der ersten frei­en Gruppen – wobei «frei» damals hieß: ohne Geld, Versicherung und Unterstützung, ohne Proberäumlichkeiten, feste Spielorte, ohne stän­di­gen Wohnsitz, immer mit dem Bus auf Tour. All die­se Schwierigkeiten hiel­ten die Truppe jedoch nicht davon ab, Theater zu machen. Für sie war wich­ti­ger, dass sie tun konn­ten was sie woll­ten und lieb­ten. Anders als heu­te waren sie am Anfang mehr als zwei Leute, was über die Jahre hin­weg jedoch finan­zi­ell nicht trag­bar war. In Paris ange­kom­men arbei­te­ten sie zuerst als Art-Models, bevor sie began­nen eige­ne Stücke zu schrei­ben. Das war 1968, wäh­rend der Studentenunruhen. Die Pariser Theaterszene war damals in Aufbruchstimmung, die Theatermacher jung, enthu­sia­stisch und avant­gar­di­stisch. Man spiel­te in Bars, Kellertheatern, auf der Straße, im Zirkuszelt, aber auch in Stadttheatern. In Rom ver­lies­sen schließ­lich eini­ge das Ensemble, da sie zum Film woll­ten. Doraine Green kam neu hin­zu. Sie spiel­te zuvor klas­si­sche wie auch zeit­ge­nös­si­sche Stücke, mach­te in England expe­ri­men­tel­les Theater, und war allei­ne in die Stadt getrampt, wo alle Wege hin­füh­ren. Dass Strassentheater gefähr­lich sein kann, merk­ten Action Theatre, als sie am sel­ben Tag in Rom spiel­ten da die Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag ein­mar­schier­ten. Die Polizei hielt die Schauspieler für Demonstranten und ver­haf­te­te sie, was lei­der kei­ne Ausnahme blieb. In Ost-Berlin und München ver­däch­tig­te man sie als Drogendealer, Anarchisten und Terroristen. Völlig unwis­send lan­de­ten sie in Frankfurt im Appartement von Dierk Hoff, dem Bombenbauer der RAF-Bande. Nach dem Besuch einer Theaterinszenierung mit Liv Ullmann und dem anschlie­ßen­den Gespräch mit ihr und einem unbe­kann­ten Herrn, des­sen Wagen im Schneesturm nicht ansprin­gen woll­te, stell­te sich her­aus, dass der Fremde Ingmar Bergman war. Über die Begegnung mit sei­nem Vorbild hoch erfreut, frag­te Arne Nannestad den sehr scheu­en Regisseur nach einem Job, wor­auf die­ser erschrocken weg­rann­te.

Mit viel Humor und Comedy, kur­zen Reenactments von Inszenierungen, sowie unter Verwendung von Mitteln der damals in Mode gekom­me­nen Theaterformen, erzählt Action Theatre’s Erinnerungsabend «Alzheimer’s Part 1 (or is it Part 2?)» Anekdoten über den on tour per­sön­lich erleb­ten Wandel der Zeit

Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2013

 

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