Hut up!

Von

|

Drucken Drucken

Von Simone Weber – Ein pas­sen­der Hut gehör­te vor eini­gen Jahrzehnten zum Ausgangstenue wie heu­te botox­ge­bü­gel­te Stargesichter auf den roten Teppich. Daran hat sich in den letz­ten fünf­zig oder sech­zig Jahren ganz schön was ver­än­dert und man muss sich ernst­haft fra­gen, wel­che Rolle ihm im Modezirkus eigent­lich geblie­ben ist? Um dies her­aus­zu­fin­den, müs­sen wir erst ein­mal wis­sen wann ein Hut ein Hut ist und wann er zu einer Kappe oder Mütze wird. Denn die Mützen und Kappen ste­hen anders als ihr Stiefvater hoch im Kurs der Fashionbörse. Im Gegensatz zu Kappe und Mütze hat der Hut eine feste Form und eine durch­rei­chen­de Krempe, also so ein Teil, das waag­recht vom Kopf absteht. Wenn die­se Krempe nicht um den gan­zen Kopf reicht, wird der Hut zu einer Kappe. Das Baseballcap bei­spiels­wei­se ist so ein Fall. Auch die wei­che Mütze hat kei­ne umlau­fen­de Krempe.

Vergessen wir nun aber Kappe und Mütze und kon­zen­trie­ren uns auf den mit der Umlaufkrempe. Jahrhunderte lang war der Hut fester Bestandteil einer voll­stän­di­gen Bekleidung, war Symbol für die gesell­schaft­li­che Standeszugehörigkeit, den Beruf oder die poli­ti­sche Gesinnung eines Menschen. Das Wort Hut bedeu­tet im ursprüng­li­chen Sinne Schutz, Behütung oder Obhut, hat also den­sel­ben Wortstamm wie die Hütte. Und genau dies scheint heu­te wie­der sei­ne Primärfunktion zu sein. Denn im Alltag sehen wir haupt­säch­lich Sonnenhüte und Regenhüte. Abgesehen vom Hut als Blickschutz vor kah­len Stellen dort wo Haare spries­sen soll­ten oder ange­schweiss­te Haarsträhnen ist der Alte mit Krempe qua­si zur Wetterbarriere ver­kom­men und wur­de etwas ins modi­sche Abseits gestellt. So soll er den Kopf vor Kälte, Nässe oder zu viel Sonnenhitze schüt­zen. Dazu sind vor allem Hüte mit brei­ten Rändern geeig­net wie der Sombrero oder der Cowboyhut.

Als gesell­schaft­li­ches Gruppenzugehörigkeitssymbol wird die stei­fe Kopfbedeckung kaum mehr ver­wen­det. Vielleicht noch an irgend­wel­chen über­flüs­si­gen Society-Pferderennen. Den Tick mit der Eleganz oder viel­mehr Extravaganz hat er gott­sei­dank über­wun­den und wur­de viel­mehr zum Zeichen von Lässigkeit, Coolness und modi­scher Wagemutigkeit.

Heute steht der Hut anstel­le eines Status- oder Standessymbols für Individualität. Man den­ke an Udo Lindenberg oder Marlene Dietrich, die sich den Hut zum Erkennungszeichen gemacht haben. Kate Moss hat den aktu­el­len Melonentrend bei Frauen vor weni­gen Jahren ins Leben geru­fen. Auch sie steht für Individualität in Modesachen und wird dadurch oft zur Trendsetterin. Den Hut hat sie mit Sicherheit zumin­dest ein Stück aus der modi­schen Versenkung geholt und zurück ins Rampenlicht gestellt. Die Frage ist nun, wie lan­ge der Kopfschmuck es auf der Bühne aus­hält. Schenken wir ihm doch einen gebüh­ren­den Applaus.

Weshalb und wann wur­de dem Hut aber eigent­lich die gel­be Karte erteilt? Im 12. Jahrhundert war er als männ­li­che Kopfbedeckung noch ein Standeszeichen und wur­de mit Federn geschmückt oder mit Biberhaar. Zwei Jahrhunderte spä­ter war die Kopfbedeckung auch bei Frauen gefragt und es ent­stand ein ste­ti­ger Wettbewerb um das ori­gi­nell­ste Modell. Den Damenhut gab es als­dann mit Schleier, mit Bändern ver­ziert und mit bis zu 60 Zentimeter hohem Spitz, was ihn äus­serst unprak­tisch mach­te wie man sich den­ken kann. Vielleicht war dies ein Trost für alle Frauen von Bauern und Knechten, denn die muss­ten sich mit bie­de­ren Kopftüchern begnü­gen.

Viele klas­si­sche Hutformen wie die Melone, der klas­si­sche Filzhut mit sei­ner hoch­ge­bo­ge­nen run­den Krempe und der Strohhut für Männer und Frauen ent­stan­den im 18., 19. und frü­hen 20. Jahrhundert in England. Die Krempen wur­den Anfangs immer grös­ser, ver­klei­ner­ten sich dann aber ab den 1920er bis in die 1960er Jahre wie­der. Die Frisuren wur­den der Kopfbedeckung ange­passt. Wer einen Hut trug, sym­bo­li­sier­te damit sei­nen üppi­gen Wohlstand. Wollte eine Frau als gut geklei­det gel­ten, ver­liess sie ihr trau­tes Heim nie­mals ohne die pas­sen­den Kopfbedeckung. Seine Verwendung im Alltag ver­lor der Hut ab den 1950er Jahren zuse­hens. Die Kopftücher und Leder- oder Strohhüte der Hippies mach­ten Ende der 60er der Hutmode im enge­ren Sinne den end­gül­ti­gen Geraus. Und selbst Indiana Jones ver­moch­te ihn nicht wie­der auf sei­nen alten Thron zu setz­ten.

Ganz ver­schwun­den sind die Hüte aber zum Glück noch nicht. Noch immer gibt es zahl­rei­che Boutiquen, die hohe, brei­te, dezen­te und extra­va­gan­te, schö­ne und häss­li­che Hüte ver­kau­fen. Die wer­den sich sicher­lich beson­ders freu­en, dass ein gewis­ser Hang zum Hut bei weib­li­chen und männ­li­chen Fashionistas– Moss und Doherty sei Dank – wie­der auf­ge­kom­men ist. So sehr, wie vie­le Leute auf einen Hut den­noch bestens ver­zich­ten kön­nen, so wenig kön­nen dies ande­re. Der Lindenberg – um noch­mals auf Ihn zurück­zu­kom­men – soll sein modi­sches Lieblingsstück sogar beim Liebesspiel anbe­hal­ten. Bei der Allgemeinheit konn­te sich die­ser Trend (soviel ich weiss) jedoch noch nicht durch­set­zen.

Bild: Stetson Panama Hut / Foto: zVg.
ensuite, November 2010

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo