Die Welt in mei­nen Händen: Teil 4

Von

|

Drucken Drucken

Von Lukas Vogelsang – Folge 4: Zahlen für nichts. Wir kau­fen blöd:

Die Welt der Technik ver­än­dert unauf- halt­sam unse­ren Alltag. Autos, Wasch- maschi­nen, Zahnbürsten, Wecker, Ei-erko­cher – Alltagsgegenstände sind digi­tal gewor­den. Dies hat weit­wir- ken­de kul­tu­rel­le Konsequenzen und schliesst auch ganz vie­le Menschen aus. Digital ist nicht bes­ser, son­dern anders. Und die Unterschiede müs­sen gelernt wer­den. ensuite ver­sucht neue Technik zu erklä­ren – aber auch Sinn und Zweck zu hin­ter­fra­gen.

Ist Ihnen auch schon auf­ge­fal­len, dass mit dem Einzug der digi­ta­len Technik die Welt nicht bil­li­ger oder intel­li­gen­ter, frei­er oder span­nen­der gewor­den ist? Es ist wie mit der Illusion vom papier­lo­sen Büro: Eine end­lo­se Täuschung, wel­che ins Gegenteil umschlägt.

Nun, in unse­rer Redaktion ver­su­chen wir, mit Maschinen und Automation die Arbeitsabläufe so effi­zi­ent und gün­stig wie mög­lich zu hal­ten. Deswegen sind wir immer wie­der an tech­no­lo­gi­schen Experimenten und Tests betei­ligt, ver­su­chen, unse­re Administration durch intel­li­gen­te Verknüpfungen von gün­sti­gen Hilfsmitteln, Software und Innovation ein­fach zu hal­ten. Das gelingt uns recht gut, wenn wir beden­ken, dass wir unse­re Abonnementen-Administration mit einer knapp 300-frän­ki­gen Software mei­stern – eine pro­fes­sio­nel­le Verwaltungssoftware wäre ab 25’000 Franken zu haben. Wir haben auch eine Faltmaschine für die Briefe, neu­stens auch eine Kuvertiermaschine, wel­che die Briefe und Rechnungen selb­stän­dig in die Briefumschläge abfüllt. Das sind sinn­vol­le und prak­ti­sche Automationen. Mit einem Händchen für das Dealen kann man sol­che Geräte sehr gün­stig ergat­tern.

Anstatt Briefmarken Aus rei­ner Neugier hat­te ich nun eine Frankiermaschine ins Visier genom­men. Die Idee einer Frankiermaschine ist, die Post ein­fach zu fran­kie­ren. So ein Gerät ist aber nicht bil­lig, und es macht durch­aus Sinn, sich die eine oder ande­re Frage zu stel­len. Also: Wir haben viel Post pro Tag, über 50 Briefe, und die müs­sen fran­kiert wer­den. Bisher haben wir das mit der PP-Poststempelung gere­gelt. Das heisst, wir fül­len ein Formular aus, brin­gen die Briefe zur Post, und bezah­len erst einen Monat spä­ter die Frankierung in einer Sammelabrechnung. Meine erste Frage bei einem Hersteller für Frankiersysteme lau­te­te also: «Was kann ich ein­spa­ren, wenn ich sel­ber fran­kie­re? Was ist der Vorteil einer sol­chen Maschine?» Die Antwort eines Telefonisten war ernüch­ternd: «Wir haben tau­sen­de von Kunden, irgend­ei­nen Grund wird es schon geben…». Ein wenig spä­ter prä­zi­sier­te ein sehr guter Verkäufer auf mei­ne Fragen hin, nicht ohne zu Grinsen: «Einsparen? Die Maschine kostet über 4’000 Franken, dann muss sie jähr­lich ein­mal von Fachpersonal über­prüft wer­den. Einsparen tun sie gar nichts. Im Gegenteil.»

Ich bin immer wie­der über­rascht von so viel Ehrlichkeit. Aber es ist wohl­tu­end. Es gibt drei Firmen, die Frankiersysteme anbie­ten – ein lukra­ti­ves Geschäft für die­se Firmen. Aber auch für die Post: Die eige­nen Arbeitsabläufe wer­den aus­ge­la­gert, ohne dass man finan­zi­el­le Abstriche machen muss. Elementar ist für mich die Frage: Wieso gibt es tau­sen­de von Firmen, die sich so über­töl­peln las­sen? Eine klei­ne Hochrechnung: Drei Firmen, die je ca. 10’000 Maschinen à ca. 4’000 Franken ver­kau­fen, ergibt einen Gesamtmarkt von 120 Millionen Franken, und jähr­li­che Serviceeinnahmen von 4.5 Millionen Franken. Für gar nichts. Wahnsinn.

Gierige Post Das ist nur ein Beispiel für eine mass­lo­se Verschwendung. Es gibt noch ande­re, ganz wit­zi­ge Beispiele: Überweisungen aus dem Ausland in die Schweiz, per Post, auch so ein lusti­ges Thema. Wir ver­kau­fen seit Jan-uar Abos auch nach Deutschland, und muss­ten uns von den Kunden dort nun mit­tei­len las­sen, dass sie 30 Euro Transfergebühren bezah­len müs­sen. Bei einem Abo von 77 Schweizer Franken eine unver­ständ­li­che Sauerei. Aber: Wenn man dies über Kreditkarten löst, kostet es nur die nor­ma­len Transfergebühren, also viel­leicht vier bis fünf Franken. Wer sich ein gra­tis Pay-Pal-Konto (www.paypal.com) ein­rich­tet, kann eini­ge Kunden rich­tig glück­lich machen… Bei rund hun­dert Auslandabonnementen sind das Einsparungen von rund 4’050 Franken.

Der Absahn-Trend Kunden bezah­len für Dinge, die eigent­lich gra­tis wären. Es scheint zum guten Ton zu gehö­ren, die Kundschaft übers Ohr zu hau­en. Gerade die Grosskonzerne über­bie­ten sich dies­be­züg­lich gegen­sei­tig. Allerdings ver­ra­ten die­se Firmen mit sol­cher Praxis mehr als ihnen lieb ist: Wer sei­ne Kunden über den Tisch zie­hen muss, zeigt doch, dass der Betrieb nicht ren­ta­bel ist, oder aber, dass man sich unfair berei­chern will. Das ist lang­fri­stig garan­tiert unge­sund. Es schmerzt, dass aus­ge­rech­net Banken und die Post bei sol­chen Angeboten immer ganz vor­ne dabei sind. Dieser Trend nimmt aber all­ge­mein mas­siv zu, und es scheint ein gren­zen­lo­ses Terrain zu sein. Das wirk­lich Schlimme aber ist, dass wir gleich­zei­tig von Fortschritt reden.

Apropos Absahnen und Fortschritt: Fast die gesam­te Computerwelt baut auf Konzepte, wel­che vor 25 Jahren geschaf­fen wur­den. Programme, die wir täg­lich im Einsatz haben, sind schon so ver­al­tet und über­holt, dass es eine Schande ist, sie über­haupt noch zu ver­kau­fen. Buchhaltungsprogramme zum Beispiel wer­den ein­fach immer ein wenig aktua­li­siert, doch vor 25 Jahren war die Software-Architektur an einem ande­ren Ort, als sie es heu­te ist. Die Updates sind ent­spre­chend über­teu­ert, doch das Programm müss­te schon längst vom Markt genom­men wer­den. Das «es funk­tio­niert doch noch»-Argument ist nicht kor­rekt. Wir kau­fen auch kei­ne neu­en Autos mit einem tech­ni­schen Stand wie vor 25 Jahren. Mit «Windows 7» und den neu­en Intel-Macintoshs haben die Bertriebssysteme so eini­ge Leichen defi­ni­tiv ins Grab gebracht. Die Branche hat geschrien. – Doch eigent­lich haben die Kunden seit Jahren zum ersten Mal wirk­lich davon pro­fi­tiert – Microsoft und Apple natür­lich auch…

Foto: zVg.
ensuite, März 2011

 

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo