Eine halt­lo­se Behauptung

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Von Karl Schüpbach - «Sie haben sich ja von allem Anfang an mit Händen und Füssen gegen die Fusion des Berner Symphonieorchesters (BSO) mit dem Stadttheater (STB) gewehrt, obwohl dies die ein­zig mög­li­che, gang­ba­re und ver­nünf­ti­ge Art der Zusammenarbeit der bei­den Institutionen bedeu­tet».

Punktum, so ein­fach war und ist das! Ich kann mich nicht erin­nern, dass mich ein Vorwurf – er wur­de von Herrn Guy Jaquet erho­ben, er ist heu­te einer der Vize-Präsidenten der Stiftung Konzert Theater Bern (KTB) – per­sön­lich so betrof­fen gemacht hat. Er lud mich vor eini­gen Monaten zu einem Gespräch über mei­ne Artikel in ensuite ein, die ihm ent­we­der gefal­len haben, oder ihn die kah­len Wände hoch­stei­gen lies­sen, und wohl immer noch las­sen. Aus einem Gespräch wur­de aller­dings nichts, Herr Jaquet erging sich in einem Monolog über sei­ne Verdienste für das Berner Symphonieorchester. Ich hof­fe, dass Herr Jaquet nach der Lektüre die­ses Artikels nicht die Eiger-Nordwand anpei­len wird. Noch eine klä­ren­de Bemerkung: «Vor eini­gen Monaten» … ist das nicht Schnee von gestern? Diese Frage könn­ten Sie, lie­be Leserinnen und Leser sich viel­leicht stel­len. Leider gibt es rund um die Stiftung KTB kei­nen Schnee von gestern, son­dern ewi­gen Schnee, der Tauwetter und Frühling nicht erah­nen lässt. Vielleicht kann ich im abschlies­sen­den Kapitel die­se Aussage etwas mil­dern.

Zurück auf mei­ne Betroffenheit nach dem Vorwurf von Herrn Jaquet, sie beruht auf zwei Tatsachen:

1964 wur­de ich als Mitglied der ersten Violinen in das BSO enga­giert. Als gros­ser Liebhaber der Oper, war ich glück­lich über die Struktur, dass das BSO gleich­zei­tig Konzert- und Opernorchester war. Von allem Anfang an war mir aber klar, dass die Zusammenarbeit zwi­schen STB und BSO mise­ra­bel war, gegen­sei­ti­ger Neid und gegen­sei­ti­ge Unwissenheit über die Probleme beherrsch­ten den Alltag. In vie­len kul­tur­po­li­ti­schen Funktionen ver­such­te ich bis zu mei­ner Pensionierung im Jahre 2000 dage­gen anzu­kämp­fen, lei­der ohne Erfolg. Zugegeben: eine Fusion war für mich kei­ne Option, wohl aber eine Form von Zusammenarbeit, die den Bernischen Verhältnissen gerecht wer­den könn­te. In die­sem Zusammenhang kommt der Grösse des Orchestergrabens im STB, und damit der Gestaltung des Spielplanes eine zen­tra­le Bedeutung zu, bis heu­te nimmt man davon aber nicht Kenntnis.

Damit kom­me ich zu einem wei­te­ren Punkt, der die Behauptung von Herrn Jaquet – des ein­zig gang­ba­ren Weges – als halt­los demas­kiert: der viel­ge­lob­te Bericht Haering, als Vorbereitung zur Fusion von der Politik in Auftrag gege­ben – in mei­nen Augen ein völ­lig wert­lo­ses Papier, weil abso­lut lai­en­haft – block­te jeden Versuch, eine ande­re Form von Zusammenarbeit zu fin­den kate­go­risch ab: zu teu­er, zu kom­pli­ziert, u.s.w., u.s.w.. Sollten doch irgend­wel­che Diskussionen hin­ter den Kulissen statt­ge­fun­den haben, sie wur­den jeden­falls nicht in trans­pa­ren­ter Form einer brei­ten Öffentlichkeit zur Diskussion unter­brei­tet.

Was man über eine Fusion weiss Es ist eine unwi­der­leg­ba­re Tatsache, dass zwei vor­her selbst­stän­di­ge Partner nach einer Fusion nie gleich­be­rech­tigt daste­hen. Nach einem Jahr lässt sich das auch im Falle von BSO und STB beur­tei­len: die neu ent­stan­de­ne Stiftung KTB ist ohne Zweifel thea­ter­la­stig. Denken Sie das ein­mal zu Ende, lie­be Leserinnen und Leser: die Fusion wur­de von der Politik erzwun­gen, nicht etwa aus künst­le­ri­schen Gründen, son­dern weil das STB wegen kla­rer Misswirtschaft in bedroh­li­che finan­zi­el­le Schieflage gera­ten war, das BSO dage­gen stand wirt­schaft­lich gesund da. Anders aus­ge­drückt: das BSO muss­te mit­hel­fen, das STB zu sanie­ren. Jetzt schlägt das Pendel auf die ande­re Seite – wer hat ihm den ent­schei­den­den Impuls gege­ben?! – : Aus dem zu sanie­ren­den Partner wird der Profiteur, das BSO sieht sei­ne Felle davon­schwim­men! Wie ist das mög­lich?

Der Tanz um das gol­de­ne Kalb namens Synergien Cyrill Haering, der bereits erwähn­te Verfasser der Vorbereitung für die von ihm emp­foh­le­ne Fusion, ging in sei­ner Euphorie Synergien zu schaf­fen bekannt­lich so weit, Geld ein­zu­spa­ren durch die Abschaffung der Sparte Ballet am STB, sowie durch eine gene­rel­le Verminderung der Aktivitäten der Oper und des Orchesters. Die so erziel­ten Einsparungen woll­te er zu Gunsten einer all­ge­mei­nen Qualitätssteigerung ein­set­zen. Wie das funk­tio­nie­ren soll­te, wuss­te er wohl selbst nicht … Kurz, er konn­te den von ihm erhoff­ten Erfolg nicht rea­li­sie­ren. Aber den­noch: Synergien schaf­fen heisst heu­te im Klartext: Bevorzugung des Theaters bei gleich­zei­ti­ger Benachteiligung des Orchesters. Im Folgenden sei dies belegt mit zwei beson­ders stos­sen­den Beispielen:

In der Verwaltung BSO wur­den zwei Mitarbeiterinnen ent­las­sen, ohne dass gegen aus­sen irgend­wel­che Gründe kom­mu­ni­ziert wur­den, die Stellen wer­den auch nicht ersetzt. Das Orchester reagier­te empört ange­sichts der rüden Behandlung der beruf­lich und mensch­lich sehr geschätz­ten Kolleginnen, eine von sämt­li­chen anwe­sen­den Orchestermitgliedern unter­schrie­be­ne Petition legt davon Zeugnis ab. Diese Stellungnahme der MusikerInnen wur­de – mei­nes Wissens – vom Stiftungsrat nicht ein­mal beant­wor­tet, wie ande­re von Orchestermitgliedern ver­fass­te Schreiben. Es geht hier um ein ganz betrüb­li­ches Symptom von Arroganz der Macht, dar­auf muss ich wei­ter unten lei­der noch zurück­kom­men. Gleichzeitig flat­tert per online eine gan­ze Reihe von neu ver­pflich­te­ten Personen sei­tens des Theaters in die Stube. Keine Worte der Erklärung … «Bitte um Kenntnisnahme!»

Dem schei­den­den Orchesterdirektor Matthias Gawriloff ist es gelun­gen, in den hel­len, moder­nen Räumlichkeiten der Verwaltung ein auf­ge­stell­tes und kom­pe­ten­tes Team zu for­men. Mit den erwähn­ten Kündigungen wur­de die har­mo­ni­sche Arbeitsgemeinschaft durch Verantwortliche der Stiftung KTB mit einem ein­zi­gen Federstrich zer­stört. Aber nicht «nur» das: die ver­blei­ben­den Angestellten müs­sen die Räumlichkeiten am Münzgraben ver­las­sen, um in den bestehen­den Räumlichkeiten der Theater-Verwaltung Unterschlupf zu fin­den.

Die Arroganz der Macht Liebe Leserinnen und Leser, hier kon­fron­tie­re ich Sie mit einem trau­ri­gen Kapitel, so rich­tig geeig­net um im Trüben zu fischen.

Zum Jahreswechsel haben die Mitglieder des BSO ein Schreiben erhal­ten (Schnee von gestern … sie­he wei­ter oben), unter­zeich­net von den Herren Hans Lauri (Laie), Marcel Brülhart (Laie) und Stephan Märki (Professionell). Sie sehen mit einem Blick, wer da das Sagen hat.

Bei der Lektüre des Schreibens sind mir, sehr geehr­ter Herr Lauri, drei Dinge sehr sau­er auf­ge­stos­sen: Bei Ihren all­ge­mei­nen Ausführungen schrei­ben Sie von «unver­än­dert hoher Qualität Ihrer Leistung.» Lassen Sie sich von einem zwar pen­sio­nier­ten, aber seit 1964 ohne Unterbruch in Lauschstellung har­ren­den Vollprofi fol­gen­des sagen: wenn das Orchester unver­än­dert hohe Leistungen erbrin­gen wür­de, wäre dies ein Zeichen von Stagnation, wenn auch auf hohem Niveau. Das Gegenteil ist der Fall: das Orchester ent­wickelt sich kon­ti­nu­ier­lich wei­ter, ich wer­de abschlies­send noch­mals dar­auf zurück­kom­men.

Teuerungszulage. Sie wol­len für das Jahr 2012 kei­ne Teuerungszulage ent­rich­ten mit der Begründung, dass die Teuerung vom November 2010 bis November 2011 ‑0,5% beträgt. Angesichts die­ser Negativ-Teuerung spre­chen Sie von Deflation. Meine Rückfrage beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat erge­ben, dass Ihre Zahlen zwar stim­men, aber von einer Deflation in unse­rem Lande nicht gespro­chen wer­den darf!

«…durch Ihre Vorgesetzten recht­zei­tig mit­ge­teilt.» Mit die­ser Formulierung erin­nern Sie an einen Tagesbefehl auf einem Kasernenhof. Sie müss­ten wis­sen, wenn nicht, so las­sen Sie es sich sagen, dass für einen Berufsmusiker das Wort «Vorgesetzter» mit dem Begriff Autorität asso­zi­iert wird. Umgang mit Autorität ist für uns all­täg­lich, zu ihrer Akzeptanz set­zen wir aber ein fach­li­ches Können und Wissen vor­aus – bei Dirigenten oder Stimmführern – die ein Laie nie­mals erbrin­gen kann!

Hier möch­te ich einen Quervergleich zu einer anders geach­te­ten Art von Arbeitgeber zie­hen. Es ist belegt, dass der ita­lie­ni­sche Schreibmaschinen-Fabrikant Camillo Olivetti – vor­bild­lich in sei­nen sozia­len Einrichtungen für die Mitarbeiter – bei einem ins Stocken gera­te­nen Arbeitsprozess per­sön­lich mit sei­nem enor­men Fachwissen die Panne wie­der behe­ben konn­te. Auf das BSO über­tra­gen: kön­nen Sie sich vor­stel­len, dass unser «Vorgesetzter» Herr Alt-Ständerat Hans Lauri den MusikerInnen des Orchesters in einer künst­le­ri­schen Krisensituation eine Hilfeleistung anbie­ten könn­te? Entschuldigung, hat da jemand gelacht? Ich weiss nicht, wie oft ich die­se Fragestellung schon ange­wandt habe, Stereotyp folgt immer die­sel­be Antwort: das Orchester ist eben ein Sonderfall. Genau das ver­su­che ich seit Jahrzehnten zu bele­gen. Warum wird die­se Tatsache nicht ein für alle Male zur Kenntnis genom­men, gleich­zei­tig mit der Anpassung der Strukturen an die Organisation eines Berufsorchesters? In die­sem Zusammenhang sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es Orchester in Selbstverwaltung gibt, übri­gens auch in der Schweiz, und dies sind qua­li­ta­tiv nicht irgend­wel­che Hinterbänkler!

Voraussetzungen für das Schmelzen des ewi­gen Schnees In letz­ter Zeit habe ich Konzerte mit dem BSO erlebt, die mich in einen schwer zu ertra­gen­den Spannungszustand ver­setzt haben, viel­leicht ver­gleich­bar mit einer schier uner­träg­li­chen Dissonanz, die nach einer Auflösung schreit. Ich habe soeben aus­ge­drückt, dass sich das Orchester unauf­halt­sam wei­ter ent­wickelt, es fehlt mir auch nicht an Vergleichen mit dem Ausland. Gleichzeitig muss ich aber fest­stel­len, dass sich in sei­ner Entourage nichts Entscheidendes ändert, der Mangel an Respekt gegen­über den Musikerinnen und Musikern des BSO, der sich neben künst­le­ri­schen Belangen bru­tal auch in Trivialitäten des Alltages äus­sert, behaup­tet sich hart­näckig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr seid im Moment füh­rungs­los, ihr müsst einen neu­en Vorstand wäh­len. Das genügt aber bei wei­tem nicht: sucht den eng­sten Zusammenschluss unter Euch, sorgt durch eine klu­ge Informationspolitik dafür, dass Eure Forderungen, wie gerich­tet auch immer, gehört und respek­tiert wer­den. Stellt höch­ste Ansprüche an die Zusammenarbeit mit dem Chefdirigenten, mir scheint, hier bedarf es noch eini­ger Spielregeln. So geeint als musi­ka­li­scher Block, sucht das Gespräch mit den Profis inner­halb der Stiftung KTB. Gebt Euch als KünstlerInnen das kurz­fri­sti­ge Ziel: wir pro­fes­sio­nel­len Kräfte haben uns gefun­den, im Gespräch mit Stiftungsräten und Politikern las­sen wir uns nicht mehr als «quan­ti­té nég­li­geable» abspei­sen.

Bild: Eine Tröte, bes­ser bekannt als Vuvuzela / Foto: zVg.

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