SILK

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Von Lukas Vogelsang – Das neue Tanzprojekt von Dakini Dance ist dem Thema Schönheit und Liebe gewid­met. Susanne Daeppen und Christoph Lauener tan­zen ein Duett in einem Raum vol­ler Poesie, Licht, Klang, Farben und dem typi­schen Dakini-Merkmal: Der Langsamkeit.

Ihr schreibt in einer Kurzbeschreibung: «Wenn Schönheit wie­der ein Bedürfnis gewor­den ist.» Was ver­steht ihr unter Schönheit und Bedürfnis?

SD: Die Worte von Meret Oppenheim haben Resonanz in mir, weil ich mich durch den Butoh-Tanz auch über lan­ge Zeit bewusst dem «Unschönen» gewid­met habe: dunk­len Gefühlen in mir, Aggressionen, aes­the­tisch auch in der Bewegung mich Knorrigem zuge­wen­det habe, das als unschön bezeich­net wird. Dehalb ist es für mich ein Bedürfnis ins Lichtvolle, Leichte zu kom­men, aber auch mein Gefühl für Aesthetik künst­le­risch aus­zu­le­ben. Das ist durch die Begegnung mit Christoph Lauener dop­pelt so schön, weil ich sein Gefühl für Aesthetik in der Kunst tei­len kann.

Wenn ich an zeit­ge­nös­si­sche Kunst oder aktu­el­le Tanzproduktionen den­ke, die ich gese­hen habe, hat es mir zu wenig Schönheit. Aus die­sem Grund kre­iere ich sie selbst, um auch auf die­ser Ebene «unser» Publikum zu berüh­ren.

CL: Schönheit zei­gen, Schönheit füh­len, Schönheit schen­ken. Wer trägt Bedürfnisse die­ser oder ähn­li­cher Art nicht in sich? Wenn ich mich den Schönheiten die­ser Erde wid­me, füh­le ich mich glück­lich. Der Ausstrahlung eines Bildbandes erlie­gen, sich musi­ka­li­schen Leckerbissen hin­ge­ben, klei­ne Kostbarkeiten aus der Natur beob­ach­ten… Glücklich-Sein, ja, da geb ich dem Bedürfnis nach Schönheit sei­nen Raum.

Kann man Schönheit ver­all­ge­mei­nert defi­nie­ren?

SD: Ich glau­be nicht. Jeder und Jede hat ande­re Ansichten. Und doch glau­be ich zu füh­len, wann Menschen etwas ent­spricht oder nicht. Ich glau­be, es gibt so etwas wie arche­ty­pi­sche Schönheit, wie z.B. ein Sonnenaufgang, eine Mondnacht, ein strah­len­des Lächeln, eine leuch­ten­de Farbe, Sternenhimmel, ange­neh­me Klänge.

CL: Schönheit ist in sei­ner Definition so viel­fäl­tig wie es Individuen gibt. Wir brau­chen Schönheit nicht zu ver­all­ge­mei­nern. Kunst, in wel­cher Form sie sich auch aus­drücken mag, lebt von die­sem indi­vi­du­el­len Empfinden.

Musik, Klang, Farben – spielt ihr mit Klischees, oder wel­che Inspirations-Quellen habt Ihr hin­zu­ge­zo­gen? Gibt es Thesen, die ihr bear­bei­tet?

SD: Nein, wir ver­su­chen «Klischees» sicher zu ver­mei­den. Wir wären sonst nicht mit dem Butoh unter­wegs, denn der Butoh ver­sucht Muster zu sehen und zu durch­bre­chen. Es braucht für mich aber auch eini­gen Mut zu dem was wir mit SILK tun: denn wir haben bewusst rockigen/bluesigen Gitarrensound, der ein Klischee sein könn­te. Wir sind bewusst in einer sanf­ten Bewegungssprache unter­wegs, wol­len männ­lich und weib­lich Stereotypisches auf­lö­sen. Für mich geht es in SILK auf allen Ebenen um Einfachheit, Reduktion auf die Essenz. Das gan­ze ist für mich wie in der Alchemie: es kommt auf die Mischung an. In unse­rem Fall: wie set­zen wir Bekanntes und Unbekanntes zusam­men? Und das ergibt unse­re Sprache, das ergibt SILK!

CL: Wir sind unse­ren Intuitionen gefolgt. Wir führ­ten kei­ne Diskussionen über den Farb-raum – wir waren uns klar, dass es ein Blauraum wird. Wir führ­ten auch kei­ne Diskussion über Musikstil und Instrumentierung – wir wünsch­ten uns die elek­tri­sche Gitarre, in wel­chen Färbungen auch immer. Gelassen begeg­nen statt den­kend suchen, Erfahrungsschätze zusam­men­fü­gen, kom­bi­niert mit Offenheit für neue Begegnungen mit Künstlern ande­rer Sparten, voi­là.

Schönheit und Liebe – es klingt im ersten Augenblick sehr eso­te­risch. Was wollt ihr bei den Zuschauern bewe­gen? Wen wollt ihr errei­chen? Was wollt ihr mit­ge­ben?

SD: Schon nur, dass Schönheit und Liebe eso­te­risch sein sol­len, moti­viert mich, SILK immer wie­der zusam­men mit Christoph mit einem Publikum zu tei­len. Warum soll das eso­te­risch sein? Nach mei­ner Meinung ist es das, was wir heu­te in die­ser Gesellschaft v.a. brau­chen. Unsere Gesellschaft hat viel Lebensfeindliches, und an mensch­li­cher Wärme ver­lo­ren.

Ich will die Menschen berüh­ren mit unse­rem Tanz. Mitgeben will ich eben Schönheit und Liebe, die aus mir als Künstlerin her­aus­strömt.

Tanz ist eine Kunst des Moments: wenn es mir gelingt mich zu öff­nen für das Publikum, mei­nen Tanzpartner und den Inhalt unse­rer Performance, wird eine gros­se Kraft frei. Wir spre­chen ein Publikum an, das nicht kon­su­mie­ren will, son­dern ein akti­ver Teil des Geschehens ist, das wir mit SILK ini­zie­ren.

Nach den 8 Vorstellungen, die wir seit Beginn unse­rer Tournee hat­ten, weiss ich, dass es so gesche­hen ist. Menschen gehen ange­nehm und berührt aus der Performance nach Hause.

CL: Es ist Zeit, den zer­stö­re­ri­schen Kräften, wel­che in der mul­ti­me­dia­len Welt von heu­te (zu) viel Präsenz haben, mit Schönheit und Liebe zu ant­wor­ten. Wenn ich des­halb als «eso­te­risch» ein­ge­stuft wer­de, muss mich dies nicht küm­mern: Denn Schönheit und Liebe ist uni­ver­sell und bedarf kei­ner Kategorie.

SILK ist eine Einladung an alle. Das Thema klam­mert nie­man­den aus. Wer der Einladung ins Theater folgt und wer nicht, liegt nicht in mei­nem Ermessen. Wir wol­len nach­hal­ti­ge Bilder mit­ge­ben, archa­isch-sim­pel und für sich spre­chend. Wer eine Story im Inhalt sucht, der möge suchen. Wer ana­ly­sie­ren will, möge ana­ly­sie­ren.

Ihr habt ein Zitat von Meret Oppenheim ver­wen­det: «Wenn die Natur nicht mehr als des Menschen Feind behan­delt wird, wenn Geschlechterkampf ein unbe­kann­tes Wort ist, weil auch die in den Männern vor­han­de­nen Eigenschaften – Gefühl, Gemüt, Intuition – voll ein­ge­setzt wer­den und gleich­zei­tig das weib­li­che Geschlecht sei­nen wich­ti­gen Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der Menschengesellschaft erbrin­gen kann, wenn Komfort nicht mehr mit Kultur ver­wech­selt wird, wenn Schönheit wie­der ein Bedürfnis gewor­den ist – dann wer­den Dichtung und Künste von selbst wie­der ihre Plätze ein­neh­men. Wenn auch der Schleier der Sehnsucht immer über ihnen lie­gen wird, wie ein ewi­ges Versprechen.» Da ist Geschlechterkampf ein Thema. Ist das heu­te noch aktu­ell?

SD: Aber sicher; viel­leicht nicht mehr ganz so als Kampf, aber sicher in ver­steck­ten, kul­tu­rell beding­ten und über­lie­fer­ten Mustern. Es dau­ert noch eine Weile bis Frau und Mann wirk­lich Mensch sein dür­fen.

Aber das bräuch­te sicher ein Interview nur mit die­ser Thematik.

In SILK woll­ten wir bewusst kei­ne Beziehungskonflikte tan­zen; denn das haben wir jetzt in den letz­ten Jahren bis zur Genüge im zeit­ge­nös­si­schen und klas­si­chen Tanz gese­hen. Christoph Lauener und ich fra­gen in SILK nach die­ser Möglichkeit, als weib­li­ches oder männ­li­ches Wesen ein­fach Mensch zu sein.

CL: Susanne hat auch in mei­nem Sinne geant­wor­tet.

Der Tanz ist schluss­end­lich die tra­gen­de Kunst in die­ser Performance. Ihr seid auch pri­vat ein Paar. Wäre es mög­lich, die­se Berührungen und die­se Innigkeit mit einem frem­den Partner oder einer Partnerin zu errei­chen? Und wie fühlt sich das an, die­se Partnerschaft auf der Bühne den Zuschauern zu prä­sen­tie­ren?

SD: Für mich ist es eine lan­ge Vision, die sich erfüllt hat in der Begegnung mit Christoph Lauener. Es ist eben so gren­zen­los wie der Butoh selbst, oder wie ursprüng­li­che Kunst aus matri­ar­cha­li­schen Kulturen: das Leben ist Kunst und Kunst ist Leben, es gibt nicht die­se Trennung. Das gefällt mir an unse­rer Begegnung, denn wir sur­fen auf allen Ebenen und tei­len es in unse­rem gemein­sam gewähl­ten Rahmen, was eben SILK gewor­den ist.

Wir tei­len Intimität mit dem Publikum, weil wir etwas Archaisches – was alle Menschen auf der see­li­schen Ebene ken­nen – berüh­ren. Das fin­de ich ist auch der Sinn einer spi­ri­tu­el­len Kunst. So sehe ich das was wir tun.Wir sind als Künstler ein Kanal, durch den das was sowie­so in der Gesellschaft schlum­mert durch­flies­sen will. SILK ist eine Essenz von unse­rem Erlebten und unse­ren Beobachtungen.

CL: An der Seite von Susanne zu tan­zen ist ein Genuss! Wir ver­trau­en ein­an­der in der Bewegungssprache und wis­sen ob unse­rer Professionalität. SILK tankt uns jedes Mal von neu­em auf. Nicht, dass wir nicht selbst­kri­tisch oder gar über­heb­lich wären, aber die Tanzkunst, die wir zei­gen, ist für uns stim­mig und somit rich­tig. SILK ist kre­iert wor­den, weil der Wunsch von Susanne auf den Wunsch von Christoph traf. Die Frage zu ande­ren Tanzpartnern in Bezug zu SILK erüb­rigt sich für mich.

Die Langsamkeit im Tanz fin­det bei Dakini Dance den Ursprung im Butoh, einer japa­ni­schen Tanzform. Was ist bei SILK noch Butoh und wo ist es eben mehr Dakini Dance? Gibt es da eine klar erkenn­ba­re Grenze?

SD: Es gibt kei­ne Grenze. Nur Inspiration durch Butoh. Ich habe alle Tanzstile, sobald ich sie erkannt habe, ver­sucht wie­der auf­zu­lö­sen. Es lang­weilt mich schnell. Mein Wunsch war, mich authen­tisch und ehr­lich zu bewe­gen; nicht nur phy­sisch, was ja heu­te zum Glück vie­le Bewegunsgrichtungen rea­li­siert haben, eben auch emo­tio­nell und in Verbindung mit dem Seelischen durch­schau­bar zu sein. In ande­ren Worten – kei­ne Show.

Wir lösen in SILK ab und zu die Langsamkeit auf. Das gab lan­ge Gesichter bei den­je­ni­gen Zuschauern, die uns nun schon wie­der in eine «Schachtel der Langsamkeit» packen woll­ten. Ich mag es, Erwartungen nicht zu erfül­len. Und genau das kann man mit Christoph Lauener wun­der­bar!

Wir haben auch viel Spass im Kreieren. Und in SILK darf auch mal gelacht wer­den, inmit­ten der Tiefe der Themen.

CL: Ich ant­wor­te ger­ne mit einem Beispiel: Unsere Intuition, unser kla­rer Wunsch war es, auch Passagen «syn­chron» zu tan­zen. Synchronität beisst sich mit Butoh, dem form­lo­sen Tanz. Trotzdem tan­zen wir unse­ren Wunsch, und gera­de die­se syn­chro­nen Momente berüh­ren uns tief. Kein Grund, dar­auf zu ver­zich­ten, oder?

Nach die­ser Produktion: was bedeu­tet die Farbe Blau für euch bei­de?

SD: Sich unend­lich aus­zu­wei­ten. Wie im Blau des Meeres oder des Himmels. Es ist ein Trip, in unse­rem Blauraum der Bühneninstallation zu tan­zen.

Die gan­ze Zusammenarbeit mit dem Maler Joerg Mollet, der Lichtdesignerin Brigitte Dubach und der Kostümmacherin Carla Prang ist ein krea­ti­ver Glücksfall für Christophs und mei­ne Vision von SILK.

CL: Der Blauraum ist zum beseel­ten und ver­trau­ten Raum gewor­den. Blau birgt für mich ein «nach-Hause-Kommen». Blau beru­higt so schön – und hat mir Gelb erschlos­sen.

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2011

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