Young Adult – Die Fabel des Erwachsenseins

Von

|

Drucken Drucken

Von Morgane A. Ghilardi – Diablo Cody, Hollywoods Enfant ter­ri­ble, schreibt kei­ne net­ten, ein­fa­chen Drehbücher. Sie scheint Einsicht in die inne­ren Vorgänge der Menschen zu haben, und kann die­se tei­len, ohne sich auf die Register des Dramas oder der Komödie zu beschrän­ken. Vielmehr ver­mag sie den Facettenreichtum einer Persönlichkeit samt unan­ge­neh­men, pein­li­chen, lusti­gen und anzie­hen­den Aspekten dar­zu­stel­len. Nach «Juno» (2007) und ihrem Serienerfolg «United States of Tara» (2009) ist ihr Name wahr­schein­lich so eini­gen ein gutes Omen, wenn ihren Fingern ein neu­es Werk ent­sprun­gen ist. Und so ent­täuscht auch «Young Adult» (2011) nicht. Sie hat sich erneut mit dem Kanadier Jason Reitman zusam­men­ge­schlos­sen, der zuletzt für «Up in the Air» (2009) im Regiestuhl sass, und der mit ihr die Perle «Juno» zum Leben erweck­te.

«Young Adult» bezeich­net einer­seits ein Genre der Belletristik, das auf Leser zielt, die zwi­schen 15 und 21 Jahre alt sind. Andererseits ist «young adult» eine Alterskategorie, die jun­ge Erwachsene bezeich­net. Was das wohl heis­sen mag, «jung»? Die Antwort lau­tet: Menschen zwi­schen 20 und 40 Jahren. Diese Alterskategorie kor­re­spon­diert mit einer der Stufen der psy­cho­lo­gi­schen Entwicklung, die jeder durch­lau­fen soll­te. So wie die Verleger und Psychologen ger­ne Kategorien erschaf­fen, mit denen man Bücher oder Menschen schub­la­di­sie­ren kann, setz­ten wir die­se Methode auch ein, um uns selbst zu defi­nie­ren.

Man kann sich ja den­ken, dass das nicht mit jedem funk­tio­niert. Es funk­tio­niert ganz sicher nicht für Codys Protagonistin Mavis (Charlize Theron), die wahr­schein­lich auf die 40 zusteu­ert. Als Autorin einer einst belieb­ten Young-Adult-Serie lebt Mavis ein weni­ger gla­mou­rö­ses Leben als erwar­tet, wahr­schein­lich vor allem, weil ihre Wohnung aus­sieht wie ein Saustall und sie ein dem­entspre­chen­des Benehmen an den Tag legt. Sie kann sich zwar auf­bre­zeln und mit ihrem Zwergspitz hil­to­nes­que Grazie imi­tie­ren, doch ihr Umgang mit Menschen – und Männern – ist frag­wür­dig. Als sie erfährt, dass ihre ein­sti­ge Flamme Buddy (Patrick Wilson) mit sei­ner Ehefrau sein erstes Kind in die Welt gesetzt hat, packt sie schnur­stracks ihre Sachen und kehrt in ihre Heimatstadt zurück. Ihr Plan: Buddy nach Hollywoodmanier zu ver­füh­ren, damit sie ihn aus die­sem ver­hass­ten Vorstadtleben befrei­en kann. Ihrer Sache sicher trifft sie auf Buddy und beginnt – nicht ohne kri­ti­schen Beirat – ihr Netz zu spin­nen, oder so scheint es ihr jeden­falls. Die Spannung um die­se poten­ti­el­le Romanze steigt kaum, denn man erkennt schon bald, dass das nicht gut gehen wird. Der Unterschied zwi­schen ihren Fantasien und der Realität der Situation wird immer kla­rer, als die Geschichte sich zuspitzt, wobei ihr Welt- und Selbstbild lang­sam ins Wanken gerät.

Mavis wür­de man kaum als einen tol­len Menschen bezeich­nen, da sie neben ihrem viel­leicht nicht selbst ver­schul­de­ten Alkoholismus und ihren Depressionen ein­fach ziem­lich nar­ziss­tisch und ego­zen­trisch ist. Aber man erkennt die Tiefe ihrer Probleme. Als sie ver­sucht selbst­re­fle­xiv und ein­sich­tig zu sein, wird ihr abge­winkt. Gleichzeitig wird sie sowohl bewun­dert als auch bemit­lei­det. In Anbetracht einer Welt, die viel Wert auf Schönheit und Jugendlichkeit legt, scheint es doch bizarr, dass Mavis einen so haar­sträu­ben­den Effekt auf «rich­ti­ge» Erwachsene hat. Wie soll man sich in einer sol­chen Welt den schon zu Recht fin­den.

Damit stellt Cody eben auch die rich­ti­gen Fragen. Wer defi­niert «Erwachsensein»? Welche Umstände machen einen Erwachsenen aus? Sex, Heirat, Kinder, Besitze wie Autos oder ein Haus? Legaler Alkoholkonsum? Dabei wird nicht gewer­tet, son­dern nur gezeigt. Es ent­steht eine Ambivalenz die jeder kennt, der sich schon ein­mal ernst­haft mit sei­ner Persönlichkeit und sei­nen Fehlern aus­ein­an­der­ge­setzt hat.

Als klei­ne Warnung: Während «Juno» sich genau­so mit Fragen des Erwachsenseins aus­ein­an­der­ge­setzt hat, konn­te man die­sem Film eine gewis­se Leichtigkeit zuschrei­ben. Doch «Young Adult» belässt es bei die­ser star­ken Ambivalenz zwi­schen emo­tio­na­ler Beklemmung und iro­ni­scher Albernheit. Es gibt kei­ne Gags, son­dern eher her­aus­ge­zö­ger­te Peinlichkeit, die sich in vol­lem Masse aus­ko­sten lässt.

«Young Adult» kommt am 16. Februar in die Kinos. Regie: Jason Reitmann. Drehbuch: Diablo Cody. Darsteller: Charlize Theron, Patrick Wilson, Patton Oswalt u.a.. USA, 2011.

Foto: zVg.
ensuite, Februar 2012

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo