Troll Hunter

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Von Andreas Meier – Was, wenn in den abge­le­gen­sten Regionen Norwegens Trolle exi­stier­ten? Was, wenn die Regierung davon wüss­te, und die Existenz der gewal­ti­gen Fabelwesen vor der Bevölkerung geheim hal­ten möch­te? Diese Fragen stel­len die Ausgangslage dar von «Trolljegeren» («Troll Hunter», 2010) von André Øvredal, der die rie­sen­haf­ten Fabelwesen der nor­di­schen Mythologie aus ihren Verstecken lockt und vor die Kamera bringt. Der Film han­delt von drei Studenten, die einen Dokumentarfilm über den mut­mass­li­chen Bärenwilderer Hans dre­hen wol­len. Um mehr über den myste­riö­sen Einzelgänger her­aus­zu­fin­den fol­gen sie ihm, und lan­den schliess­lich in einem Wald, wo sie erle­ben, wie Hans einen Troll zur Strecke bringt. Dieser erklärt den Studenten, dass er dafür zustän­dig sei, Trolle zu erle­gen, die sich zu nah an bewohn­te Gebiete her­an­wa­gen, um deren Existenz vor der Bevölkerung geheim zu hal­ten. Er erklärt sich schliess­lich damit ein­ver­stan­den, sich bei sei­nen Tätigkeiten fil­men zu las­sen. Dabei erlebt der Zuschauer das Geschehen aus­schliess­lich durch die von den Studenten mit­ge­führ­te Kamera, der Film ist also im Stil einer fik­ti­ven Dokumentation gehal­ten.

«Troll Hunter» wird oft mit ande­ren im «Mockumentary»-Stil gedreh­ten Filmen – allen vor­an «Blair Witch Project» (1999) – ver­gli­chen, doch mit dem Erzählstil enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Während Filme wie «Blair Witch Project» oder «Cloverfield» (2008) die sub­jek­ti­ve Kamera dazu ver­wen­den, Angst zu erzeu­gen, und sich selbst völ­lig ernst neh­men, strotzt «Troll Hunter» nur so vor Witz und Selbstironie. Angesichts der gigan­ti­schen Trolle, die gan­ze Bäume umwer­fen, um anschlies­send spek­ta­ku­lär zu ver­stei­nern oder zu explo­die­ren, könn­te man anneh­men, der Humor sei eben­so plump wie die wil­den Fabelwesen, doch dies ist nicht der Fall. Ganz im Gegenteil ist der Humor erfri­schend sub­til und liegt weni­ger in ein­zel­nen Gags begrün­det, als in der Art und Weise, wie die Geschichte prä­sen­tiert wird. So wird dem Zuschauer zu Beginn des Films mit ein­dring­li­cher Seriosität ver­si­chert, dass die gezeig­ten Bilder nicht gestellt sei­en. Und bald dar­auf stap­fen knol­len­na­si­ge Märchenwesen wie leben­dig gewor­de­ne Comicfiguren tobend, explo­die­rend und fur­zend durchs Bild.

Die Art, wie der Humor erzeugt wird, erin­nert an Jonathan Swifts Klassiker «Gulliver’s Travels». Der Erzähler Gulliver wür­de nie­mals einen Witz reis­sen. Doch es ist genau die­se schein­ba­re Seriosität und angeb­li­che Liebe zur Wahrheit, die in Kombination mit sei­nen hane­bü­che­nen Lügengeschichten eine der komisch­sten Geschichten über­haupt ent­ste­hen lässt. Auch «Troll Hunter» wird dem Publikum als ern­ster Stoff vor­ge­setzt – und ist genau des­halb so wit­zig. Während «Blair Witch Project» den Dokumentar-Stil benutz­te, um den Horror rea­li­sti­scher wir­ken zu las­sen, wird er in «Troll Hunter» ver­wen­det, um das Gezeigte noch irr­wit­zi­ger erschei­nen zu las­sen.

Zahlreiche fan­ta­sie­vol­le Details tra­gen stark zum Charme und Humor des Films bei. Mit viel Augenzwinkern wird den Zuschauern etwa «wis­sen­schaft­lich» erklärt, wes­halb Trolle ver­stei­nern oder explo­die­ren, wenn sie mit Sonnenlicht in Berührung kom­men. Immer wie­der wer­den auf ori­gi­nel­le Art Ereignisse aus der Realität neu inter­pre­tiert, so dass sie in die selt­sa­me Welt von «Troll Hunter» pas­sen. Stromleitungen sind plötz­lich nicht ein­fach Stromleitungen, son­dern gigan­ti­sche Zäune, um die Trolle von der Zivilisation fern­zu­hal­ten. Eine Brücke ist nicht durch Einwirkung eines Sturms ein­ge­stürzt, son­dern wur­de von einem Troll zer­stört, der sich den Kopf dar­an gestos­sen hat. Und die gigan­ti­schen Findlinge, die ver­streut in der Landschaft her­um­lie­gen, sind nichts ande­res als Wurfgeschosse von Trollen, die sich dort bekämpft haben.

Natürlich sind sich die Filmemacher bewusst, dass Geschichten über Fabelwesen wie Trolle vor lan­ger Zeit unter ande­rem genau des­halb erzählt wor­den sind: Um natür­li­che Phänomene bes­ser erklä­ren zu kön­nen. Diese mytho­lo­gi­sche Ebene von «Troll Hunter» ver­leiht dem Film eine ganz eige­ne Note. Hier wer­den Folklore und Tradition erfolg­reich und ori­gi­nell mit moder­nen Filmkonventionen ver­eint, ohne dass die Mythologie dabei zu einem bana­len Vorratslager für Spezialeffekte degra­diert wür­de, wie es etwa bei Filmen wie «Clash of the Titans» (2010) der Fall ist. Das will aber nicht heis­sen, dass die Effekte nicht gelun­gen wären: die com­pu­ter­ge­nerier­ten Trolle sind höchst beein­druckend ani­miert, und wir­ken trotz aller iro­ni­schen Überzeichnung teil­wei­se sehr bedroh­lich.

«Troll Hunter» hat es hier­zu­lan­de aus uner­find­li­chen Gründen nicht in die Kinos geschafft. Für alle die­je­ni­gen, die wie­der ein­mal einen gelun­ge­nen Genre-Film sehen wol­len, oder die ganz ein­fach ihr inne­res Kind mit Bildern von beein­druckend toben­den Trollen beglücken wol­len, ist nun die DVD im Handel erhält­lich.

Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2011

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