Ferie ita­lia­ne!

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Von Luca Zacchei – Wenn die Sommerferien in Italien vor der Tür stan­den, erleb­te ich als Kind die lustig­sten Rituale. Mein Vater war für die Reise-Vorbereitungen rund um das Auto zustän­dig. Er kauf­te zuerst einen fri­schen Wunderbaum mit Moschus-Duft. Die Heiligen-Figuren berei­te­te er eben­falls vor. Die kamen näm­lich auch mit. Sankt Christophorus, Schutzpatron der Reisenden, erhielt einen beson­de­ren Platz rechts beim Armaturenbrett. Der Arme wur­de ganz in der Nähe des Wunderbaumes plat­ziert, so dass er des inten­si­ven Duftes wegen sogar nach sei­nem Märtyrer-Tod lei­den und büs­sen muss­te. Auch die Musik-Kassetten der Ricchi e Poveri mit «Mamma Maria» und Al Bano & Romina Power mit «Felicità» wur­den ein­ge­packt. Meine Schwester und ich san­gen meist hyste­risch mit und unse­re Eltern waren über­glück­lich, wenn zwi­schen­durch das Magnetband aus dem Plastikgehäuse der Kassette sprang. Es brauch­te näm­lich sei­ne Zeit, bis ich das Band müh­sam mit dem Zeigefinger zurück­ge­wickelt hat­te.

Das Auto wur­de von mei­nem Vater selbst­ver­ständ­lich auf Hochglanz geschrubbt. Die Verwandten in Italien soll­ten schliess­lich bemer­ken, wie schön das neue, rote Auto glänz­te. Getankt wur­de am Vortag, damit wir in der Nacht ohne Verzögerung star­ten konn­ten. Mein Vater bestimm­te die Pinkel-Pausen und Raststätten, wel­che wir anpeil­ten. Der Zeitpunkt hing zumeist von der Tankanzeige ab. Die rest­li­chen Familienmitglieder muss­ten ler­nen, die Funktion der Blasen zu syn­chro­ni­sie­ren, damit unnö­ti­ge Zeitverluste ver­mie­den wer­den konn­ten. Eine wei­te­re wich­ti­ge Aufgabe war, laut auf­zu­schrei­en, wenn die Autobahn-Abzweigung Richtung Gotthard in Sichtweite war. Die durf­te näm­lich auf gar kei­nen Fall ver­passt wer­den. Ich habe zwar nie erfah­ren, was pas­siert wäre, wenn wir mal wei­ter­ge­fah­ren wären. Von der Dringlichkeit her fühl­te es sich aber so an, als ob wir sonst direkt in ein schwar­zes Loch gefah­ren wären. Nachdem wir die Abzweigung erwischt hat­ten, beschäf­tig­te ich mich übli­cher­wei­se mit der intel­lek­tu­el­len Lektüre des «Lustigen Taschenbuches» (auf Italienisch: «Topolino»), wäh­rend­des­sen mei­ne Schwester Barbie mit Ken ver­mähl­te.

Das Kulinarische war Mutters Angelegenheit. Für die Reisedistanz von Bern bis Giulianova – das sind zir­ka 900 Kilometer – berei­te­te sie Folgendes zu: 24 Sandwiches, was gleich­be­deu­tend war mit 6 Stück pro Familienmitglied, 6 Liter Wasser, Lasagne vom Vortag, bereits in der Thermosflasche gezucker­ten Espresso, und Früchte. Obwohl die Vorräte nie im Leben auf­ge­braucht wur­den, hiel­ten wir kurz vor Bologna sicher­heits­hal­ber beim Autogrill an, damit wir eine Focaccia mit Mortadella kau­fen konn­ten. Unvergesslich waren auch die Kartonschachteln, wel­che wir bei der Abreise mit Schweizer Schokolade füll­ten. Damit beglück­ten wir die ita­lie­ni­schen Verwandten und konn­ten ihre per­sön­li­chen Präferenzen befrie­di­gen: dunk­le oder hel­le Schokolade, mit Nüssen oder Weinbeeren gespickt, mit einem Hauch Honig oder einer Portion Marzipan.

Die Schachteln, wel­che wir bei der Hinreise mit Schokolade voll­ge­packt hat­ten, ver­wen­de­ten wir bei der Rückreise wie­der. Diese wur­den gefüllt mit: Oliven, Olivenöl, Olivenpaste, Olivenbrot, Peperoni (in Olivenöl ein­ge­legt), Tomatensauce in Glasbehältern, Ziegen- und Schafskäse (wie das bei 35 Grad Celsius Hitze im Auto duf­te­te …), Salami, Parma-Schinken und Lavazza-Kaffee. Selbstverständlich durf­te auch die Wassermelone nicht feh­len, wel­che je nach Platzverhältnissen im Auto ent­we­der mit dem Sicherheitsgurt fixiert wur­de, oder zwi­schen braun­ge­brann­ten Kinderbeinen ihren Platz ein­neh­men muss­te. Kurz vor der Grenze gab uns Vater noch die letz­ten Anweisungen: Wir muss­ten still sit­zen, kei­ne Aufmerksamkeit auf uns len­ken und dem Schweizerischen Zollbeamten zulä­cheln. Nein, doch nicht! Das gekün­stel­te Lächeln könn­te im Grunde genom­men auf­fal­len. Wir soll­ten doch eher des­in­ter­es­siert drein­schau­en. Aber nicht so des­in­ter­es­siert, dass es selt­sam aus­se­hen wür­de. Eine nor­mal-des­in­ter­es­sier­te Haltung soll­ten wir ein­neh­men. Dann wies er mei­ne Mutter an, die dunk­le Sonnenbrille abzu­neh­men, da wir ja nichts zu ver­stecken hät­ten. Worauf ich ent­geg­ne­te, dass bei die­ser Sonneneinstrahlung kei­ne Brille zu tra­gen ver­däch­tig wir­ken wür­de. Mein Vater gab es auf. Unser Schicksal wur­de in die Hände des Schutzheiligen Christophorus gelegt, der als Passagier neben dem bau­meln­den Wunderbaum mit­fuhr. Der Heilige erle­dig­te sei­ne Aufgabe zumeist gut und wir kamen glimpf­lich davon. Eine gute Reise-Vorbereitung ist eben doch die hal­be Miete!

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2013

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