Ein Wortgeflecht

Von

|

Drucken Drucken

Von Franziska Zihlmann – oder wie sich die Sprache ver­selbst­stän­digt: Was pas­siert, wenn neun Menschen zufäl­lig in einen vir­tu­el­len Dialog tre­ten und über Hunde essen­de Chinesen, Schuhe oder Sehnsucht spre­chen? Die neue­ste Theaterproduktion des Berner StudentInnentheaters pro­biert es aus und wan­delt die Bühne zum Theaterlaboratorium. fran­zis­ka zihl­mann.

Neun Menschen – die unter­schied­li­cher nicht sein könn­ten – tref­fen zufäl­lig am Treffpunkt eines belie­bi­gen Bahnhofs auf­ein­an­der; sin­nie­ren über die Zukunft, wer­ben für NGOs oder ver­trei­ben sich ein­fach nur die Zeit. Lediglich eins haben die neun Menschen gemein­sam: sie war­ten, und wer­den Teil eines sich ent­wickeln­den Wortgeflechts. Die neue­ste Theaterproduktion «ich bin ein WORT – holt mich hier raus» des Berner StudentInnentheaters (BeST) lädt zu einem Abend vol­ler Begegnungen und Zufälle, in deren Mittelpunkt immer­zu das Wort steht. Nach der letzt­jäh­ri­gen Inszenierung von Oscar Wildes «Bunbury» wagt sich die Gruppe auf ein neu­es Terrain, und wan­delt die Bühne zu einem Theaterlaboratorium. «Wir woll­ten etwas Neues aus­pro­bie­ren, expe­ri­men­tie­ren, und ein Stück von a bis z selbst ent­wickeln», erklärt Claudia Bossard, die zusam­men mit Bea Schild das Regieteam bil­det. «Den Bahnhof wähl­ten wir als Ausgangspunkt, da er als Zwischenort Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ver­eint, und als Ort der Begegnung wild­frem­de Menschen zusam­men­bringt.» Die bei­den Regisseurinnen ent­schie­den sich bewusst für einen Ort, der Zufälle ermög­licht, da dort die Menschen ein natür­li­ches Verhalten an den Tag legen.

Neun AutorInnen Ausgehend von die­ser Idee wur­de impro­vi­siert, aus­pro­biert und geän­dert, bis die Charaktere Konturen erhiel­ten. Für Bossard war jedoch bald klar, dass die Dialoge zwi­schen den Figuren nicht von einer Person geschrie­ben wer­den kön­nen, son­dern jede Figur ihre eige­ne Autorin bezie­hungs­wei­se ihren eige­nen Autoren benö­tigt. «Da ver­schie­de­ne Charaktere völ­lig zufäl­lig auf­ein­an­der tref­fen, war es für uns um so wich­ti­ger, dass die Gedanken, die Argumentationsweisen und der Sprachstil indi­vi­du­ell und ver­schie­den sind.» So wur­de denn auch für jeden Charakter ein Autor oder eine Autorin gesucht, die über einen guten Monat hin­weg all wöchent­lich unter einem neu­en Stichwort mit einer frem­den Person in einen vir­tu­el­len Dialog trat. Ausgehend von den defi­nier­ten Charakteren unter­hiel­ten sich die Personen über die unter­schied­lich­sten Dinge und ent­wickel­ten dabei die Textgrundlage für das Stück. Bossard war beein­druckt von den Ergebnissen: «Es ent­stan­den immense Dialoge, die einen hohen lite­ra­ri­schen Wert auf­wei­sen». Schliesslich wur­de das Rohmaterial von den bei­den Regisseurinnen gekürzt, umge­schrie­ben und zu einem Stück col­la­giert, wobei die Bühnenbildnerin Simone Gfeller und Dominik Widmer mit krea­ti­ven Inputs stets zur Seite stan­den.

Die Premiere will das Geheimnis lüf­ten Mit jedem Wort und jedem Satz wur­den somit die Dialoge ent­wickelt und die Figuren immer prä­gnan­ter geformt. Eine Herangehensweise die sich der ari­sto­te­li­schen Dramenform dia­me­tral ent­ge­gen stellt, und stark an ein jelin­ek­sches Sprachgeflecht erin­nert. «ich bin ein WORT – holt mich hier raus» ist kein psy­cho­lo­gi­sches Theater im Sinne, dass die Entwicklung der Figuren im Zentrum des Stückes steht. Die Rollen hal­ten sich nur mit­tels ihrer Sprache über Wasser, die Figuren sind ein­zig, was sie sagen. Ohne die Autorin oder den Autor der zu inter­pre­tie­ren­den Charaktere zu ken­nen, feilt das neun-köp­fi­ge Schauspielteam der­zeit an der Ausarbeitung der jewei­li­gen Darstellungen. «Welche Person sich jeweils hin­ter den Figuren ver­steckt, bleibt vor­erst unser Geheimnis», so Claudia Bossard. «Erst an der Premiere wer­den die Schauspielenden und Schreibenden erst­mals auf­ein­an­der tref­fen», fügt sie lächelnd hin­zu.

Die neue Theaterproduktion «ich bin ein WORT – holt mich hier raus» ist ein Experiment, das «gwund­rig» macht.

Foto: zVg.
ensuite, März 2011

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo