Ehrlich, gewagt und jung

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Von Katja Zellweger – PENG!Palast ist eine freie Theatergruppe, die 2008 von Dennis Schwabenland und Benjamin Spinnler gegrün­det wur­de. 2009 wur­de Christoph Keller Mitglied. Das Stück «Hamlet MASSIV» ent­stand, «Woyzeckmaschine» läuft im Mai im Finale von PREMIO – Nachwuchspreis für Theater und Tanz und «and now go home and chan­ge your under­pants», ein Projekt mit Nina Kohler und Jeanne Devos, hat am 10. Juni im Schlachthaus Theater Premiere. ensuite – kul­tur­ma­ga­zin traf Schwabenland und Keller zu ihrem ersten Interview (Spinnler ist auf Asienreise) und sprach mit ihnen über Groove, Sportmetaphorik und Rock’n’Roll. Mit Begeisterung stell­ten sie ihr Schaffen mit Peng!Palast vor!

ensuite – kul­tur­ma­ga­zin: Woher kommt der Wunsch, als Abgänger der Hochschule der Künste Bern eine eige­ne Theatergruppe zu grün­den?

DS: Nach dem Abschluss woll­ten wir per­sön­li­che Themen und pri­va­te Erfahrungen, die einen als jun­gen Menschen beschäf­ti­gen, ein­brin­gen.

CK: Ich habe all­ge­mein kei­nen Bock auf einen Regisseur, der mir sagt, was ich machen soll. Peng!Palast dage­gen ist etwas, wo ich 100 Prozent dahin­ter ste­he. Mir ist unse­re Gruppenzusammengehörigkeit, das gemein­sa­me Arrangieren und Entscheiden wich­tig! Zudem hat­ten wir den Ehrgeiz, etwas Eigenes zu machen.

Inwiefern ist das, was ihr macht, neu oder anders?

DS: Eigentlich machen wir ja nix Neues, wir ver­su­chen ein­fach den Menschen in den Vordergrund zu stel­len. Wir reden über Beziehung, Forderungen, Sehnsüchte und Ängste, die wir alle haben. Zudem hat unser Schauspiel bewusst kei­nen Platz für Routine – das ist für mich Stillstand.

CK: Ja, wir sind unan­ge­strengt und wol­len die Leute anspre­chen. Unsere Sachen sind aktu­ell und ver­su­chen den Abstand zu ver­rin­gern, der vor­herrscht, wenn man Kunst gucken geht.

DS: Genau die­se Distanz ver­su­chen wir zu über­win­den, indem wir all­täg­li­che Geschichten erzäh­len, von Leuten, die wie wir sein könn­ten.

Ihr selbst seid jung, das Publikum auch?

DS: Wir sind per­sön­lich und direkt, unser Theater ist nicht so kon­ven­tio­nell und gestelzt. Wir ver­su­chen eine Sprache unse­rer Generation zu fin­den, die nicht ver­staubt ist. Deswegen fin­de ich, dass es schon mehr Leute unse­rer Generation inter­es­siert. Das ist dann auch eine Sprache, mit der die Generation mei­ner Eltern kon­fron­tiert ist. Also geht es auch sie etwas an.

CK: Dieses Altersding find ich bekackt; wir spre­chen ein­fach offe­ne Leute an.

Was hat es mit dem Namen Peng!Palast auf sich?

DS: Der ist für mich ein Assoziationsraum; was meinst du? Peng für «Achtung, hier sind wir und machen unser Eigenes». Palast viel­leicht für ein etwas ande­res Theaterhaus.

DS: Genau. Alle sehen’s ein wenig anders. Wir woll­ten was fin­den, das Jugendlichkeit, Ungehaltenes und viel­leicht auch Glamouröses aus­strahlt. Peng: Ein Knall, ein Aufrütteln – Unberechenbarkeit. Wenn etwas explo­diert, fliegt es dir um die Ohren, es ist etwas Spürbares und Echtes, dass weh tut und dass du fühlst – das ist authen­tisch! Der Palast ist etwas, dass man ver­tei­di­gen kann, was uns gehört…

CK: …wo man auch stolz dar­auf ist. Der kraft­vol­le Name steht für ein Theater, das mich moti­viert.

Erzählt mir mehr von eurem Konzept.

DS: Wir haben uns kein Konzept auf­er­legt. Es sind eher wie­der­keh­ren­de, bewähr­te Arbeitsweisen. Wir ver­su­chen uns eine Figur soweit zu ver­in­ner­li­chen, dass von ihr aus argu­men­tiert und gehan­delt wer­den kann – so dass authen­ti­sche Momente ent­ste­hen. Wir grei­fen uns auf der Bühne an, fei­ern Feste, oder belei­di­gen uns sprach­lich. Das ist pur und schlägt viel­leicht wie bei einem Konzert auf das Publikum über.

CK: Ein Groove! Das Wichtigste ist, sich immer wie­der mit dem Material aus­ein­an­der­zu­set­zen, dar­an her­um­zu­basteln, zu recher­chie­ren und neue Situationen ein­zu­brin­gen. Daraus bil­den sich Szenen und die Figuren wer­den kla­rer. Trotzdem lie­fern wir kei­ne Moral oder Antworten.

DS: Antworten sind immer der Tod; wenn du eine hast, bist du fer­tig. Uns beschäf­ti­gen die Fragen!

Weshalb baut ihr auf Büchner und Shakespeare auf?

CK: Die Stücke sind gut, die geben auch kei­ne Antworten. Sie sind gutes Grundmaterial für Recherche und Rückbesinnung.

DS: Wir bewe­gen uns zwi­schen zwei Polen: Einerseits den unvor­her­seh­ba­ren Groove, ande­rer­seits die klas­si­schen Stücke, die uns einen Halt oder roten Faden geben. Büchner wie auch Shakespeare haben eine Kraft in der Sprache und die Themen wie Eifersucht, Enttäuschung, Handlungsunfähigkeit, Verlassen-Werden und Naivität spre­chen uns heu­te noch an. Diese über­neh­men wir auch.

Ihr schreibt die Texte selbst oder impro­vi­siert. Hat sich das bewährt?

DS: Ja, wir machen Interviews mit uns Schauspielern als Privatperson und mit uns Schauspielern in den Figuren, wobei vie­le per­sön­li­che Diskussionen ent­ste­hen. Bei der Improvisation legen wir Situation oder Umfeld fest, und tasten uns so an die Figuren ran.

CK: Manchmal schrei­ben wir auch die Texte auf­grund von gefilm­ten Improvisationssequenzen. Für mich ist sel­ber schrei­ben extrem wich­tig, denn man bringt sich so mehr ein und kon­stru­iert die Figur mit. Dabei lernt man ver­dammt viel.

DS: So haben wir einen sinn­bild­li­chen Koffer, in den wir alle schon genutz­ten Techniken, Spielweisen und Figurenprofile rein­stop­fen, auf den wir in den Proben oder in Aufführungen zurück­grei­fen kön­nen.

Wie könnt ihr das Stück zusam­men­hal­ten, bei so viel unvor­her­ge­se­he­nen Elementen?

DS: Wir pla­nen die­ses Unvorhergesehene mit ein und ver­stär­ken es, was zu unse­rer Authentizität bei­trägt. Felder, die in fester Reihenfolge ste­hen, wer­den abge­steckt und die­nen als Eckpunkte. Es ist wie Sport: Taktiken und Strategien wur­den ein­stu­diert, aber auf dem Feld musst du im Moment funk­tio­nie­ren und ein­fach den Ball ins Tor krie­gen. So ver­hält es sich dann auch mit den Texten und Situationen. Wenn es abge­macht ist, die Figur run­ter­zu­but­tern, dann muss das geschafft wer­den.

CK: Das Geile dar­an ist, dass du dei­ne Figur extrem gut ken­nen musst. Und dich im Spiel immer wei­ter trei­ben kannst.

DS: Weil vie­le Texte nicht fest­ge­legt sind, müs­sen alle extrem wach blei­ben und reagie­ren. Wenn der ande­re pennt, bricht das gan­ze Stück zusam­men.

Ich habe den Eindruck, euch gefällt die Freiheit, Schauspieler und Regisseur in einem zu sein – aber ist es ein­fach?

DS: Stimmt. Ohne die tra­di­tio­nel­le Hierarchie wie im Theater dau­ert der Entstehungsprozess ein­fach län­ger. Man setzt sich mit der Gruppe aus­ein­an­der, jeder hat das Recht mit­zu­spre­chen, und kei­ne Verantwortung kann abge­ben wer­den. Das fängt bei Textcollage und Bühnenbild an und geht bis zum Auto orga­ni­sie­ren und Bühne put­zen. Es stärkt dafür den Gruppengroove – ist ’ne Spur von Rock’n’Roll.(lacht)

CK: Ja, es ist ein gemein­sa­mer Lernprozess und ein schma­ler Grat, auf dem wir gehen. Oft gibt es Streit vor einer pro­duk­ti­ven Lösung. Aber es ist das Gefühl, ernst­ge­nom­men zu wer­den, wert.

Raphael Urweider ist euer «Blick von Aussen»?

DS: Ja, Raphael bringt viel Erfahrung mit und kann mit Texten umge­hen. Es ist wich­tig, die­sen «Blick von Aussen» zu haben, weil man sich sonst im Detail ver­liert. Allein vom sich auf die Fressen hau­en und mit Bier über­schüt­ten bleibt der Zuschauer nicht wach, ein Spannungsbogen soll­te den­noch ein­ge­hal­ten wer­den, wobei uns Raphael sehr gehol­fen hat. Sein Interesse an unse­rer Arbeit freut uns extrem.

CK: Auch öffent­li­che Proben haben sich bewährt, da kriegt man mit, wie das Gespielte wirkt.
Könnt ihr schon von Peng!Palast leben?

DS: Gut, man soll­te auch über Geld reden. Da vor allem frei­es Theater schwie­rig zu finan­zie­ren ist. Aber wir haben schon erste Unterstützung bekom­men – müs­sen uns selbst aber noch mit Stückverträgen oder Lesungen für die Miete quer­fi­nan­zie­ren. Was nicht schlecht ist, denn als Schauspieler muss man ja aktiv blei­ben. Man lernt viel. Wir dre­hen auch ger­ne, da kann und muss man auch authen­tisch und per­sön­lich spie­len.

CK: Da ich bei Peng!Palast echt das Gefühl habe, dass dar­aus was wer­den könn­te und ich zu 100 Prozent dahin­ter­ste­he, muss ich halt neben­bei gucken, wie ich klar­kom­me. Dafür lohnt es sich aber zu kämp­fen.

DS: Klar, man arbei­tet dafür mit Leuten zusam­men, die man sich aus­ge­wählt hat, das ist auch Luxus.

Beim PREMIO – Wettbewerb seid ihr unter den vier Finalisten. Was kommt noch auf euch zu?

DS: Zu Beginn reich­ten wir unser Konzept ein und spiel­ten am Halbfinale aus der «Woyzeckmaschine». Im Final wer­den wir sicher­lich neu Geprobtes zei­gen, anschlies­send fin­det noch ein Gespräch mit der Jury statt.

Wie schätzt ihr eure Chancen?

DS: Schwer zu sagen, aber wir haben was Authentisches und Ehrliches…

CK: Was Gewagtes. Wir zei­gen unse­re Auseinandersetzung mit den Figuren.

DS: Wir zei­gen, was für uns stimmt. Alles ande­re ist Kartenleserei – wie bei unse­ren Proben, wir gehen hin und wis­sen nicht, was ent­steht. Im Grunde haben wir ja schon gewon­nen, weil wir dank unse­rer Finalistenposition vie­le Kontakte knüp­fen konn­ten, denn in der Jury sind sämt­li­che frei­en Theater der Schweiz ver­tre­ten. Jetzt haben sie uns spie­len sehen und konn­ten sich von unse­rer Arbeitsweise einen Eindruck machen.

Infos: www.premioschweiz.ch / www.pengpalast.de

Foto: Katja Zellweger
ensuite, Mai 2009

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