Zwischen Bayern und Bern – #4: Gesprächsstoff

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Von Hannes Liechti (München) und Pablo Sulzer (Bern) – Ausgepafft. Die letz­ten Monate waren geprägt durch die Diskussion um Sinn oder Unsinn des Rauchverbots in den Bars und Clubs der Stadt Bern. «Alles Humbug! Wo sind jetzt die Nichtraucher geblie­ben, die sich wegen des Rauchens beschwert haben? Die Gastronomie lei­det nur unter die­sem Gesetz.» Die einen sind sicht­lich empört und kön­nen sich kei­nes­wegs mit der neu­en Vorschrift anfreun­den. «Dieser Schritt ist wich­tig zur Entlastung der geplag­ten Service-Mitarbeiter. Sie haben nahe­zu kei­ne Chancen, sich über die Schäden des Passivrauchens zu beschwe­ren.» Sowie es Gegner gibt, las­sen sich auch leicht Befürworter des Rauchverbots fin­den. In letz­ter Zeit domi­nier­te – neben Finanzkrise und Schweinegrippe – kaum ein ande­res Thema der­mas­sen. Jedoch war es längst nicht nur Gesprächsinhalt, umso mehr auch Antrieb zum Agieren: Wirte und Clubbetreiber waren in den letz­ten Monaten auf­ge­for­dert, der Veränderung Tribut zu zol­len und sich damit abzu­fin­den. Im Volksmund war oft die Rede eines «unmög­li­chen Umdenkens». Doch bald lies­sen die Grossen die Muskeln spie­len; Prestige bau­te ein gross­zü­gi­ges, moder­nes Fumoir, wäh­rend das Bierhübeli schon Monate vor Beginn des Verbots auf die «Überzeugung der Gäste» setz­te, einen rauch­frei­en Konzertabend als einen bes­se­ren zu sehen.

Wie dem auch sei, die Berner Bevölkerung kommt nicht nur durch die repres­si­ve Gesundheitspolitik ins Schwitzen: Der August beschert den wahr­lich alles ande­re als über­drüs­sig mit Sommerwetter beglück­ten Städtlern hoch­som­mer­li­che Temperaturen und ster­nen­kla­re Tropennächte. Dass die Aare bis zu 21 Grad warm ist, weiss nahe­zu jede noch so was­ser­scheue Person zur­zeit. Marzili, Weyermatt, Eichholz und wie sie alle heis­sen: Die was­ser­na­hen Plätze sind voll, die Gemüter sind trotz der Hitze besänf­tigt. Der Stadtpräsident beweist zeit­gleich, dass auch ein ver­schwitz­tes Karo-Hemd kein Hindernis sein muss, um sich im Rampenlicht suh­len zu kön­nen. Aufmerksamen BernerBär-LeserInnen ist dies sicher­lich kei­nes­wegs ent­gan­gen.

Sommerwetter und Nichtraucher-Zukunft, das beschäf­tigt die Berner momen­tan. Zu fin­den sind aber auch sol­che, denen dies banal und kei­nes­wegs dis­kus­si­ons­wür­dig erscheint. Daher gehen man­che ihren eige­nen Weg und suchen bemü­hend den Gesprächsstoff, der es in sich hat: Im Radio fragt die Moderatorin die Berner HörerInnen gera­de, ob sie ihren Partner als roman­tisch bezeich­nen wür­den. Eine Umfrage hat­te erge­ben, dass 45 Prozent der BernerInnen ihren Partner als unro­man­tisch hal­ten. Erstaunlich.


«Grüß Gott», heisst es im erz­ka­tho­li­schen Bayern erst­mal. Ich erwi­de­re: «Gott sei Dank.» Gott sei Dank gibt es in Bayern, im Speziellen in München, kei­ne Gratiszeitungen. Und Gott sei Dank sind deut­sche Tageszeitungen wie die Süddeutsche nicht der­mas­sen spär­li­chen Ausmasses, wie es die ber­ni­schen und seit neu­stem auch die gesamt­schwei­ze­ri­schen Gegenspieler in der Tendenz immer mehr wer­den. Gott sei Dank. Das führt mit­ten ins Thema «Gesprächsstoff»: Was treibt denn die MünchnerInnen wäh­rend des Sommerlochs so um?

Das Thema Rauchverbot ist es auf alle Fälle nicht. Bayerns Bars, Kneipen und Restaurants sind seit gerau­mer Zeit bereits rauch­frei. Gesprächsstoff Nr. 1 sind, wie könn­te es auch anders sein, die Bayern – die Fussballer natür­lich. Sei es am Stammtisch, an der Uni oder auf dem Markt, die Truppe um den Holländer Louis van Gaal bestimmt das Stadtgespräch. Nachrichten aus der Rubrik «FC Bayern» wer­den dem­nach auf dem Onlineportal der Boulevardzeitung «tz» mei­stens noch vor News aus Kategorien wie «München», «Bayern» oder «Welt» auf­ge­li­stet. Doch der FC kann ja noch nicht alles sein. Es gibt zumin­dest vom Hörensagen her noch einen zwei­ten grös­se­ren Fussballklub und es soll ja auch noch Leute geben, wel­che sich nicht für Fussball inter­es­sie­ren.

Eine rich­ti­ge, Seiten fül­len­de Sommerstory konn­ten die Journalisten die­ses Jahr aller­dings kaum bie­ten. Gewiss haben die Schweizer Schlägerbuben aus Küsnacht für einen beacht­li­chen Rummel gesorgt, und neben­bei war auch die Schweinegrippe für eini­ge Geschichten gut. Auch das ist aber noch nicht alles: Obwohl die zwei Münchner Boulevardzeitungen, die «tz» und die «Abendzeitung», wel­che für die Münchner Skandalgeschichtchen zustän­dig wären, dem Text einen unge­wöhn­lich gros­sen Raum las­sen und zu einem gros­sen Teil auch über Meldungen aus dem übri­gen Deutschland und aus dem Ausland berich­ten, feh­len die Klatschmeldungen nicht. Nur wer­den die­se erst auf den zwei­ten Blick ent­deckt. So berich­tet die «tz» über einen Diebstahl, bei wel­chem 12 Kilo Fleisch abhan­den kamen, von einer Wespenplage in ganz München, von einem Krokodil in einem Weiher, wel­ches sich spä­ter als Biber ent­pupp­te und von einem Bräutigam, der bei sei­ner Hochzeit aus dem Fenster fiel.

München scheint sich äus­serst welt­of­fen zu prä­sen­tie­ren, was wohl nicht zuletzt mit den umfang­rei­chen Boulevardzeitungen und den feh­len­den Gratiszeitungen zusam­men­hängt. Und auch die Suche nach einem Pendant zum «Berner Bär» bleibt, Gott sei Dank, erfolg­los: Ein Münchner Mönch, wel­cher als Hauptinhalt den Oberbürgermeister Christian Ude mit einem «Cüpli» oder wohl eher mit einem Masskrug abdrucken wür­de, exi­stiert nicht. Abhilfe könn­ten hier wohl höch­stens eini­ge auf ein­zel­ne Stadtteile bezo­ge­ne Anzeiger schaf­fen.

Foto: Jonathan Liechti
ensuite, September 2009

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