Die Geburt einer Idee im chi­ne­si­schen Restaurant

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Von Daniel Lienhard – Im April 2007 besuch­te ich in New York eine kon­zer­tan­te Aufführung von Franz Schrekers 1912 kom­po­nier­ter Oper «Der fer­ne Klang». Ich woll­te die ame­ri­ka­ni­sche Première die­ses fas­zi­nie­ren­den Werks unbe­dingt mit­er­le­ben. Das Konzert mit dem American Symphony Orchestra war ein Riesenerfolg. Es wur­de von Leon Botstein diri­giert, den ich von sei­nen zwei Dirigaten beim Berner Symphonieorchester bereits kann­te. In einem chi­ne­si­schen Restaurant wur­de die Aufführung bei gutem Essen und anre­gen­den Gesprächen mit Mitwirkenden und Freunden gefei­ert. Mein Tischnachbar, ein geist­rei­cher älte­rer Herr, sag­te, er sei als jun­ger Mann Schlagzeuger des Boston Symphony Orchestra gewe­sen, aber spä­ter Komponist und Dirigent gewor­den. Wie sich her­aus­stell­te, war es Harold Farberman, mit dem ich mich unter­hielt – ein vor allem in Schlagzeugkreisen berühm­ter Komponist, Schüler von Aaron Copland, und in den USA einer der bekann­te­sten Dirigierprofessoren und sel­ber ein nam­haf­ter Orchesterleiter. Im wei­te­ren Verlauf des Abends mein­te Farberman, dass er inter­es­siert wäre, ein Werk für Hornquartett zu schrei­ben.

Als ich bereits wie­der zu Hause war, schrieb er mir: Er könn­te für vier Hörner bestimmt ein gutes Stück schrei­ben, aber für vier Hörner und Schlagzeug «a ter­ri­fic one». Ich ant­wor­te­te ihm, er sol­le das «ter­ri­fic one» kom­po­nie­ren, obwohl ich wuss­te, dass ein Stück mit mehr-eren Perkussionsinstrumenten wesent­lich schwie­ri­ger zu pro­ben und auf­zu­füh­ren sein wür­de. Dennoch reiz­te mich die sel­te­ne Kombination von Hörnern und Schlaginstrumenten. Einige Monate spä­ter erreich­te mich bereits ein Umschlag mit dem fer­tig geschrie­be­nen Opus in Partitur und Stimmen. Der selt­sa­me Titel «Horns=Strauss+Percussion» ist dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass das gan­ze Werk wie ein Puzzle aus Tonfolgen von Hornstimmen aus Werken von Richard Strauss zusam­men­ge­setzt ist.

Nun hat­te ich also ein ori­gi­nel­les Werk in einer ganz und gar unge­wöhn­li­chen Besetzung. Aber wo könn­te man es spie­len? Die beste Lösung, dach­te ich, wäre eine Aufführung im Rahmen einer BSO-Kammermusikmatinée mit dem gesam­ten Hornregister. Spass inklu­si­ve.

Nachdem mei­ne KollegInnen ihr Interesse signa­li­siert hat­ten, ging es jetzt dar­um, ein attrak­ti­ves Programm zu gestal­ten. Aber was passt am besten zu Hörnern mit Schlagzeug?

Klar war, dass ver­schie­de­ne Stile vor­kom­men soll­ten. Ich ent­schied mich für eine Kombination aus spät­ro­man­ti­schen und moder­nen Werken, die die unter­schied­li­chen Facetten des Horns beson­ders gut zur Geltung brin­gen wür­den.

Durch mei­ne Bekanntschaft mit der Witwe des deut­schen Komponisten Gerd Boder wus-ste ich, dass ein Werk von ihm für vier Hörner, der Choral «Nun lobet Gott im hohen Thron» bis­her, viel­leicht auf­grund sei­nes Schwierigkeitsgrades, noch nie gespielt wor­den war. Dank des hohen Niveaus im BSO-Hornregister konn­te ich es ris­kie­ren, auch die­ses Werk als wei­te­re Uraufführung zu pro­gram­mie­ren. Einmal als «die Hoffnung der zeit­ge­nös­si­schen Musik» bezeich­net, trau­te man Boder zu, auf inter­na­tio­na­ler Ebene einer der füh­ren­den Komponisten zu wer­den, was ihm auf­grund einer schwe­ren Erkrankung ver­wehrt blieb. Seine Werke, in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg kom­po­niert, stel­len die Interpreten trotz ihrer eigent­lich tra­di­tio­nel­len Kompositionsweise vor gros­se Herausforderungen. Die Hornisten wer­den bis an die Grenze ihrer phy­si­schen Belastbarkeit gefor­dert, und die rhyth­mi­sche Komplexität erfor­dert höch­ste Konzentration.

Die wei­te­ren Werke des Programms stam­men von einem phil­har­mo­ni­schen Kontrabassisten aus Wien, einem Freund und Tennispartner von Arnold Schönberg aus Kalifornien, einem tsche­chi­schen Komponisten, der E- und U‑Musik ver­bin­det, und einem unga­ri­schen Spätromantiker: Garantie für ein abwechs­lungs­rei­ches Konzert. Den krö­nen­den Abschluss bil­den zwei bel­gi­sche Werke für sie­ben und acht Hörner mit einer gera­de­zu orche­stra­len Klangfülle. Im Keller des Genfer Conservatoire in einem Hornistennachlass gefun­den, wer­den sie in Bern ihre Wirkung nicht ver­feh­len.

Eine Hürde galt es noch zu neh­men: die Jury für die BSO-Matinéen muss­te von der Qualität des Programms über­zeugt sein. Das war sie aber zum Glück…

Foto: zVg.
ensuite, März 2011

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