Wenn Berner Medien tagen

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Von Lukas Vogelsang – Es kommt mir vor wie ein Besuch in einem Sozitreff. Der 19. Berner Medientag ist besucht von hoff­nungs­vol­len VisionistInnen, die nichts zu sagen haben, ent­las­se­nen GewerkschaftlerInnen, die viel for­dern, und einem Mittelfeld, wel­ches man sofort ver­ges­sen hat. Ich zäh­le mich zu der ersten Kategorie. Das Fordern der zwei­ten Gruppe ist nicht mein Ding und mit dem lang­sa­men Sterben des Mittelfeld will ich nichts zu tun haben. Doch der Medientag ist eine her­vor­ra­gen­de Sache, da sich hier eine Branche begeg­nen kann, die zwar täg­lich in den Medien prä­sent ist, jedoch kaum Zeit fin­det, den KollegInnen mal die Hand zu schüt­teln – auch wenn es schluss­end­lich nur ein Kragenweinen ist. Der Ort des Treffens, das neu reno­vier­te Gebäude der SRG, Radiostudio Bern, war ein ide­al neu­tra­ler und prot­zi­ger Ort.

Das Tagesthema «Ist die abon­nier­te Zeitung am Ende?» hat­te aber dies­mal so wenig Spuren hin­ter­las­sen wie die Frage selbst. Das hat zum einen mit der fal­schen Zusammensetzung der Referenten zu tun, zum ande­ren mit der fla­chen Diskussion. Immerhin sind am Medientag nur pro­fes­sio­nel­le Medienschaffende anwe­send. Als dann ein Journalist an die­ser Form Kritik übte, wur­de er mit einer über­mäs­si­gen Tirade abge­kan­zelt. Zu Unrecht, denn der Einwurf war an die­sem Nachmittag mit Abstand die leben­dig­ste Interaktion. Denn die Verlegerrepräsentatoren von Tamedia, Ueli Eckstein (Verlag) und Arthur Vogel («Bund»), taten, was sie in sol­chen Momenten immer tun: Schönreden. Auffallend dabei war die sicht­li­che Distanzierung vom ehe­ma­li­gen «Bund»-Chefredaktor Hanspeter Spörri, der sich von dem immer unsin­ni­ge­re, arro­gan­te Haltungen ein­neh­men­den Arthur Vogel zen­ti­me­ter­wei­se ent­fern­te. In den Diskussionen auf der Bühne wur­de dann auch schnell klar, dass Vogel und Eckstein kei­ne Ahnung haben – wohl von Zahlen, aber nicht von ihrer funk­tio­nel­len Aufgabe. So selbst­herr­lich kann kein nüch­ter­ner Medienverlagsvertreter daher­re­den – oder wenn, dann müss­ten die Resultate ent­spre­chend stim­men.

Beat Soltermann vom DRS konn­te mit sei­nem Referat am mei­sten Punkte sam­meln – lei­der ist mir nichts hän­gen geblie­ben davon. Aber in Erinnerung habe ich Souveränität, kla­re Argumente und dass er kei­nen Anzug, dafür ein fürch­ter­li­ches rosa Hemd trug. Urs Rueb von der Media Plus glänz­te typisch als Vertreter der Werbebranche, der mit sehr vie­len Worten immer weni­ger sag­te und jede Diskussionsmöglichkeit zum Erliegen brach­te. Das Einzige, was er aus­lö­ste, war ein Stöhnen im Publikum. This Born, ein jün­ge­rer Nachzögling der «Berner Zeitung» und Student der Uni Freiburg, erziel­te mit sei­nem Vortrag über die E‑Reader, also den elek­tro­ni­schen Papierlesegeräten, über die er anschei­nend eine Studie geschrie­ben hat­te, kei­ne Aussage. Während sei­nem Referat frag­te ich mich ernst­haft, ob Universitäten noch in irgend­ei­ner Weise brauch­bar sind. Er hät­te genau­so gut Rüstmesser für die Gemüseküchen ver­kau­fen kön­nen. Neu war hier nichts – schon gar nicht für die JournalistInnen.

Was mich aller­dings fas­zi­nier­te, war der Fakt, dass die Verlage mit der Swisscom im E‑Reader-Bereich Arbeitsgruppen gebil­det haben. Damit zeig­ten sich die Medienleute wie­der bereit, den Markt an die Konkurrenz wei­ter­zu­ge­ben. Den Autohandel haben die Medien an die IT-Firmen ver­lo­ren, die Immobilien und die Stellenmärkte eben­falls. Jetzt berei­ten sie sich vor, auch den elek­tro­ni­schen Vertrieb der Zeitungen der Telekommunikationsbranche abzu­ge­ben. Die Schweizer Medien haben kei­ne Märkte geschaf­fen, son­dern sich immer wie­der nur als Trittbrettfahrer ver­sucht und schluss­end­lich klein bei­gege­ben. Jetzt jam­mern sie. Investitionen wur­den nur im Gratisbereich gemacht – neue Märkte wur­den nicht erschlos­sen. So inve­stier­ten die Tamedias, Ringiers, NZZs Millionen in neue Gratiszeitungen oder Gratisangebote. Doch ins Internet wur­de nicht ein Bruchteil davon inve­stiert – und wenn, dann schreck­lich schlecht und unwis­send.

Wenn Berner Medien tagen, dann brin­gen sie die gan­ze Visionslosigkeit ans Licht. Schade. Dafür brau­chen wir kei­nen Medientag. Das demo­ti­viert die Hoffnung der letz­ten JournalistInnen und freut all jene, die erkannt haben, dass immer noch nicht die Quantität, son­dern die Qualität Massstäbe setzt. Und zum Schluss: Der Berner Medientag hat zwar eine eige­ne Webseite, doch in der Presse war kaum ein Wort über den Nachmittag in der SRG/DRS nach­zu­le­sen. Und wie­der eine ver­ta­ne Chance, neue Medien zu nut­zen…

Cartoon: www​.fauser​.ch
ensuite, Dezember 2009

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