Die Geschichte des Trash sel­ber schrei­ben

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Von Pascal Mülchi – Das Ziel die­ser Rubrik war und ist es, Trash-Kultur des 21. Jahrhunderts in hie­si­gen Gefilden zu ergrün­den. Die ersten fünf Ausgaben zeig­ten, dass der Interpretationsrahmen bei der Verwendung des Begriffs Trash sehr weit­läu­fig, zuwei­len gar belie­big ist. Vorhanden ist dage­gen stets der Faktor Zeit.

Wir Menschen haben das Privileg, unse­re Geschichte sel­ber schrei­ben zu kön­nen: Anno dazu­mal dank Gutenberg, heu­te dank Internet-Blogs. Jede/r kann sich in den öffent­li­chen Diskurs ein­mi­schen. Wir pro­ji­zie­ren dabei nach Belieben die Vergangenheit auf die Gegenwart und die Zukunft – auch umge­kehrt. Was ein­mal war, ist heu­te wie­der. Altes wird zu Neuem.

Eine der weni­gen wis­sen­schaft­li­chen Publikationen zu «Trash Culture» (von Richard K. Simon) unter­streicht die­se Feststellung anhand von Fallbeispielen: Simon zeigt, wie stark zeit­ge­nös­si­sche moder­ne Kultur von ver­gan­ge­nen Literaturklassikern und kul­tu­rel­len Arbeiten inspi­riert und adap­tiert wird. Der Amerikaner schlägt dabei zum Beispiel eine Brücke zwi­schen Star Wars und dem Heldengedicht «Faerie Queen» aus dem 16. Jahrhundert. Als Brückenpfeiler ver­steht er «high» und «low cul­tu­re», deren Interdependenzen neue Auffassungsarten pro­du­zie­ren und gebä­ren. «Low cul­tu­re» ihrer­seits wird nicht sel­ten als abschät­zi­ge, nied­ri­ge, schmut­zi­ge Kultur mit gerin­gem Anspruch ver­stan­den. In den Ausgaben I bis V hat sich gezeigt, dass oft ver­meint­lich Billiges zu ästhe­ti­scher Kunst trans­for­miert wird. Entscheidend ist dann der Blickwinkel, womit der Aspekt der Selbstdefinition auf­taucht. Der Beobachter ent­schei­det über Trash-Sein oder Nicht-Sein. Junge Generationen bewer­ten frü­he­re Errungenschaften älte­rer Generationen. Spaghetti-Western der 1960er könn­ten heu­te als Trash bezeich­net wer­den. Oder ein kul­tu­rel­les Produkt erhält heu­te eine zwei­te Chance, weil es zu sei­ner Veröffentlichungszeit nicht den Normen ent­sprach. Eine Art Recycling, das den exi­sten­zi­el­len Charakter von «real Trash» betont. Sozusagen Materie, die nie stirbt, son­dern immer wie­der in einer ande­ren, neu­en Form auf­taucht.

«Trash Culture» stellt sich damit der Vergänglichkeit weit­ge­hend ent­ge­gen. Was heu­te Trash ist, ist mor­gen viel­leicht schon nicht mehr Trash. Und so schrei­ben wir unse­re Geschichte – auch die des Trash.

Die Rubrik wird in unre­gel­mäs­si­gen Abständen wei­ter­ge­führt.

Foto: zVg.
ensuite, August 2010

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